Die meisten Schweizer Pensionskassen hinken mit ihrer Nachhaltigkeitsstrategie hinterher», stellte Greenpeace im April fest. Gestützt auf eine Crowd-Auswertung von 46 von 130 angeschriebenen Pensionskassen lieferten nur «die wenigsten konkrete Antworten auf die spezifischen Fragen», konstatierte Greenpeace. Viele Informationen, so sie denn vorhanden waren, mussten mühsam herausgesucht werden.
Beitrag zum Klimaschutz
«Die grossen Pensionskassen haben unterdessen ein Nachhaltigkeitskonzept», sagt Dominik Boos, Dozent für Asset Management an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Er war an der Greenpeace-Auswertung nicht beteiligt. Die wichtigsten Elemente sind gemäss Boos die Stimmrechtsausübung, die für Schweizer Aktien obligatorisch ist, aber zunehmend auch für ausländische Firmen wahrgenommen wird. Hinzu kommen Klimastrategien, die in der Regel einen Risikofokus verfolgen. Weiter gehört die nachhaltige Immobilienbewirtschaftung dazu. Diese hat laut Boos klare und oft auch ambitionierte Ziele für den CO₂-Ausstoss und kann bei Pensionskassen mit direkt gehaltenen Immobilien ein effektiver Weg Richtung wirkungsorientierte Nachhaltigkeit sein.
Ausserdem verfolgt man ESG-Ansätze wie die ESG-Integration und Ausschlussverfahren, wobei laut Boos die oft verwendete SVVK-ASIR-Liste «ein wenig ambitionierter Mindeststandard» ist. Die grösseren Pensionskassen hätten zudem eigene Nachhaltigkeitsexperten und -expertinnen. «Aber die haben oft einen schweren Stand, weil die Risikothemen und der Renditeaspekt im Zweifelsfall Vorrang haben», stellt Boos fest. «Die Stiftungsräte sind Laiengremien und von Beraterinnen abhängig – das erklärt auch die Verzögerungen bei der Einführung von Nachhaltigkeitsthemen bei den kleineren Kassen», so Boos weiter.
Fortschritte liessen sich auf unterschiedliche Art und Weise erreichen. «Wenn man mehr Nachhaltigkeit will, muss man das Verhältnis zum Primat von Risiko und Rendite klären», so Boos. «Wegweisend wird hier sein, wie und ob das Klima- und Innovationsgesetz die Pensionskassen erfassen wird.» Denn mit dem Artikel 9 des Gesetzes wird der Bund beauftragt, dafür zu sorgen, dass der Schweizer Finanzplatz einen effektiven Beitrag zur emissionsarmen und gegenüber Klimaänderungen widerstandsfähigen Entwicklung leistet.
Nachhaltigkeit geniesst bei Anlageentscheiden einen hohen Stellenwert.
Vorgaben für stärkere Transparenz
«Nachhaltigkeit geniesst bei den Anlageentscheiden von Schweizer Vorsorgeeinrichtungen einen hohen und stetig steigenden Stellenwert», betont Lukas Müller-Brunner, Direktor des Schweizerischen Pensionskassenverbands Asip. «Denn Pensionskassen haben gegenüber ihren Versicherten eine treuhänderische Sorgfaltspflicht. Entsprechend gilt es, diesem Kriterium bei Anlageentscheiden genauso Rechnung zu tragen.» Bei der konkreten Umsetzung liege der Teufel im Detail: Gemäss den Bestimmungen des Gesetzgebers habe eine Pensionskasse eine langfristig ausgelegte Anlagestrategie festzulegen, welche der im jeweiligen Einzelfall vorhandenen Risikofähigkeit der Vorsorgeeinrichtung Rechnung trägt. «Wie dies konkret umgesetzt wird, hängt von der Zielsetzung ab, welche die Führungsorgane der Vorsorgeeinrichtungen festlegen», so Müller-Brunner.
Die Chancen und Risiken bei nachhaltigen Vermögensanlagen seien grundsätzlich schwierig zu erfassen. Müller-Brunner nennt ein Beispiel: Wenn eine Pensionskasse für ein bestimmtes Unternehmen davon ausgeht, dass eine CO₂-Steuer eingeführt und sich diese negativ auf die Profitabilität dieser Firma auswirken wird, müsste schon allein aus finanziellen Überlegungen die Investition überprüft und allenfalls angepasst werden. «Wird das nun von einer Pensionskasse gemacht, stellt sich die Frage: Ist das eine ESG-Massnahme oder eine Reaktion auf den geplanten regulatorischen Eingriff, der nichts mit Nachhaltigkeit zu tun haben muss?», so Müller-Brunner. «Genau darum ist es so wichtig, sich nicht ‹blind› in einzelne Massnahmen zu stürzen.»
Der Prozess mit der Umsetzung einzelner Anlageansätze sei dann noch nicht abgeschlossen, es fehle die Berichterstattung, sagt Müller-Brunner weiter. «Im Kern geht es darum, gegenüber den Versicherten, aber auch gegenüber einer breiteren Öffentlichkeit Transparenz über die beschlossenen Massnahmen zu ermöglichen.» Für Asip steht laut Müller-Brunner die Unterstützung der Mitglieder auf diesem Weg im Vordergrund. «Konkret haben wir sowohl eine Wegleitung zum Thema ESG als auch einen Reportingstandard erarbeitet.»