Sind im Auto keine Zylinder mehr im Spiel, keine Gänge mehr zu schalten und fast keine Motorgeräusche mehr wahrnehmbar, droht Einheitskost mit Batterie und Elektromaschine. Und die Zeiten, als einen Nachbars V8-Jaguar morgens um halb sieben ans Aufstehen erinnerte, sind vielleicht bald Relikte der Vergangenheit. Vom Motorstart eines Elektroautos ist nichts mehr zu hören. Einzig ein kurzes Scharren der Antriebsräder beim Losfahren erinnert an das von Beginn weg grosse Anfahrdrehmoment.
Mit der Elektrifizierung gleicht sich die Antriebstechnik an, und auch die Fahrdynamik wird zunehmend vereinheitlicht. Damit gehen mehrere nicht zu verachtende Vorteile einher, wie etwa das lokal emissionsfreie Fahren, die einfache Handhabung der Fahrzeuge durch Ein-Pedal-Betrieb ohne Schalten oder der geräuscharme Lauf des Elektromotors. Gleichzeitig verlieren Anforderungen wie hohe Dauergeschwindigkeiten, bei denen der Elektroantrieb Schwächen hat, zunehmend an Bedeutung. Allein die Verkehrsdichte begrenzt die Geschwindigkeiten auf den Autobahnen.
Batterietechnik auf dem Prüfstand
Tatsächlich bleibt es fraglich, ob für den Betrieb auf öffentlichen Strassen noch unterschiedliche Antriebssysteme notwendig sind. Tempolimiten und Lärmvorschriften machen grosse Systemvielfalt sinnlos. Ausserdem haben Sportlichkeit und überragende Fahrleistungen nur noch in den Marketingabteilungen der Autohersteller eine grosse Bedeutung. Gesellschaftlich betrachtet soll das nach wie vor unverzichtbare Auto in Zukunft vor allem unauffällig und umweltfreundlich sein.
Infolgedessen werden auch Batteriegrössen und E-Motoren verschiedener Bauarten passend zum Fahrzeugsegment ausgelegt. Dabei gilt es, die nach wie vor problematische Batterietechnik zu optimieren. Durch neue Zellchemie sowie Hybrid- und Feststoffsysteme sind zwar weitere Fortschritte zu erwarten, doch diese sind bis anhin bescheiden geblieben. Ausserdem stellt der Batteriepreis die Autohersteller vor Probleme. Nicht selten muss daher an anderen Stellen gespart werden, um preislich wettbewerbsfähig zu sein.
Die Antriebstechnik ist identisch
Neben dem Nummer-eins-Kriterium bei der Wahl eines neuen Autos, der optischen Erscheinung, gewinnen immer mehr der Fahr- und Bedienkomfort sowie die Konnektivität an Bord an Bedeutung. Da stellt sich die Frage: Unterscheiden sich Autos bald nur noch durch das Karosseriedesign und die digitale Ausstattung? Oder auch: Sollen die Designstudios der Autohersteller auf Haute Couture oder auf Prêt-à-porter setzen?
Vom Skaleneffekt der grundsätzlich teuren Elektroantriebstechnik profitieren beispielsweise Modelle wie der Smart #3 und der Volvo EX30, die mit dem praktisch gleichen Elektroantrieb des chinesischen Geely-Konzerns ausgestattet werden. Äusserlich unterscheiden sich die Modelle aber deutlich. Ähnliche «Undercover- Lösungen» sind auch bei anderen Konzernen üblich. Mit der Strategie Luxusmarke beispielsweise hat Stellantis einfachere Citroën- und luxuriösere DS-Modelle im Angebot, und Hyundai beliefert die kaufkräftigere Kundschaft mit Genesis-, Toyota mit Lexus-Modellen.
Das Prinzip bleibt dasselbe: gleiche Antriebstechnik in unterschiedlichen Karosserieverpackungen. Auf dezidiert frische und schnell erkennbare neue Designelemente für Elektroautos setzt zum Beispiel BMW. Mit der demnächst kommenden «Neuen Klasse» scheint die Loslösung vom klassischen Design definitiv zu werden. Bisher keine eigene Designsprache ist bei chinesischen Autos erkennbar. Immer noch sind sie äusserlich den Europa- und USA-Vorbildern sehr ähnlich, kommen jedoch in den meisten Fällen mit topaktueller E-Technik daher. Mit preislich verlockenden Angeboten will etwa Leapmotor in Europa auch den E-Kleinwagenmarkt aufmischen.
Spielwiese Innenraum
Bei der Interieurgestaltung können mit nachhaltigeren Materialien markenspezifische Zeichen gesetzt werden. Naturfasern für Textilien, Rezyklate auf PET-Flaschen-Basis für Sitzbezüge und Verkleidungsteile sowie weitere nachhaltige Dekormaterialien demonstrieren in neuen Modellen aller Hersteller unübersehbar Umweltfreundlichkeit. Viele Möglichkeiten für markenspezifische Ausstattungsmerkmale ergeben sich auch bei den Bedienungselementen und -konzepten. Mobiltelefonintegration und nahtlose Konnektivität werden auf unterschiedlichste Weise realisiert. Das Gleiche gilt im E-Auto für die Rekuperationsphilosophien, die Ladetechnik und das Ladestationenmanagement.
Für möglichst attraktive Neuentwicklungen werden gern bekannte und sympathische Modellnamen alter Jahrgänge ausgegraben. Davor scheint auch der an sich disruptive Elektrotrend nicht zurückzuschrecken. Was BMW mit dem Mini One und VW mit dem New Beetle um die Jahrtausendwende und Fiat mit dem 500er etwas später zelebriert haben, findet bei den Entwicklern neuer Elektromodelle ebenfalls Nachahmer. VW lässt dem Dauerbrenner Transporter den vollelektrischen ID.Buzz folgen, und Renault lockert das Angebot mit Neuauflagen der Kleinwagenklassiker R4 und R5 auf.
Nach wie vor traditionell gekleidet sind die elektrifizierten Neuversionen der Geländewagenklassiker Jeep Grand Cherokee und Mercedes G-Klasse. Das scheint in diesem Segment schon fast gegeben, denn sowohl der hohe Aufbau mit grosser Bodenfreiheit als auch das Zusatzgewicht der Batterie passen gut zum Offroad-Konzept.
Unterschiedliche Strategien
Im Wesentlichen gibt es also zwei Richtungen: Während die eine darauf zielt, das Elektrozeitalter mit neuen Designelementen einzuläuten, geht es bei der anderen darum, die traditionellen markenspezifischen Merkmale möglichst leicht erkennbar beizubehalten. Egal, ob traditionelles oder disruptives Design: In Elektroautos werden künftig andere Antriebsfaktoren bestimmend sein, um Markenstärke zu zeigen.
Deshalb wundert es eigentlich, dass die meisten Grossserienhersteller immer noch in Richtung Einheitsformat SUV drängen. Der Fiat Panda zum Beispiel ist vom originellen Kleinwagen des Jahres 1980 zum Klein-SUV Grande Panda geworden, und auch Renault schaffte es in kurzer Zeit, sowohl den smarten Scenic als auch den speziellen Espace in einen SUV-Anzug zu packen. Zum Glück gibt es da noch die grossen Markenlogos an der Fahrzeugfront.