Seit die EU-Kommission im Dezember 2019 den «Green Deal» – ein Massnahmenpaket zur Erreichung der Pariser Klimaziele bis 2050 – ins Leben gerufen hat, ist die Aufmerksamkeit betreffend ESG (Umwelt, Soziales, Unternehmensführung) sowohl auf politischer Ebene als auch in der Finanzbranche massiv gestiegen. Dies birgt die Gefahr, dass Anlegende über die Eigenschaften von nachhaltigen Finanzprodukten und -dienstleistungen getäuscht werden können. Ein solches «Greenwashing» kann beim Vermögensverwalter selbst durch das Verhalten (etwa in Form ungenügender Ressourcen oder Kompetenzen im Sustainable Investing), auf Stufe des Finanzprodukts oder auch am Point of Sale (zum Beispiel durch ungenügende Aufklärung der Endkundinnen und -kunden) vorkommen.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Was ist nachhaltig und was nicht?

Gleichzeitig gibt es gegenwärtig kein einheitliches Verständnis darüber, was nachhaltig ist und was nicht. Nachhaltigkeitsdefinitionen verändern sich laufend; so stuft die EU-Kommission nun Gas- und Atomkraftwerke unter bestimmten Voraussetzungen als nachhaltig ein. Ein weiteres Beispiel ist das Dilemma, ob Produzenten von Kriegsmaterial weiterhin als eher uninvestierbar gelten sollen – oder ob sie die Verteidigung von Demokratien ermöglichen und somit der Umsetzung der Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen dienen. Die verfügbaren ESG-Ratings weichen zudem voneinander ab und die zugrundeliegenden Rohdaten sind oft nicht transparent. Ohnehin gilt es, Impact- und ESG-Kennzahlen zu unterscheiden. Umso wichtiger ist es, dass Asset Manager die Möglichkeit und Fähigkeit haben, ihre Investitionen anhand von Nachhaltigkeitskriterien zu beurteilen.

 

Die Autoren

Patrick Glaser ist Head Legal & Compliance, Robeco Switzerland, und Martin K. Weber ist Partner, Roesle Frick & Partner sowie VR-Präsident, Robeco Switzerland, Zürich.

Was macht die Schweiz?

In der Schweiz wird bislang ein liberaler Ansatz verfolgt. Nachhaltige Finanzprodukte bewegen sich grundsätzlich im gleichen rechtlichen Rahmen wie die restlichen Finanzprodukte. Das Täuschungsverbot und die Anforderungen an eine angemessene Organisation gelten gemäss Kollektivanlagegesetz, und die obligationenrechtlichen Bestimmungen schützen gegen täuschendes Verhalten im Vertragsverhältnis. Ferner hat die Finma erste Szenarien von Greenwash-ing-Fällen in ihrer Aufsichtsmitteilung skizziert, wiederum ohne prozentuale Vorgaben zu machen, wie viele nichtnachhaltige Anlagen ein nachhaltiges Anlageprodukt enthalten darf.

Der Umgang in der Praxis

Anbieter nachhaltiger Anlagefonds haben nicht nur mit der laufenden Regulierungswelle und den damit einhergehenden Umsetzungsherausforderungen umzugehen, sondern auch mit der beschränkten Verfügbarkeit nachhaltigkeitsspezifischer Informationen aufseiten der Firmen, in die sie investieren wollen. Umso wichtiger ist es, dass sie für den Umgang mit inhärenten Nachhaltigkeitsrisiken ein gutes Kontrollsystem etablieren.

Aus praktischer Sicht erscheint es empfehlenswert, die verschiedenen Informationen und Kommunikationswege nachhaltiger Fondsprodukte zentral zu überwachen, um nicht ungewollt in die Greenwashing-Falle zu tappen. Zudem sollte die Ermittlung der angewandten Nachhaltigkeitskriterien explizit erläutert und auf systematische und nachvollziehbare Weise in den Anlageentscheid implementiert werden.

Welche konkreten Regulierungsansätze – prinzipienbasierte Definition und Produkttransparenz nachhaltiger Anlagen oder detaillierte Taxonomien und Nachhaltigkeitsindikatoren – sich international durchsetzen werden, wird sich zeigen. Kurzfristig gilt es sicherzustellen, dass die Qualität und die Verfügbarkeit nachhaltigkeitsbezogener Daten auf Stufe der Unternehmen und die Transparenz auf Stufe der Ratingagenturen verbessert und vereinheitlicht werden, damit Finanzdienstleister die entsprechenden Anforderungen angemessen erfüllen können. Ein zentrales Unterscheidungsmerkmal aktiver Asset Manager mit solider Erfahrung im Sustainable Investing wird gerade darum weiterhin sein, die verschiedenen ESG-Ratings richtig zu interpretieren und die Portfoliofirmen sowie deren Nachhaltigkeitsleistungen genau zu kennen.