Wer in Schweizer Aktien investiert, sollte einige Eigenheiten des hiesigen Marktes kennen. Zum Beispiel die Klumpenrisiken in den gängigen Indizes: Nestlé, Novartis und Roche machen rund 50 Prozent des Swiss Performance Index (SPI) und des Swiss Market Index (SMI) aus. Dadurch handeln sich Anleger, die index-nah investieren, ein hohes Klumpenrisiko ein. Investoren, die diese konzentrierte Wette auf drei Unternehmen reduzieren wollen, können aktiv investieren und damit bewusst von der Gewichtung nach Marktkapitalisierung abweichen.
Auch bezüglich der Branchen bestehen am Schweizer Markt Klumpenrisiken. Während Gesundheits- und Nahrungsmittelaktien sehr hoch gewichtet sind, sind Unternehmen aus den Sektoren Informationstechnologie sowie Energie nur spärlich vertreten. Diese unausgewogene Verteilung spricht ebenfalls gegen einen rein passiven Anlageansatz. Insbesondere im Bereich der Informationstechnologie finden sich überdurchschnittlich viele Wachstums-Perlen, die der Portfolioperformance einen kräftigen Schub geben können. Auch Energieunternehmen tragen zur Diversifikation bei, da steigende Energiepreise zwar viele Branchen belasten, dafür aber die Gewinne von Öl- und Gasproduzenten sprudeln lassen. Deshalb kann es sinnvoll sein, aussichtsreiche Vertreter aus diesen Branchen höher zu gewichten. Zudem können bewusst Schweizer Zulieferer der Technologiebranche oder der Öl- und Gasindustrie zugekauft werden, wenn ihre Geschäftsaussichten und Bewertungen attraktiv sind.
Eine weitere Eigenart des helvetischen Aktienmarktes ist die internationale Ausrichtung der Unternehmen. Nicht nur die Grosskonzerne, auch ausserordentlich viele mittelgrosse und kleinere kotierte Firmen verkaufen ihre Produkte global. Sie waren aufgrund des begrenzten Schweizer Absatzmarktes schon früh gezwungen, sich am Weltmarkt gegen grosse Konkurrenz zu behaupten. Dies hat dazu beigetragen, dass viele dieser Unternehmen sehr innovativ sind.
Allerdings macht sich die internationale Ausrichtung gelegentlich auch negativ bemerkbar. Denn in unsicheren Zeiten gilt der Schweizer Franken als sicherer Hafen und wertet sich zuweilen markant auf. Dadurch sind im Ausland erwirtschaftete Gewinne – gemessen in Schweizer Franken – plötzlich weniger wert. Zudem entsteht für Unternehmen, die in der Schweiz produzieren, aufgrund der währungsbedingt höheren Kosten ein Nachteil gegenüber Konkurrenten aus Ländern mit schwächerer Währung. Das kann die Aktienkurse zeitweise belasten. So geschehen beispielsweise nach Aufhebung des Euro-Mindestkurses am 15. Januar 2015, als der SPI innerhalb von zwei Tagen 14 Prozent verlor.
Die darauffolgende Entwicklung illustriert jedoch auch eine weitere Eigenart der hiesigen Wirtschaft. Unternehmen reagierten rasch mit Effizienzsteigerungen, und Mitarbeiter boten Hand zu pragmatischen Lösungen wie Kurzarbeit. In anderen Ländern wäre in einem solchen Fall mit langwierigen Arbeitskämpfen zu rechnen. Zudem würden starre Arbeitsmarktgesetze Anpassungen erschweren. In der Schweiz hingegen wirkt die starke Währung wie ein Fitnessprogramm für die Unternehmen: Kurzfristig mühevoll, aber langfristig stärkend.
Wie eingangs ausgeführt drängt es sich aufgrund der Klumpenrisiken in den gängigen Schweizer Aktienindizes auf, Nestlé, Novartis und Roche weniger stark zu gewichten, als dies die Marktkapitalisierung vorgibt. Im Gegenzug ist es sinnvoll, Aktien mit einem attraktiven Verhältnis zwischen Rendite und Risiko stärker zu berücksichtigen, um ein ausgewogenes, diversifiziertes Portfolio zusammenzustellen. Dazu bietet sich eine fundamentale Bottom-Up-Analyse an. In einem ersten Schritt sollten dabei illiquide Nischenwerte und Beteiligungsgesellschaften aussortiert werden. Ein zweiter Schritt kann eine quantitative Vorselektion der einzelnen Aktien umfassen. Dabei werden die Titel auf Grundlage verschiedener Kennzahlen rangiert. Solche Kennzahlen messen beispielsweise die Bewertung, die Stabilität der Bilanz, die Wachstumsaussichten oder die Volatilität des Aktienkurses.
Doch nicht alles lässt sich in Zahlen fassen. Beispiele dafür sind hängige Gerichtsverfahren, aber auch Entwicklungen, die sich gerade erst abzeichnen, etwa neue Konkurrenten oder Veränderungen in einem wichtigen Absatzmarkt. Um solche Signale früh zu erkennen, sollte neben der quantitativen Vorselektion zusätzlich eine qualitative Beurteilung erfolgen.
In einem letzten Schritt geht es dann darum, aus Titeln, die in der quantitativen Vorselektion gut abgeschnitten haben und auch die vertiefte qualitative Analyse überstehen, ein ausgewogenes Portfolio zusammenzustellen. Dabei wird das Gewicht der einzelnen Aktien so gewählt, dass das Gesamtportfolio sinnvoll aufgestellt ist. Vermieden werden Klumpenrisiken betreffend Einzeltiteln und Branchen, ebenso wie eine zu grosse Exponiertheit gegenüber Risikofaktoren, wie einzelne Absatzmärkte und Entwicklungen, wie der Handelskonflikt. Mit solch einem umfassenden, aktiven Ansatz profitieren Investoren von den beschriebenen positiven Eigenheiten des Schweizer Aktienmarktes, ohne dass sie die Klumpenrisiken des indexnahen Investierens in Kauf nehmen müssen.