Während sich der Schweizer Immobilienmarkt dank soliden Fundamentaldaten zu behaupten weiss, sind andere Märkte nach den abrupten Zinserhöhungen Mitte 2022 unter Druck geraten. Je nach Sektor, Region und Zeitraum sind die Korrekturen unterschiedlich stark ausgefallen. Die bröckelnden Preise können angesichts der erwarteten Erholung der internationalen Immobilienmärkte Gelegenheiten zur Diversifizierung des Immobilienportfolios eröffnen.
Internationale nicht kotierte Immobilienanlagen sind für Schweizer Anleger und Anlegerinnen – allen voran institutionelle Investoren – attraktiv, denn sie bieten eine gewisse Entkopplung vom Schweizer Immobilienmarkt und vom Aktienmarkt. Ausserdem sind sie weniger volatil als ihre börsenkotierten Pendants, denn ihre Preisbildung hängt in erster Linie von der Transaktionsdynamik und weniger vom Aktienmarkt ab.
Der Autor
Roger Guerra, Senior Manager Indirekte Immobilienanlagen, Banque Cantonale Vaudoise, Genf.
Der US-Markt ist am wichtigsten
Der wichtigste ausländische Markt ist nach wie vor der US-amerikanische. Er ist liquider und homogener als der europäische Markt, zeigt jedoch noch keine Anzeichen einer Stabilisierung. Im Vorfeld der erwarteten Zinswende und der Präsidentschaftswahlen vom November erlebt der US-Immobilieninvestmentmarkt eine Flaute.
Im Bürosegment bleibt die Finanzierungsproblematik akut. Die Marktteilnehmer, darunter die Banken, signalisieren, dass die Korrektur noch nicht abgeschlossen ist. Ausgelöst wurde diese durch die Zinsanhebungen und neue Arbeitsformen seit der Pandemie. Bei den Verkaufsflächen sieht die Situation etwas besser aus, da die Shoppingmalls nicht erst seit der Gesundheitskrise mit einem Wandel konfrontiert sind, sondern bereits vor 2020 durch den Online-Handel bedrängt wurden. Da die neuen Konsumgewohnheiten Bestand haben dürften, ist in diesem Sektor kurzfristig allerdings auch nicht mit einer Erholung zu rechnen. Im Wohn- und Logistiksegment wiederum sind die Einbussen weniger substanziell ausgefallen als im Büromarkt.
Europa, wo die Immobilienpreise rascher gefallen sind, birgt ein grösseres Erholungspotenzial. Selbstverständlich gibt es nach Ländern grosse Unterschiede. In Grossbritannien und in den Niederlanden ist die Einpreisung der Marktdaten weiter fortgeschritten als etwa in Frankreich oder Deutschland.
Betrachtet man die einzelnen Segmente des europäischen Immobilienmarktes, sind im Logistikbereich bereits Anzeichen einer Stabilisierung zu erkennen, insbesondere im britischen und niederländischen Markt. Im Bürosegment sind die strukturellen Veränderungen wie Homeoffice oder neue Nachhaltigkeitskriterien noch nicht vollständig in die Bewertungen eingeflossen. Auch das Wohnsegment präsentiert sich von Land zu Land sehr unterschiedlich. In Deutschland etwa kam es zu markanten Einbussen. In diesem Segment können sich durchaus Chancen bieten. Allerdings ist es stark reguliert, so können etwa die steigenden Zinsen und Kosten nur begrenzt auf die Mieten überwälzt werden.
3,2 Prozent stieg der Preis bei Schweizer Renditeobjekten in den letzten zwölf Monaten. (Quelle: Iazi)
Eine Alternative bieten in Europa die Studierendenwohnheime. Dieser aufstrebende Markt steht bei den Investoren derzeit hoch im Kurs, denn er ist weniger reguliert und weist eine höhere Mieterfluktuation auf, was Spielraum für Mietanpassungen lässt. Chancen bieten sich in mehreren Ländern wie Grossbritannien, Deutschland, Frankreich oder Spanien. Eine weitere Nische bilden vielerorts Freizeitimmobilien wie Hotels. Diesem Segment kam die Erholung der Tourismusbranche zugute; es besteht jedoch weniger Luft nach oben.
Zinssenkungen wären ein Kaufsignal
Die Aufbruchstimmung an den Immobilienmärkten könnte im ungünstigen Fall durch einen jähen Konjunktureinbruch getrübt werden, was allerdings nicht unserem Szenario entspricht. Ausserdem kann die wirtschaftliche und geldpolitische Lage die Refinanzierungsbedingungen beeinflussen und sich mithin negativ auf die Banken auswirken, die im Immobiliensektor tätig sind. Auch das Zinsrisiko bleibt natürlich aktuell, und zwar wäre eine überraschende Zinsstraffung zur Inflationsbekämpfung ebenso nachteilig wie eine rasche geldpolitische Lockerung zur Rezessionsbekämpfung. Schrittweise Zinssenkungen hingegen würden ein klares Kaufsignal für Immobilien geben.
Zur Erzielung eines Diversifikationseffekts bei begrenztem Risiko sollte bei den Liegenschaften besonders auf Qualität, Standort oder Vermietungsquote geachtet werden. Dieser vorsichtige Ansatz mag weniger attraktiv erscheinen als riskantere Positionierungen, hat aber einen klaren Vorteil: Solche Liegenschaften profitieren in der Regel schneller von einem Aufschwung.