Für den Satiriker Viktor Giacobbo ist das Lachen ein Akt der Anarchie. Regisseur David Constantin findet witzig, was ihm sein Bauchgefühl sagt. Gute Voraussetzung für ein launiges Gespräch im Restaurant Volkshaus in Zürich, dem Ort, der laut Stiftungsurkunde 1905 «der Bevölkerung zweckmässig und freundlich ausgestattete Versammlungsräume sowie Räume zu geselliger Unterhaltung und zu Bildungszwecken zur Verfügung stellt». Nun, unterhaltsam soll es werden. Bei Cappuccino und Mohnkuchen (Viktor) sowie Apfelschorle und Randensalat (David) schätzen die Comedian-Vertreter aus zwei Generationen die Lage ein. 

Viktor Giacobbo: Werberinnen und Werber sind das schwierigste Publikum, weil sie nicht wirklich ein Publikum sind, sondern sich selbst immer so geben, als wären sie auf einer Bühne. Sie haben es nicht gern, wenn man sie als Publikum behandelt, weil sie alles, was das Entertainment anbelangt, meistens besser wissen als wir Komikerinnen und Komiker. 

David Constantin: Ich komme ja aus der Werbung. Ich würde eher sagen, dass man in dieser Branche Humor gegenüber sehr kritisch eingestellt ist. Humor ist etwas sehr Persönliches – und wenn viele Leute am Tisch sitzen, führt das oft zu Kompromisslösungen. In der Werbung versucht man gern, einen zielpublikumgerechten Humor zu finden, was mir selbst widerstrebt, da ich lieber auf meinen Bauch höre.

Giacobbo: Das heisst, der Humor in der Werbung muss mehr dem Mainstream entsprechen. Ich überlege mir bei der Komik gar nicht, dass ich alle erreichen möchte. Ich mache einfach das, was ich lustig finde. So habe ich ein Stammpublikum gewonnen, das die gleiche Art Humor schätzt wie ich. Mir gefällt es, wenn die Leute über meine Scherze lachen, weil sie meinen Geschmack teilen.

Constantin: Ich bin oft angeeckt mit meinem Humor. Weil ich halt schon eine sehr klare Vorstellung davon habe, wie man Humor filmisch umsetzt. Meine Ansicht stimmte nicht immer mit dem überein, was der Kunde oder die Agentur für den Auftrag witzig findet. Aber entweder muss ich lachen oder nicht. Da bin ich ehrlich und verstehe keinen Spass.  

 
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Der Kultkomiker

Viktor Giacobbo (70) ist Komiker, Satiremacher, Moderator, Autor, Regisseur, Filmemacher, Produzent, Imitator, Talker, Schauspieler, Verwaltungsrat – und er sammelt offenbar Berufsbezeichnungen, wie er auf seiner Website schreibt.

Er prägt mit Satire, Parodien und diversen Fernseh- und Bühnenshows (unter anderem «Viktors Spätprogramm», «Giacobbo/Müller») seit Jahrzehnten den Schweizer Humor. Er wurde mehrfach mit Preisen ausgezeichnet.

Neben seiner Funktion als Verwaltungsratspräsident des Casinotheaters Winterthur ist er auch Verwaltungsrat des Verlags Kein & Aber und Ehrenmitglied des ADC Schweiz.

Giacobbo: Meine allerersten Anfänge als Komiker waren Parodien von Werbespots. Das macht man als Schüler am liebsten. Ich habe die Werbespots herausgegriffen, die extrem schlecht oder wahnsinnig aufdringlich waren. Sie mussten prägnant sein, damit die Parodie wirkte. Auch heute gibt es manchmal sehr witzige Werbung in der Schweiz. Aber auch solche, die gar nicht witzig gemeint war und dann aber witzig rüberkommt und sogar Kult wird, wie der Spot der Fischer-Bettwarenfabrik. 

Constantin: Ein Klassiker. Aufgefallen ist mir zum Beispiel die ganz eigene Komik der Digitec- und Galaxus-Werbung. Auch ein singender Roger Federer kommt der Bettwaren-Comedy sehr nahe.

Giacobbo: Apropos singen: Derzeit läuft immer kurz vor der Tagesschau ein urschlechter Spot. Eine Frau singt den Namen einer Möbelfirma als Opernmelodie. Dass so ein abgelutschtes Italo-Klischee jemand abgenommen hat, wundert mich schon. 

Constantin: Ich finde schon, dass der Werbehumor vorsichtiger ist als zum Beispiel der TV-Serienhumor. Aber das liegt ja auch in der Natur der Sache.

Giacobbo: Als wir «Giacobbo/Müller» produzierten, haben Mike und ich strikt keine Werbeaufträge angenommen, um unsere satirische Unabhängigkeit zu bewahren und auf alle und alles abzielen zu können.

Regisseur David Constantin und der Komiker Viktor Giacobbo (r.)

«Entweder muss ich lachen oder nicht. Da bin ich ehrlich und verstehe keinen Spass», sagt David Constantin (l.).

Quelle: Cyrill Matter

Constantin: Da bin ich froh, dass wir in «Tschugger» nur auf fiktive Figuren schiessen. Ich hätte Angst, wenn zurückgeschossen wird. Sowieso hat die Bühne für mich etwas Beängstigendes. Oder wie ist das, wenn Leute an manchen Stellen lachen, die man todernst gemeint hat? 

Giacobbo: Oder sie reagieren auf eine Pointe gar nicht. Mit solchen Überraschungen muss man rechnen, kann sie aber live auch wieder ausbügeln. Darum hat es mir gefallen, eine Late-Night-Show zu machen, bei der wir improvisierten Live-Talk mit den Gästen und gescriptete Sketches vereinbaren konnten. Ich habe mit Improvisationskomik angefangen, bei «Harul’s Top Service» in den 1980er Jahren. Wir haben als falsche Kellner serviert und mit den Gästen interagiert, was über den Abend hinweg laufend schräger wurde.

Constantin: Wir halten uns beim Seriendreh eng ans Script. Das hat vor allem logische und zeitliche Gründe. Trotzdem bietet sich manchmal die Möglichkeit für Improvisation. Dann können durchaus coole Ergebnisse entstehen. Auch in der Werbung wird bei den letzten Takes in Absprache mit Kunde und Agentur nicht selten eine etwas mutigere Improvisationsvariante gedreht. 

Giacobbo: Peinliche Situationskomik in einem Theaterstück entsteht zum Beispiel, wenn einer der Schauspieler plötzlich lachen muss. Wir proben ja jedes Detail, weil es auf exaktes Timing ankommt. Wenn nur etwas kleines Unvorhergesehenes passiert, finden das die Schauspieler und Schauspielerinnen total komisch. Wie damals in unserem Stück «Erfolg als Chance» mit Mike Müller, Patrick Frey und mir. In einer Szene stand Mike mit dem Rücken zum Publikum, zog sein Shirt hoch und Patrick und ich starrten auf einen riesigen schwarzen Fussel in seinem Bauchnabel. Wir sind aus der Rolle gefallen und haben uns nicht mehr eingekriegt. In solchen Momenten sind und bleiben wir Komiker schlicht Kindsköpfe.

Constantin: Bist du auf der Bühne schon mal in Tränen ausgebrochen?

Giacobbo: Nein, mir ist es noch nie passiert, dass ich meine Emotionen nicht mehr unter Kontrolle hatte. Ich bin ja auch kein Tragödiendarsteller. Aber ich halte mich für die Idealbesetzung als jugendlicher Liebhaber. Solltest du mich je für die Rolle besetzen, könnte es mir eventuell passieren. Habt ihr die erste Staffel von «Tschugger» eigentlich analysiert, was besonders gut angekommen ist?

Constantin: Nicht mittels Statistiken. Da wir die Folgen alle mehrmals mit unterschiedlichem Publikum angeschaut haben, ist es mehr eine Einschätzung nach Gefühl. Darum ist es wichtig, viel zu drehen und viele Fehler zu machen. Die Erfahrung schult das Gespür dafür, was funktioniert. Erinnerst du dich daran, als ich bei dir und Mike in der Sendung eingeladen war. Danach haben wir beim Nachtessen sinniert, ob man in der Schweiz eine Serie wie «Breaking Bad» produzieren könnte. Für mich war das ein Traum, aber du und Mike meinten: «Mol, mol. Das kommt schon gut.»

Das Multitalent

David Constantin (37) dreht Werbefilme (ausgezeichnet unter anderem: 2018 ADC Award, Zürich – Gold für BAG «Safer-Sex-Check») und gerade die zweite Staffel der Erfolgsproduktion «Tschugger». Die Serie über einen Kantonspolizisten spielt in Constantins Heimatkanton Wallis. Die Hauptrolle übernahm er gleich selbst und auch das Drehbuch hat er für die Serie geschrieben.

Giacobbo: Und jetzt hast du eine Schweizer Serie gemacht, die aus dem Rahmen fällt.

Constantin: Ja, aber die Vergleiche mit internationalen Produktionen sind hart. Es besteht noch viel Luft nach oben. Gerade schaue ich «Dave» vom US-Rapper Lil Dicky. Die Serie lässt den Figuren genug Raum, sich zu entwickeln; es gibt keinen grossen Plot, keine grosse Action und man rennt nicht jeder Pointe hinterher. Darauf hätte ich Lust. 

Giacobbo: Die Krux beim Fernsehen ist, dass die Leute, welche das Budget verwalten, sich nicht in die künstlerische Umsetzung einmischen sollten. Ich war bei Konflikten mit der Führungsetage stets so konsequent, dass ich nach einer Diskussion gesagt habe: «Entweder wir machen es so oder ich gehe.» Zugegeben: Bei der Lösung der Konflikte hat die gute Quote ebenfalls geholfen.  

Constantin: Ich lasse mir gern reinreden, wenn es dadurch besser wird. Und bei «Tschugger» war es so, dass alle das Konzept begriffen haben und es kaum zu Diskussionen kam. Die Quote beweist dann, dass sich das Durchsetzen gelohnt hat. 

«Ich lasse mir gern reinreden, wenn es dadurch besser wird.»

David Constantin

Giacobbo: Du hast ja mehr Ausbildung als ich. Ich habe einst Schriftsetzer gelernt. Das wars. 

Constantin: Ich habe in New York ein Semester Film studiert und an der Uni Lausanne ein Semester Filmtheorie besucht. Am meisten habe ich in der Praxis gelernt. Das Studium ist wie eine geschützte Werkstatt. Die wirklich wichtigen Tools habe ich mir erst im «daily struggle» in der Werbung angeeignet. 

Giacobbo: In deinem Tun steckt eine Urtümlichkeit, die ich toll finde und die auch ausserhalb der Schweiz funktionieren würde. Für mich kam das nie infrage, weil man politische Satire am besten dort macht, wo man die lokalen Zwischentöne kennt. Meine Figuren sind typische Schweizerinnen und Schweizer. 

Constantin: Bei «Tschugger» bin ich auf den Anklang in Deutschland gespannt. Dort kennt man die Thematik, die Begriffe, die Unterschiede und Konflikte unserer Region nicht. Aber auch wenn sie einen Rappaz nicht kennen, steht er doch für ein Stereotyp, das es in Niedersachsen sicher auch gibt. Es sind gerade die Serien, die über Lokalkolorit verfügen, die heute gefragt sind. 

Giacobbo: Humor ist auch etwas Generationenübergreifendes. Im Vergleich dazu, dass ich ein alter Sack bin, habe ich auch immer noch Kontakte zu jüngeren Kollegen und Kolleginnen. Heute stelle ich allerdings eine erhöhte Moralisiererei fest. Strenge Grenzen zwischen erlaubt und nicht erlaubt sind tödlich für Komik, denn hin und wieder besteht sie darin, etwas gegen den Strich zu bürsten. Das gemeinsame Abstrafen auf Social Media, weil jemand einen Fehler macht, finde ich spiessig. Bitte vor dem Boykottieren erst mal debattieren, auch unter Kolleginnen und Kollegen! Auf Twitter ist das trotz wachsender Aufgeregtheit immer noch möglich.

Constantin: Ich wäre viel zu dünnhäutig, um auf Twitter auszuteilen. 

Giacobbo: Man kann da satirisch austeilen. Wenn zum Beispiel Roger Köppel behauptet, dass Putin kein «Kriegsverbrecher» ist, weil das nur für jene gilt, die von einem Kriegsverbrechertribunal nach einwandfreiem Verfahren als solche verurteilt worden sind, dann juckt es mich, die Aussage zu kommentieren mit: «Genau. Und deshalb sind weder Hitler noch Stalin Kriegsverbrecher.» 

Constantin: Ich habe mich auch schon gefragt, ob das vielleicht einfach nur Roger Köppels Art von Humor ist.

Giacobbo: Was uns allen, auch Politikern hilft, ist Selbstironie. Damit hat sich sogar Pierin Vincenz Sympathien erworben, als er vor Jahren Gast in unserer Sendung war. Er hat als witziger, hemdsärmeliger Banker abgeräumt. Vor allem sein Spruch: «Wenn was passiert, darfst du dich einfach nicht erwischen lassen», hat gepunktet. Im Nachhinein gesehen war das tiefschwarzer Humor.

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