Für viele Investorinnen und Investoren sind Private-Equity-Anlagen ausser Reichweite: Die erforderlichen minimalen Anlagesummen sind viel zu gross, für den Status als qualifizierte Investoren sind sie viel zu klein, und so bleibt die Zuschauerrolle bei diesem Boom, der bis vor kurzem anhielt und der im Grunde genommen vor allem vermögende Menschen noch vermögender gemacht hatte. Denn der Boom spies sich auch aus der Überzeugung, dass Firmen viel länger privat gehalten und viel später erst an die Börse gebracht wurden. Damit die früh investierten Geldgeber noch mehr davon haben.
Tokenisierte Assets
Das Gefüge zerfällt gerade, und der Misserfolg der Spac, mit denen einige vormalige Private-Equity-Anlagen auch Kleininvestorinnen und -investoren zugänglich gemacht werden sollten, bildeten seit Sommer 2021 nur das Frühwarnsignal dafür, dass sich die Verhältnisse gerade verändern. Dafür verantwortlich sind gleich mehrere Faktoren.
Zunächst sind erste Fintechs wie iCapital mit Sitz in New York und einer Vertretung in Zürich oder Moonfare aus Berlin bei Private Equity aktiv geworden. Diese Firmen versuchen, diese Anlagen – es handelt sich um ganz gewöhnliche Aktien, die einfach noch nicht kotiert sind – grundsätzlich allen Anlegerinnen und Anlegern zugänglich zu machen. Beliebte Vehikel hierfür sind Anlagefonds, Fonds mit Anlagefonds sowie direkte Investments, die indes anspruchsvoll sind, weil die Aktien nicht an Börsen gehandelt werden.
Dann experimentieren Private-Equity-Firmen wie Partners Group, Hamilton Lane oder das deutsche Unternehmen Patrizia mit der sogenannten Tokenisierung der einzelnen Anteile ihrer Anlagevehikel. Im Kern werden die Aktien und Fondsanteile, die man bisher elektronisch handhabte, auf einzelne spezielle Softwareelemente, die Token, verteilt, die dann individuell gehandhabt – und das heisst: gehandelt – werden können. Die Tokenisierung vereinfacht den Handel auch mit nicht gelisteten und/oder illiquiden Assets, weil hier die Stückelung mit der «Fraktionierung» sehr klein gehalten werden kann.
Wenn statt 100 000 Franken Minimal-Fondsanteilen auch solche im Wert von 100 Franken durch Kleinanlegerinnen und -anleger erworben werden können, so die Überlegung, dann vergrössert das auch die Liquidität des Handels. Und mit der Tokenisierung werden auch ausserbörsliche Handelseinrichtungen einfacher handhabbar. Davor gab es lediglich unpraktische Möglichkeiten wie eine Art Telefon- oder Intenet-over-the-Counter-Handel oder die Systeme von Reuters oder Bloomberg mit kleinen individualisierten Marktplätzen.
Schlechte Vorbilder
Niedrigere Eintrittsbarrieren, verbesserter Handel und Zugänge für Kleinanlegende – die Technologie disrumpiert damit einige Eigenschaften von Private Equity, die bisher den Reiz und die Gewinnpotenziale dieser exklusiven Anlagen ausgemacht hatten.
Doch die Entwicklung scheint sich derzeit weiter zu beschleunigen, obwohl die Private-Equity-Anlagen fundamental angeschlagen aussehen: Weil hier kein täglicher Börsenhandel stattfindet, werden die Preise seltener aktualisiert – aber dann sind die Korrekturen umso brutaler, wie einige Private-Equity-Spezialisten in diesem Sommer feststellen mussten. Beteiligt sind auch hier Entwicklungen aus der Schweiz.
DAO sind im Kommen
Das jüngste Schlagwort ist DAO (siehe dazu auch der Artikel «Schneller als die Rechtsetzung»). Diese «Decentralized Autonomous Organizations» arbeiten auch auf Blockchain-Umgebungen, wie die tokenisierten Aktien. Aber hier haben die Investoren grössere Spielräume, sich zu engagieren.
Der Fukuro NFT beispielsweise, der von Personen aus London aufgebaut wird (Ortsangaben sind bei globalen Blockhain-Projekten irrelevant), plant die Emission von Non-Fungible Token an Investorinnen und Investoren, um dann mit den Erlösen in Private Equity und Immobilien zu investieren. Ein ähnliches Projekt ist Backed, mit Sitz in der Schweiz. Hier werden Token verkauft, um in sogenannte dezentrale Private Equity Fonds zu investieren.
Ob diese Richtung langfristig erfolgreich sein wird, hängt auch von den Regulatoren ab. Etablierte Asset-Management-Firmen, die mit tokenisierten Assets hantieren, gelten als unkritisch, weil sie auch das erforderliche Kleingeld für die rechtlichen Abklärungen haben.
Bei den DAO sieht es anders aus – zumal hier die Anlagevehikel mit Vorläufercharakter desaströse Leistungsausweise haben: «The DAO» war 2016 gehackt worden, die Assets konnten dann aber sichergestellt werden. Und die Spac-Börsenhüllen, die mit Private Equity gefüllt wurden, erlebten nach ihrem Höhepunkt 2020 einen Absturz.