Seit Ende Januar 2015 hält die Schweizerische Nationalbank (SNB) einen traurigen Rekord: Mit minus 0,75 Prozent hat sie den Leitzins so weit nach unten geschraubt wie keine andere Zentralbank der Welt. Darüber hinaus zahlen Geschäftsbanken einen Strafzins von ebenfalls minus 0,75 Prozent auf Einlagen, die sie bei der SNB halten. Eine ähnlich ultralockere Geldpolitik hat in den vergangenen Jahren die Europäische Zentralbank (EZB) verfolgt. Das Ergebnis: Mitte November 2019 lag das Volumen der weltweit negativ rentierenden Schuldtitel bei rund 12 Billionen Dollar. Das entspricht etwa 20 Prozent aller Rentenpapiere rund um den Globus.

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Gleichzeitig reichen immer mehr Geschäftsbanken in der Schweiz und im Euro-Raum die Strafzinsen, die sie für Einlagen bei den Zentralbanken zahlen müssen, an ihre Kunden weiter. Und Besserung ist nicht in Sicht. So hat SNB-Chef Thomas Jordan zuletzt eine Verschärfung der Negativzinsen nicht ausgeschlossen. Und auch die neue EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat unlängst betont, dass sie eine sehr lockere Geldpolitik auf absehbare Zeit für nötig hält. Verluste mit als sicher geltenden Anleihen und Tagesgeldkonten werden so von der Ausnahme zur Regel..

Dividenden als Puffer

Um etwa für das Alter vorzusorgen, führt vor diesem Hintergrund eigentlich kein Weg an einer renditestarken Anlage wie der Aktie vorbei. Trotzdem fürchten viele Sparer das mit Unternehmensbeteiligungen verbundene Risiko. Ein Weg, in Aktien zu investieren, ohne dabei die eigene Komfortzone verlassen zu müssen, sind Dividendenstrategien. Denn die Papiere von Unternehmen mit hohen Ausschüttungen sorgen nicht nur für stetige Einnahmen, die man bei Anleihen derzeit wie einst Diogenes mit der Laterne suchen muss, sondern verlieren in Schwächephasen an den Börsen in der Regel auch weniger als der breite Markt. Dies hat einerseits damit zu tun, dass diese Firmen häufig aus defensiven Sektoren kommen. Noch dazu sprechen nachhaltig hohe Dividenden für ein stabiles Geschäftsmodell über Konjunkturzyklen hinweg, was ebenfalls für einen Puffer sorgt. Daneben wird die Wirtschaftsaktivität wohl auch 2020 nicht überschäumen, was sich in verhaltenen Wachstumsraten in den Unternehmensgewinnen spiegeln dürfte. Global sollte das Plus bei durchschnittlich 5 Prozent liegen, was zu Kursgewinnen in etwa derselben Grössenordnung führen dürfte. Damit wird der Anteil der Dividende am gesamten Ertrag einer Aktienanlage noch wichtiger werden, weshalb sich Sparer Unternehmensbeteiligungen mit hohen Ausschüttungen genauer ansehen sollten.

Der Nachhaltigkeitsfilter

Zusätzliche Stabilität bekommt ein auf einer Dividendenstrategie basierendes Portfolio durch einen Nachhaltigkeitsfilter. Diese Komponente wird häufig mit dem Kürzel ESG bezeichnet (Environment, Social, Governance) und steht damit für die Qualität der Unternehmensführung. Warum ein solcher Filter dem Portfolio zugutekommt, ist leicht erklärt: Verseuchtes Trinkwasser, Kinderarbeit und fragwürdige Bilanzierungsmethoden können Unternehmen Reputationsschäden zufügen, die unter Umständen zu massiven Kursverlusten führen. Mit einem aus vielfältigen Quellen gespeisten und konsequent angewandten ESG-Filter werden unsichere Kantonisten jedoch von Anfang an ausgesiebt, wodurch das Risiko verringert wird. Noch dazu werden Investmentgesellschaften damit ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung gerecht. Denn sie nutzen ihre Schlüsselfunktion als Kapitalsammelstelle und leiten Gelder gezielt in Firmen, die beispielsweise Technologien zum Klimaschutz oder zur Aufbereitung von Trinkwasser entwickeln

Kohle ist tabu

In der Praxis hat sich ein zweistufiger Nachhaltigkeitsfilter bewährt. Dabei kommt zunächst ein Ausschlussmechanismus zum Tragen, der das Anlageuniversum um Besitzer oder Hersteller von Kernwaffen, Streumunition, Antipersonenminen und angereichertem Uran bereinigt. Auch fallen Unternehmen heraus, die den Löwenanteil ihres Umsatzes in sogenannten kontroversen Sektoren wie Tabak, Rüstung, Glücksspiel und Kernkraft erwirtschaften. Tabu sind ebenfalls Firmen, bei denen mehr als ein Viertel der Einnahmen aus dem Geschäft mit Kohle stammen. Die verbleibenden Unternehmen werden anschliessend nach Sektoren zusammengefasst und innerhalb der so entstandenen Gruppen danach bewertet, wie nachhaltig sie wirtschaften. Der erste wichtige Massstab ist dabei der Erfüllungsgrad der im United Nations Global Compact vereinbarten Prinzipien. Die zweite relevante Kennziffer ist die Einschätzung der Risiken, die der Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft für eine Firma mit sich bringt. Dieses Mass liefert wertvollere Informationen zu den Klimarisiken eines möglichen Investments als der sonst zumeist verwendete CO2-Fussabdruck, der sich nur im Nachhinein ermitteln lässt.

Durch diesen zusätzlichen zweistufigen ESG-Filter schrumpft das Anlageuniversum für einen Portfoliomanager verglichen mit einer konventionellen Dividendenstrategie zwar um bis zu 50 Prozent, wodurch die eine oder andere lukrative Gelegenheit nicht wahrgenommen werden kann. Anderseits tragen die Nachhaltigkeitskriterien jedoch zur Verringerung des Risikos bei, sodass die Wertentwicklung nicht hinter einem konventionell bestückten Portfolio zurückbleiben muss.

Martin Berberich, Portfoliomanager DWS Invest ESG Equity Income, DWS, Frankfurt.