Solarkraft soll in der EU bis 2030 zur wichtigsten Energiequelle werden – das erfordert eine Verdreifachung gegenüber der bisher installierten Kapazität in den kommenden sieben Jahren. Weil die Hersteller in Europa längst nicht ausreichende Kapazitäten haben, wird man auf aussereuropäische Anbieter zurückgreifen müssen, wie Branchen- und EU-Vertreter Mitte März an einem Solarkraft-Branchenanlass in Brüssel einräumten. Und weil ein Grossteil der Entwicklungs- und Produktionskapazitäten nach ruinösen Preiskämpfen und leichtsinnigen Technologietransfers nach China abgewandert ist, werden asiatische Hersteller zu den grossen Gewinnern der EU-Förderprogramme gehören.

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Volle Kassen, leere Businesspläne

Geld ist beim im Februar präsentierten europäischen «Net Zero Industrial Plan» nur ein Aspekt: Es geht auch um eine Beschleunigung des ganzen Zulassungs-, Aufbau- und Förderungsprozesses – der Plan ist eine europäische Antwort auf das grosse IRA-US-Förderprogramm.

Einige konkrete Massnahmen sollen das Problem, dass die Fördergelder vor allem in China und in den USA landen, lindern. Zunächst will man die Rahmenbedingungen für staatliche Beihilfen lockern. Kleinere Projekte mit Fördervolumen unter 200 000 Euro sollen nicht mehr der Bewilligungspflicht unterstehen, sie können gleich pragmatisch vor Ort entschieden werden.

Dann will die EU die offenen Subventionen, welche China und die USA ihren eigenen Betrieben zukommen werden lassen, mit gleich grossen Beträgen kontern, um einen Ausgleich und gleiche Wettbewerbsbedingungen herzustellen. Schliesslich will man die EU-Unterstützung auf die volle Bandbreite der möglichen Technologien erweitern. Das könnte vor allem für die Entwicklung von Startups entscheidend werden.

Viele Milliarden sind abrufbereit

Geld ist auf beiden Seiten des Atlantiks ausreichend vorhanden. Denn umgerechnet rund 350 Milliarden Euro des US-Programms stehen gemäss Hochrechnungen der Analystinnen und Analysten von Jefferies in Europa gut 300 Milliarden Euro allein im Rahmen der Repower-EU-Initiative gegenüber. Hinzu kommen in Europa die 30 Milliarden aus dem knapp 100 Milliarden Euro schweren Horizon Fund, mit dem einschlägige Forschung unterstützt wird.

Dazu kommen noch einmal 40 Milliarden aus dem europäischen Innovationsfonds, mit dem unter anderem die Forschung rund um das Thema grüne Wasserstoffenergie finanziert wird. Und da sind noch die 26 Milliarden Euro der Europäischen Investitionsbank für Garantien bei Investitionsvorhaben.

 

Ein Dschungel an Zuständigkeiten

Diese Rahmenbedingungen verbauen den Blick auf ein weiteres europäisches Problem: Oft werden Fördergelder nicht abgerufen. Während in den USA die Förderung über das Steueramt gesteuert wird, müssen sich Investoren in Europa zuerst im Dschungel der Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten und Antragsformulare, inzwischen teilweise online, zurechtfinden. Und es gibt ein schlechtes Vorbild: Im europäischen Corona-Wiederaufbau-Fonds liegen 200 Milliarden Euro nicht abgerufene Gelder.

Ob und wie einzelne Firmen vom Fördergeldsegen profitieren, ist offen.

Warten auf die Gelder

Gemäss einer Übersicht der Analysten von BNP Paribas verteilen sich die bisher abgerufenen Gelder sehr ungleichmässig: Einen Fünftel hat sich Italien gesichert und damit die Quoten seiner Programmteile bereits erreicht. Sehr zurückhaltend ist man bisher in Deutschland und den skandinavischen Ländern gewesen – hier bleiben die abgerufenen Gelder unter der 1-Prozent-Marke der Wirtschaftskraft dieser Länder.

Ob und wie einzelne Firmen und damit ihre Aktionäre vom Fördergeldsegen profitieren, ist derzeit offen. Neben den Herstellern der Systeme für die Gewinnung nachhaltiger Energien, den Ausrüstern für Strom- und Verteilnetze, den Versorgern sowie den Hardwareherstellern für Mobilitätszwecke gibt es laut Analysten weitere wie die Fluggesellschaften: Ab 2025 muss der Anteil des nachhaltigen Treibstoffes steigen.

Fluggesellschaften bekommen Finanzhilfen, ohne die die spezialisierten Treibstoffhersteller ihre Produktion nicht auf die erforderlichen Mengen hochfahren könnten. Hier könnten die Fluggesellschaften die Profiteure sein – wenn sie, wie Analystinnen und Analysten prognostizieren, Fördergelder bekommen und gleichzeitig von den Passagieren Aufschläge für grüne Treibstoffe erhalten.

Auch in den USA steht man erst am Anfang – hier können sich auch die US-Töchter schweizerischer Firmen um Fördergelder bewerben. Wer sich dafür interessiert, sollte sich zunächst an die Steuerfachleute einer spezialisierte Anwaltsfirma wenden. Diese werden darauf hinweisen, dass es im Kern um eine Vielzahl von Steuererleichterungen geht – je nachdem, ob es um Solarinfrastruktur oder um die Batterien für Elektroautos geht.

Wirrwarr auch in den USA

Hinzu kommen unterschiedliche Zuständigkeiten. Für bestimmte Kreditprogramme ist das Energieministerium in Washington zuständig. Für die Förderung elektrischer Fahrzeuge in der Landwirtschaft muss man sich an das Landwirtschaftsministerium wenden. Und für die Handhabung der Förderungen bei der Herstellung und im Handel mit umweltfreundlichen Autos sind die Steuerbehörde IRS sowie das US-Schatzamt die Ansprechpartner.

 

Effekte teilweise erst in zwei Jahren

Interessant ist, was Firmen- und Finanzchefs an den jüngsten Analysten-Konferenzgesprächen über die grossen Förderprogramme sagen: Grosses Interesse überall, aber es folgten bisher kaum entsprechende Handlungen, weil alles viel zu kompliziert ist.

Und vielerorts stellt man jetzt fest, dass wichtige Rahmenbedingungen wie qualifiziertes Personal oder robuste Lieferketten fehlen. Bis sich die Fördergeld-effekte in den jeweiligen Geschäftsergebnissen zeigen, wird es noch ein, zwei Jahre dauern.