Wer mit der Unterstützung von Chat GPT investieren möchte, findet mittlerweile einige gut funktionierende Prompts. So wird beispielsweise die Eingabe «Evaluiere die Performance der ABC-Aktie während der vergangenen zwölf Monate» einige Hinweise zum Kursverlauf dieser Aktie liefern. «Schlage mir Sektoren mit überdurchschnittlichem Wachstumspotenzial vor» wird, wenig überraschend, die Antwort «Künstliche Intelligenz» zur Folge haben. Und «Schlage mir Strategien vor für ein Portfolio, das einen Schwerpunkt bei Tech-Aktien aufweist» wird eine Auswahl an Aktien wie Apple, Alphabet, Microsoft und – unvermeidlich – Nvidia bringen. Mit Chat GPT und weiteren Systemen auf der Basis der Large-Language-Modelle (LLM) haben auch Kleinanlegende die Möglichkeit, künstliche Intelligenz (KI) für ihre Zwecke zu nutzen.
KI macht Fortschritte
Institutionelle Investoren nutzen seit Jahrzehnten Systeme, die auf künstlicher Intelligenz (KI) basieren. KI hat im Tradingbereich grosse Fortschritte gemacht, insbesondere im Algorithmic-Trading und Machine Learning für Analysen, erkärt Marc Weibel, von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). KI-Algorithmen analysieren vielfältige Datenquellen und reagieren schneller auf Marktveränderungen. Dies wird durch wachsende Datenmenge ermöglicht und führt zu zusätzlichen Erträgen durch schnellere Reaktionen und das Erkennen komplexer Muster. Allerdings stossen KI-Modelle in volatilen Phasen oft an ihre Grenzen. Transparenz bleibt schwierig, vor allem bei Black-Box-Modellen, aber SHAP-Werte helfen, die Beiträge einzelner Variablen zu verstehen und Vertrauen zu stärken.
Gute Daten sind zentral
Spezialisierte Hedgefonds wie Renaissance Technologies oder Two Sigma sowie Banken wie J.P. Morgan haben die KI-Entwicklungen im Tradingbereich massgeblich vorangetrieben. «Auch institutionelle Anleger und Banken investieren zunehmend in KI-Technologien, um mittels spezialisierter Fonds konkurrieren zu können und von datengetriebenen Modellen zu profitieren», ergänzt Johannes Höllerich, stellvertretender Studiengangsleiter MSc Banking & Finance an der ZHAW. KI biete auch im Portfoliomanagement grosses Potenzial, vor allem durch die Analyse von Risiken und die dynamische Steuerung und/oder Optimierung von Portfolios. «Ein Beispiel ist die Zürcher Kantonalbank, die KI einsetzt, um Alphaquellen zu identifizieren und frühzeitig auf Marktveränderungen zu reagieren», so Weibel. KI-gesteuerte Portfolios können somit schneller und präziser an Marktdynamiken angepasst werden.»
Auch bei Handelsstrategien, die auf fundamentalen Unternehmensdaten basieren, scheinen LLMs laut Höllerich Potenzial zu bieten. Eine Studie zeigte, dass GPT-4 unter bestimmten Voraussetzungen bei der Vorhersage von Gewinnveränderungen Analysten und Analystinnen übertreffen konnte. Die Leistungsfähigkeit variiert stark zwischen den verfügbaren Gen-AI-Modellen. «Bekannte Sprachmodelle wie GPT-4, LLama oder Claude sind besonders geeignet für Sentimentanalyse und Mustererkennung in Textdaten», sagt Weibel. «Weniger bekannte Modelle wie Falcon zeigen jedoch ebenfalls grosses Potenzial, insbesondere weil sie oft wie LLama als Open Source verfügbar sind und für spezifische Anwendungen im Finanzbereich weiter trainiert werden können.»
In Zukunft werde KI besonders durch LLMs, die kundenspezifisch trainiert und mit Retrieval-Augmented Generation (RAG) kombiniert werden, erhebliches Potenzial entfalten, erwartet Weibel. «Solche Modelle können durch RAG auf spezifische Kundenbedürfnisse zugeschnittene Informationen abrufen und verarbeiten, was sie noch besser auf individuelle Anforderungen und präzisere Entscheidungen abstimmt.» In der Portfoliooptimierung könnten LLMs künftig auf einer noch granulareren Ebene eingesetzt werden, beispielsweise durch die Analyse von spezifischen Themen im Kontext aktueller Marktentwicklungen (Thematic Investing). Ein weiteres vielversprechendes Anwendungsfeld ist die Trenderkennung in der News-Analyse durch Topic Modeling. «Dennoch sollten die Erwartungen an die unmittelbare Leistungssteigerung realistisch bleiben, da die Interaktion zwischen KI und menschlicher Expertise weiterhin entscheidend ist», rät Weibel. «Genauso wie in jeder datengetriebenen Disziplin gilt auch bei KI das Prinzip ‹Garbage in, garbage out›: Die Qualität und Relevanz der Daten ist entscheidend.»