Wie kann man sich mit einem aktiven Anlagefonds heute angesichts des starken Wettbewerbs in der Schweiz ausdifferenzieren?
Matthias Müller: Ausgangspunkt für uns sind unsere eigenen Aktienanalysen. Wir nehmen eine langfristige Perspektive ein, wir sprechen regelmässig mit den Unternehmen, von denen wir Aktien haben. Unser Ziel ist es, den Benchmark, den SPI, zu schlagen.
Welches ist Ihr Track Record?
Tobias Kistler: Wir führen den Aktien-Schweiz-Fonds seit Anfang 2022, deshalb können wir erst ab diesem Zeitpunkt Aussagen machen. Im vergangenen Jahr haben wir den SPI nach Kosten um 0,5 Prozent übertroffen. Wir halten aktuell 35 Positionen, alle aus der Schweiz und alle kotiert an der Schweizer Börse. Eine einzelne Aktie darf maximal 10 Prozent des gesamten Fondsvermögens ausmachen, zudem dürfen die Firmen, von denen wir dieses Maximum ausschöpfen, maximal 40 Prozent des Volumens ausmachen.
Passives Investieren ist trendy – wie generieren Sie Alpha?
Tobias Kistler: Wir machen Bottom-up-Analysen, das heisst, wir schauen uns die einzelnen Unternehmen sehr genau an. Den Kern des Portfolios bilden Unternehmen, die langfristig Mehrwert schaffen, robuste Margen erzielen, über Preissetzungsmacht verfügen und solide Bilanzen aufweisen. Beispiele dafür sind etwa Belimo, Geberit, Lindt und Schindler. Diese Selektion von Qualitätsunternehmen ist die wichtigste Alpha-Quelle.
Der Rechner
Name: Tobias Kistler
Funktion: Fondsmanager, St. Galler Kantonalbank, Zürich
Geboren: 12. November 1979
Zivilstand: ledig
Ausbildung: Bachelor in Business Administration ZHAW, CFA Charterholder
Seit Anfang 2022, seit Sie den Schweiz-Fonds übernommen haben, sind die Zinsen stark gestiegen – wie hat sich das bei Ihren Modellen ausgewirkt?
Matthias Müller: Alle Bewertungsmodelle reagieren stark auf Veränderungen bei den Zinsannahmen. Wir finden aber, dass Investitionen aufgrund des Geschäftsmodells und der daraus folgenden Geldflusserwartungen aufgehen müssen, nicht wegen Veränderungen der Zinsen im Bewertungsmodell. Wir rechnen daher grundsätzlich mit einem konservativen Zinssatz. So mussten wir seit dem Anstieg des globalen Zinsniveaus keine Anpassungen an den Zinsen in unseren Finanzmodellen vornehmen.
Die Schweiz ist stark in die Weltwirtschaft integriert – wie entscheidend sind da die Zinsen in der Schweiz?
Tobias Kistler: Wichtig ist vor allem die Entwicklung der US-Zinsen, die das Schweizer Zinsniveau und die Schweizer Aktienbewertung wesentlich mitbestimmen. Vieles deutet auf eine Rezession der Wirtschaft Richtung Jahresende hin. Am Markt geht man bereits davon aus, dass im Sommer die Leitzinsen wieder gesenkt werden könnten, um eine Rezession zu vermeiden. Wir erwarten erst ab 2024 erste Leitzinssenkungen.
In den USA ist der Arbeitsmarkt weiterhin robust, auch aufgrund des demografischen Wandels. Wie weit lassen sich die Erfahrungswerte aus der Vergangenheit auf diesen Zyklus übertragen?
Matthias Müller: Einige Rückschlüsse lassen sich immer aus der Vergangenheit ableiten. Im aktuellen Zyklus kommen neue Faktoren hinzu. Das sind etwa die Erholung nach der pandemiebedingten Rezession, der Digitalisierungsschub und der Fachkräftemangel, der dazu führt, dass Unternehmen das Personal nicht mehr so rasch wie zuvor abbauen. Das führt zu einem verkürzten Zyklus.
Der Analytiker
Name: Matthias Müller
Funktion: Fondsmanager Aktien Schweiz, St. Galler Kantonalbank, Zürich
Geboren: 10. Oktober 1981
Familie: verheiratet, zwei Kinder
Ausbildung: Master in Finance Universität Basel, CFA Charterholder
Was bedeuten diese Aussichten für Ihren Schweiz-Fonds?
Matthias Müller: Wir haben unseren Fonds grundsätzlich auf eine sich verlangsamende Wirtschaftsentwicklung ausgerichtet. Ihr tragen wir etwa durch eine stärkere Exponierung in defensiven Branchen wie Nahrungsmittel und Gesundheit, aber auch durch eine stärkere Ausrichtung auf Qualitätswerte Rechnung.
Eine weitere wichtige Entwicklung ist das Thema Nachhaltigkeit beziehungsweise ESG.
Matthias Müller: Wir kommen auch in unseren traditionellen Schweizer Anlagefonds unserer gesellschaftlichen Verantwortung nach. So halten wir uns an die Regeln, die beispielsweise den Kauf von Aktien von problematischen Waffenherstellern ausschliessen, und wir üben unsere Stimmrechte nach den Grundsätzen des UN PRI aus.
Neben dem Aktien-Schweiz-Fonds managen Sie auch den Ostschweiz-Fonds. Lässt sich dieser Fonds sinnvoll managen?
Tobias Kistler: Absolut. Von den rund 220 gelisteten Firmen in der Schweiz lassen sich rund 90 der Ostschweiz inklusive Zürich zuordnen. Hier finden sich nicht nur einige grosse, sondern auch etliche mittlere und kleinere Weltmarktführer, die ihre Hauptsitze und wichtige Aktivitäten in der Ostschweiz angesiedelt haben. Der Ostschweiz-Fonds ist etwas zyklischer aufgestellt als der Aktien-Schweiz-Fonds und enthält mehrheitlich mittel- und kleinkapitalisierte Titel.
Wie sieht es mit der Grösse dieses Fonds aus?
Tobias Kistler: Aktuell bewegen wir uns bei rund 48 Millionen Franken. Wir verzeichnen konstante Zuflüsse. Als nächsten Meilenstein wollen wir 50 Millionen Franken erreichen.
Wenn Sie mit Vertretern der Firmen sprechen – welches ist das dominierende Thema?
Matthias Müller: Zu den wichtigsten Themen gehören momentan die sich abschwächende Konjunkturentwicklung, die Entwicklung der Lieferketten sowie die Inflation bei Rohwarenpreisen und Lohnkosten. Ein wichtiges Thema im Rahmen von Wachstumsstrategien ist natürlich M&A und die Preise, die Unternehmen bezahlen müssten, beziehungsweise, die erwartet werden. Da ist das Niveau teilweise noch zu hoch. Wir sehen noch Potenzial nach unten.
Wenn wir nach vorne schauen – worauf müssen sich Investoren einstellen?
Matthias Müller: Wir rechnen in den USA mit einer Abschwächung der Konjunktur. Dann dürfte es auch zu einem Rückgang der Inflation und der Zinsen kommen. Wir sehen keine gravierenden Auswirkungen einer Deglobalisierung. Das Thema Nachhaltigkeit wird weiter an Bedeutung gewinnen und die Digitalisierung wird weiter fortgesetzt, was sogar eine gewisse deflationäre Wirkung haben könnte.
Und was ist für die Fonds zu erwarten?
Tobias Kistler: Wir möchten natürlich wieder den Benchmark schlagen und glauben, dass die Voraussetzungen günstig sind, zumal die Unternehmen, in die wir investieren, mehrheitlich über eine starke Preissetzungsmacht verfügen und sich auch in einem konjunkturell schwierigen Umfeld behaupten können. Der Ostschweiz-Fonds dürfte sich ähnlich entwickeln, wobei wir hier aufgrund der zyklischeren Ausrichtung des Portfolios mit etwas stärkeren Schwankungen rechnen.