Anleger aufgepasst! Die Fachleute warnen, dass der Plan von US-Präsident Joe Biden zur Unternehmensbesteuerung beiderseits des Atlantiks grossen Ärger bedeutet.
Sie befürchten durch die Erhöhungen in den USA einen schweren Dämpfer für die weltgrösste Volkswirtschaft, während die von Biden angestrebte globale Mindeststeuer gewiss das weltweite Wachstum ausbremst und ein Schlag für steuerfreundliche Standorte wie die Schweiz ist.
Das ist falsch! Der festgefahrene Stillstand macht aus den hohen Steuererhöhungen in den USA einen Wunschtraum. Abkommen über globale Mindeststeuern werden Ewigkeiten brauchen und zahnlose Tiger sein. Und wenn ich mich irre? Dann sind die Aktienmärkte immer noch nicht dem Untergang geweiht. Und das ist der Grund:
Bidens Plan
Die Fachleute behaupten, steigende Aktien würden die drohenden Steueränderungen «ignorieren» – insbesondere Bidens Angebot, einen 2 Billionen USD schweren Infrastrukturplan mit einer Reihe von Unternehmenssteuererhöhungen zu finanzieren.
Er möchte den Unternehmenssteuersatz von 21 Prozent auf 28 Prozent anheben und gleichzeitig sicherstellen, dass die grössten US-Unternehmen mindestens 15 Prozent auf die ausgewiesenen Gewinne zahlen, selbst nach Abzügen und Verlegungen ins Ausland.
Und dann kommt sein Vorstoss für eine globale Mindeststeuer für Unternehmen von 21 Prozent, die amerikanische Grosskonzerne aus steuerfreundlicheren Ländern wie der Schweiz zurücklocken soll.
Die meisten Anleger glauben, dass Steuererhöhungen den Aktien schaden. Und viele fürchten, dass Biden noch mehr auf Lager hat, wie die Erhöhung der Steuern auf private Einkommen und Kapitalgewinne, die er im Wahlkampf 2020 versprochen hat.
Manche befürchten, er könnte die Pläne von Parteifreunden zur Reichensteuer sowie Transaktionsgebühren und Weiteres unterstützen. Andere sorgen sich, dass er die Erhöhungen rückwirkend für das Jahr 2021 geltend machen lassen wird.
Unvergesslich
Denken Sie daran: Märkte vergessen nichts und «ignorieren» grosse Sachen niemals. Sie gewichteten die potenziellen Pläne Bidens bereits 2019, bevor er im Wahlkampf seine Position zur Besteuerung darlegte.
Im gesamten vergangenen Jahr forderten Biden und andere Demokraten Erhöhungen. Um von seinen Plänen überrascht zu sein, müsste man schon die vergangenen beiden Jahre in einem schalldichten Bunker in Sibirien verbracht haben. Und diese wenigen Menschen können unmöglich die Aktienmärkte umdrehen.
Die oberste Aufgabe der Märkte ist es, gemeinhin bekannte Informationen vorab einzupreisen. Das war eine wichtige Lektion aus 2020, die jedoch von vielen Anlegern immer wieder ignoriert wird. Die Fans von Substanzwerten, wie ich im März geschrieben habe.
Sie fürchten nun, dass die Steueränderungen auf die Aktien durchschlagen. Die Annahme, dass solche Erhöhungen Bärenmärkte antreiben, setzt voraus, dass Märkte angesichts des langanhaltenden und ausgiebigen Geredes über Steuern fast völlig ineffizient sind. Über solche Thesen wurden schon Vermögen verloren und Investorenkarrieren ruiniert.
Ken Fisher ist Chairman von Fisher Investments Europe.
Steuern gehören zu den wichtigsten Berührungspunkten zwischen Staat und Anlegern. Nur wenige mögen sie. Steueränderungen entgehen daher nie der Überprüfung.
Folglich zeigt die Geschichte, dass Steueränderungen – ob für Unternehmen, Privatpersonen oder Kapitalgewinne – keine festgelegten Auswirkungen auf den Markt haben. Aktien preisen sie ein und entschärfen sie.
US-Märkte im Detail
Nehmen Sie nicht mich beim Wort. Betrachten wir wegen ihrer langen Geschichte die US-Märkte. Seit Beginn einer guten Datenlage im Jahr 1925 wurden die Unternehmenssteuern in den USA 13 Mal angehoben.
In den darauffolgenden zwölf Monaten stieg der S&P 500 neun Mal, vier Mal fiel er. Die Renditen erreichten im Schnitt 11 Prozent in USD, etwas mehr als in ihrem langfristigen Jahresmittel von 10 Prozent.
Das gilt auch für die private Einkommensteuer. Die USA erhöhten sie für die obersten Einkommen 14 Mal seit 1925. Die Aktien erreichten in den darauffolgenden zwölf Monaten durchschnittlich 17 Prozent, in zehn von 14 Fällen stiegen sie.
Dieser Trend, angenehm positive Renditen nach Erhöhungen, gilt auch für Kapitalertragsteuern. So etwas wie die moderne Kapitalertragsbesteuerung trat in den Vereinigten Staaten 1954 in Kraft. Nach den seither zehn Erhöhungen erreichten die Aktien durchschnittlich 11 Prozent Rendite und fielen nur einmal.
Steuerarten steigen miteinander
Selbst wenn der Kongress die Unternehmens-, Einkommens- und Kapitalertragsteuer gleichzeitig erhöht, wie es so viele befürchten, fehlt ihnen die Kraft, auf die Aktien durchzuschlagen. Mindestens zwei dieser Steuerarten sind elf Mal gleichzeitig gestiegen.
Der Median der Renditen in den zwölf Folgemonaten liegt bei 12 Prozent, wobei die Aktien neun Mal gestiegen sind. Widerspricht das scheinbar der Intuition?
Dann versuchen Sie es so: Die Renditen nach Erhöhungen schlagen sogar die Renditen zwölf Monate nach Steuersenkungen! Aktien erzielten im Schnitt gerade einmal 3 Prozent Gewinn nach den elf Unternehmenssteuersenkungen seit 1925.
Nach den 16 Senkungen der privaten Einkommensteuer waren die Renditen gleichbleibend. In der Folge von Kapitalertragssteuersenkungen erreichten sie im Schnitt gerade einmal müde 7 Prozent!
Natürlich setzt all das voraus, dass die Erhöhungen auch tatsächlich stattfinden. Es ist keine Garantie – nicht ohne erhebliche Verwässerung.
Obwohl die Demokraten das Weisse Haus und beide Kammern des Kongresses «kontrollieren», versetzen ihr hauchdünner Vorsprung im Kongress und innerparteiliche Unstimmigkeiten die USA in einen Stillstand, wie ich hier bereits früher erklärt habe.
Ist ein einzelner demokratischer Senator gegen die Pläne, sind sie hinfällig – und es haben schon einige ihre Zweifel verlauten lassen.
Eine globale Mindeststeuer?
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat sich für einen nicht verbindlichen Mindestwert von 12,5 Prozent auf zehn Jahre ausgesprochen. Das hat zu nichts geführt. Nun will Biden 21 Prozent? Erwarten Sie keine schnelle Einigung.
Um eines klarzumachen: Ich sage nicht, dass kräftige Steuererhöhungen positiv sind. Aber die Daten zeigen Ihnen, dass die landläufige Meinung, Steuererhöhungen seien automatisch negativ, schlichtweg falsch ist.
Ihnen fehlt jegliches Überraschungsmoment, das für eine Erschütterung des Marktes erforderlich ist.
Die Meinung zu vertreten, dass Steuererhöhungen generell nicht gut sind, ist in Ordnung. Vielleicht denken Sie, dass die Steuersätze zu hoch (oder zu niedrig!) sind, um gerecht zu sein. Sie können sogar argumentieren, dass Erhöhungen schlecht für die Wirtschaft sind, das ist eine andere Sache.
Aktien gehen auf Wahrscheinlichkeit
Aber Märkte handeln nicht mit Gerechtigkeit – und sie preisen Fakten im Voraus ein, nicht im Nachhinein. Sie handeln aufgrund dessen, was wahrscheinlich ist, und preisen es fast sofort in die Aktien ein.
Wenn also Steuererhöhungen Gesetz werden, die nicht stark verwässert sind, – und es ist ein grosses «Wenn» – müssen Sie keine Angst um Ihr Portfolio haben.
Schwere Verschiebungen, die von allen genau studiert werden, haben nicht die überraschende Wucht, die Aktienmärkte schwer zu treffen.