Das Ende der Negativzinsphase bietet Investoren alternative Anlagestrategien. Deshalb hat der Immobilienmarkt durch veränderte Kapitalmarktkonditionen in den letzten Monaten investitionsseitig an Attraktivität eingebüsst. Gerade der Zinsanstieg führt dazu, dass die Bewertungen von Immobilien unter Druck geraten. Denn für Renditeliegenschaften ist der risikoarme Basiszinssatz ein wesentlicher Faktor, um den Diskontsatz für die DCF-Bewertung zu bestimmen («Discounted Cash Flow»-Ansatz).
Ausserdem sind Faktoren wie Marktlage (Angebot und Nachfrage), Transaktionsrenditen, objektspezifische Chancen und Risiken und Lage zu berücksichtigen. Daher lohnt es sich, neben dem aktuellen Zinsumfeld auch die Entwicklungen des Angebots und der Nachfrage auf den Flächenmärkten im Auge zu behalten, da diese einen wesentlichen Einfluss auf die Mieten haben – und somit die Ertragskraft spiegeln. Nebst dem Markt gewinnt zudem die Qualität der Objekte, im Sinne der Nachhaltigkeit, für die Werterhaltung an Bedeutung.
Der Autor
Michael Böniger, Head Business Management & Operations Real Estate DACH, UBS Asset Management, Zürich.
Verknappung im Flächenmarkt Wohnen
Insgesamt präsentieren sich die Mietmärkte anhaltend robust. Am Schweizer Wohnungsmarkt war in den letzten Jahren insbesondere die hohe Nachfrage dafür verantwortlich. Doch auch das Angebot wird knapper, zumal die Zinswende zu einem weiteren Abflachen der Bauaktivität bei Wohnrenditeliegenschaften führt. Insgesamt ist die Leerwohnungsziffer 2023 im Vergleich zum Vorjahr um weitere 16 Basispunkte gesunken und liegt inzwischen bei nur noch 1,16 Prozent. Dieser Rückgang ist besonders auf das Mietwohnungssegment zurückzuführen: Während die gestiegenen Finanzierungskosten die Nachfrage nach Wohneigentum leicht abkühlen lassen und etwas mehr Verkaufsobjekte verzeichnet wurden, ging die Zahl der leeren Mietwohnungen abermals zurück.
Die Zukunft bringt damit nun grosse Herausforderungen: Die weiter wachsende Bevölkerung ist in den kommenden Jahren auf eine dynamische Wohnungsproduktion angewiesen. Die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner in der Schweiz soll bis 2050 auf über 10 Millionen steigen. Die Nachfrage nach Wohnraum wird also zunehmen und laufende Kapitalflüsse in den Mietwohnungsbau erforderlich machen. Doch gerade die weiter sinkenden Bauquoten im Bereich Wohnen deuten auf eine Verschärfung der Knappheit hin. Fallen die Immobilienanlegenden weg, besteht die Gefahr einer Unterversorgung, die nicht zuletzt zu Preisanstiegen für die Mietenden führen dürfte. Aus Sicht der Investierenden ist somit trotz steigender Zinsen eine stabile Ertragslage in diesem Segment zu erwarten.
Veränderungen im Büroflächenmarkt
Der Büroflächenmarkt entwickelte sich vor Corona trotz strukturellen Herausforderungen stabil. Dahinter stand ein konjunkturell bedingtes Beschäftigungswachstum. Die Post-Corona-Ära führt nun jedoch aufgrund von Homeoffice zu einer veränderten Flächennachfrage. Dass sich der Büroflächenmarkt in einem strukturellen Wandel befindet, wird dabei oftmals ausser Acht gelassen. Dabei sind es gerade Themen wie neue Arbeitsplatzmodelle und Digitalisierung, die das Segment einerseits fordern und zu mehr Nutzungsflexibilität führen. Anderseits dürfte der Digitalisierungstrend, der mittelfristig viele Beschäftigungen in Bürotätigkeiten umwandelt, die Büroflächennachfrage auch erhöhen.
Um die Werterhaltung von Büroflächen zu unterstützen und die Objektrisiken zu begrenzen, müssen zukunftsfähige Konzepte umgesetzt werden. Das heisst etwa, dass die Flächen multifunktional gestaltet sind, um verschiedene Branchen anzusprechen. Flexible Räume ermöglichen die Nutzung durch Klein- und Grossfirmen, während moderne, offene Grundrisse den Status des Büros als Treff- und Kommunikationspunkt fördern. Energieeffiziente Neubauflächen ziehen wiederum Firmen mit Nachhaltigkeitsfokus an. Insgesamt kann so die Diversifikation der Mieterstrukturen bei der Neuvermietung erhöht werden.
Erneuerung der Bestandsliegenschaften
Neben diesen Themen sind auch die ökologischen und raumplanerischen Anforderungen komplexer geworden. So gewinnt die Revitalisierung des Gebäudeparks enorm an Bedeutung, was gleichzeitig neue Nutzungsstrategien ermöglicht. In den letzten Jahren war das Niedrigzinsumfeld ein Treiber für die Erneuerung und ökologische Verbesserung von Renditeliegenschaften. Dennoch liegt die Erneuerungsrate bei den Bestandsliegenschaften im Mittel bei rund 1 Prozent pro Jahr. Somit würde es an die hundert Jahre dauern, bis der gesamte Gebäudepark der Schweiz einmal erneuert würde. Gerade die Immobilienbranche kann also viel dazu beitragen, dass die Emissionsziele des Bundes für 2030 und 2050 erreicht werden.
Viele Immobilienfonds haben sich mittlerweile zu diesen Zielen verpflichtet und sie in ihren Liegenschafts- und Portfoliostrategien integriert. In der aktuellen Marktsituation werden die Portfolios anhand der Lebenszykluskosten noch systematischer auf Sanierungspotenziale überprüft. Die potenzielle Werteinbusse einer Immobilie wird dabei in Relation zu den Kosten einer Instandsetzung oder eines vorzeitigen Ersatzes gesetzt. Ebenso sind der Investitionszeitpunkt und mögliche Subventionsbeiträge zu berücksichtigen. In die Investitionsentscheidung fliessen also zyklische, immobilien- und portfoliostrategische Überlegungen sowie die aktuell geltenden politischen Rahmenbedingungen ein.
Zuletzt hat die Nachfrage nach nachhaltigen Renditeliegenschaften stark zugelegt. Derzeit wird sie vorwiegend über zertifizierte Neubauten bedient, während zertifizierte Bestandsliegenschaften noch kaum auf den Markt kommen. Mit einer Beschleunigung des Erneuerungszyklus bei Bestandsliegenschaften könnte Bewegung in den Markt kommen und die Qualität des Schweizer Gebäudeparks dauerhaft gesichert werden.