Seit der Finanzkrise fragen sich die Anleger, wann die ultralockere Geldpolitk der Zentralbanken letztendlich zu höherer Inflation führen wird. Doch seit Beginn der Kaufprogramme Ende 2008 gibt es von Inflation oder gar Hyperinflation, wie von manchen Ökonomen und Analysten befürchtet, keine Spur. Das Erwarten der Inflation scheint wie ein Warten auf Godot zu sein.
Durch die Covid-19-Krise hat die Diskussion über die preissteigernden Effekte expansiver Geldpolitik weiteren Auftrieb erhalten. Die grossen Zentralbanken werden bis zum Ende des Jahres Liquidität von geschätzt 7 Billionen Euro in die Märkte pumpen. Das ist eine Grössenordnung, die alle früheren Kaufprogramme in den Schatten stellt. Diese neuliche Ausweitung des Gelddruckens zeigt in der Tat Besorgnis erregende Parallelen mit früheren Experimenten der Wirtschaftsgeschichte, die letztendlich sehr inflationär endeten.
Tilman Galler ist globaler Kapitalmarktstratege bei J.P.Morgan Asset Management in Frankfurt.
Inflation kann zweierlei Ursachen haben. Einerseits, wenn grosse Nachfrage auf ein begrenztes Angebot trifft. Andererseits durch steigende Input- oder Produktionskosten, wie beispielsweise durch einen Ölpreisschock.
Durch die Coronakrise ist die Nachfrage in vielen Bereichen stärker gefallen als das Angebot. Als Folge haben Ölpreis oder Branchen wie Einzelhandel, Hotel- und Gastgewerbe oder Transport einen historischen Absturz erlebt. Doch wir können in dieser Krise auch Preissteigerungen beobachten, wenn etwa eine robuste Nachfrage Nahrungsmittel und Haushaltswaren verteuerte.
Da bei der Berechnung der Verbraucherpreisindizes die negativ betroffenen Sektoren einen grösseren Anteil am Warenkorb haben, ist die Inflation jüngst zurückgegangen. Die Inflationsgefahren bleiben vorerst auch weiter gering, solange sich die volkswirtschaftliche Nachfrage aufgrund von Covid-19 nicht normalisieren kann.
Eine zu geringe Nachfrage war auch der Grund, weshalb wir in den letzten zehn Jahren ausserhalb der Vermögenspreise kaum Inflation gesehen haben. Die inflationäre Wirkung expansiver Geldpolitik wurde durch die restriktive Fiskalpolitik quasi neutralisiert. Und genau hier wird es jetzt mit Blick in die Zukunft interessant, denn es scheint, dass die Coronakrise einen Paradigmenwechsel beschleunigt, der schon vor der Krise begonnen hat – dem Abschied von der Austerität.
Bye bye Austerität, hallo Inflation?
Die massiven nationalen Fiskalprogramme zur Pandemiebekämpfung reihen sich nahtlos ein in die Trumpschen Steuersenkungen und den italienischen Budgetstreit der Vorkrisenzeit. Für die Preisstabilität birgt diese Entwicklung erhebliche Risiken, sobald die Coronakrise überwunden wird. Wenn es in dieser Situation den Staaten und Notenbanken nicht gelingt, ihre expansive Politik zu drosseln, trifft die aufgestaute Konsumnachfrage der Privathaushalte auf eine erhöhte staatliche Nachfrage – mit der Konsequenz, dass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage das Angebot übertrifft und die Inflation zu steigen beginnt.
Wie können sich Anleger am besten vor einem Inflationszenario schützen? In den letzten 12 Jahren gab es drei Perioden steigender Inflation, ausgehend von einem niedrigen Niveau. Zwei klassische Anlageinstrumente zum Schutz vor Inflation haben in allen drei Perioden positive Renditen erzielt: Gold und inflationgesicherte Staatsanleihen (TIPS). Doch auch Aktien boten den Investoren immerhin in zwei von drei Perioden Schutz vor realer Geldentwertung.
Anleger sollten deshalb im Portfolio darauf achten, dass Inflationsrisiken in ihrer strategischen Allokation eine Berücksichtigung finden, auch wenn kurzfristig die Risiken eher gering sind.