Auf Nachfrage stellt man beim Schweizer Touring Club (TCS) vor allem erst einmal klar, dass die neue Gesetzeslage «bedingt automatisiertes Fahren» ermöglicht. Das entspricht Level drei der Automatisierung. Dazu sagt Marco Wölfli vom TCS: «Das neue Gesetz erlaubt es Lenkerinnen und Lenkern eines bedingt automatisierten Fahrzeugs, auf Autobahnen einen Autobahnpiloten zu verwenden. Ist der Autobahnpilot aktiviert, dürfen sie die Lenkvorrichtung loslassen und müssen den Verkehr sowie das Fahrzeug nicht mehr dauernd überwachen.» Voraussetzung aber ist, dass sie bereit bleiben, die Fahrzeugbedienung jederzeit wieder selbst auszuüben, wenn sie das Automatisierungssystem dazu auffordert.
Ebenfalls ist der Einsatz von führerlosen Fahrzeugen auf behördlich genehmigten Strecken erlaubt. Hier liegt die Genehmigung der Strecken jedoch im Ermessen der Kantone. «Das Bundesamt für Strassen (Astra) erstellt für die Beurteilung von beantragten Strecken Weisungen und bildet eine Begleitgruppe, die von den Kantonen herangezogen werden kann», so der Experte. «Die führerlosen Fahrzeuge müssen von einem Operator in einer Zentrale überwacht werden.»
Systeme müssen sich anpassen
Geht es um die Voraussetzungen, die die Fahrerinnen und Fahrer erfüllen müssen, gibt es keine speziellen Bedingungen. Bei der Schulung im Umgang mit einem autonomen Fahrzeug stützt man sich auf Erfahrungswerte. «Aus Erfahrung bei Herstellern in Deutschland, wo solche Systeme bereits zugelassen sind, können wir berichten, dass die Fahrerinnen mithilfe von Videoanleitung im Fahrzeug selbst auf die korrekte Bedienung hingewiesen werden», sagt Marco Wölfli. Anpassungen in der Verkehrsplanung und -infrastruktur sind ebenfalls zunächst nicht vorgesehen. «Aufgrund der verschiedenen Technologien verlangen die Behörden, dass die Systeme sich der bestehenden Infrastruktur anpassen. Mittelfristig ist es aber möglich, dass gewisse Signale und Markierungen auf automatisierte Systeme ausgerichtet werden», sagt Marco Wölfli.
Ebenso liegt beim aktuellen Level drei der Fokus klar darauf, dass sich Fahrzeuge, die den Autobahnpiloten verwenden, den restlichen Verkehrsteilnehmenden anpassen. «Der Autobahnpilot muss sich in den Situationen, in welchen sich das System aktivieren lässt, genau so verhalten, wie es ein Mensch tun würde», so der Experte. «Kurzfristig wird sich also an der Organisation und Steuerung des Strassenverkehrs nichts ändern. Wie eine Änderung langfristig aussehen könnte, lässt sich aktuell nicht abschätzen.»
Versicherungen werden sich ändern
Dass sich die neuen Möglichkeiten des autonomen Fahrens auf die Versicherungspflichten und -prämien auswirken, ist jedoch absehbar. «Es ist davon auszugehen, dass sich mit dem Fortschreiten der Automation die Schäden von der Motorfahrzeughaftpflicht- hinüber zur Betriebshaftpflichtversicherung verschieben werden», meint Marco Wölfli. «Dies kann durch Regressansprüche der Motorfahrzeugversicherung oder durch Direktansprüche geschehen. Je höher das Level der verwendeten Systeme, desto eher dürften auch die Direktansprüche an die Hersteller beziehungsweise Zulieferer zunehmen.»
Das derzeitige Haftungsregime bleibt aber im Grundsatz erst mal unverändert bestehen. «Wenn der Fahrzeugführer im automatisierten Fahrzeug keine Verantwortung für das Fahrverhalten hat, weil das Fahrzeugsystem die Fahraufgabe übernommen hat, haftet er grundsätzlich nicht», fasst der Experte zusammen. «Hat der Fahrzeugführer jedoch die Übernahmeaufforderung ignoriert oder hätte er wissen müssen, dass er hätte übernehmen müssen, haftet er bei einem Unfall gleichwohl.» Es bleibt daher wie so oft eine Frage des Ermessens.
Vernetzung passiert nicht
Wichtig zu wissen: Das bedingt automatisiert fahrende Fahrzeug kommuniziert nicht direkt mit anderen Fahrzeugen. Vielmehr sind es Kameras und Sensoren, wie «Light Detection and Ranging» (Lidar) und Radare, durch die das Fahrzeug immer die nötige Übersicht über die Situation hat. Sobald dies nicht gegeben ist, wird die Fahrerin aufgefordert, die Steuerung zu übernehmen. «Durch die zunehmende Verbreitung von Assistenzsystemen wird erwartet, dass die Unfälle langfristig reduziert werden können. Bis dahin stellen sich aber verschiedene Fragen. Zum Beispiel, ob es bei der Einführung neuer Technologien kurzfristig mehr Unfälle gibt, weil sich alle Verkehrsteilnehmenden daran gewöhnen müssen», stellt der Experte klar. Eine andere Frage ist, wie die Systeme reagieren, wenn sie Entscheidungen treffen müssen – wie zum Beispiel bei einer potenziellen Kollision mit einem Velofahrer oder einer Fussgängerin.
Wie die Entwicklung im Detail aussieht, ist kaum vorhersehbar. Die Voraussetzungen, dass die Assistenzsysteme die Sicherheit verbessern, sind jedoch gegeben. Und dazu gehört natürlich auch, dass autonome Fahrzeuge Daten aufzeichnen. Daten, die während der Fahrt durch den Fahrer erzeugt wurden, dürfen jedoch nur bearbeitet werden, wenn ein berechtigtes Interesse vorliegt, wie zum Beispiel im Falle eines Unfalls oder einer Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften. Dazu Marco Wölfli: «Als Bearbeiten gelten das Auslesen und jeder weitere Schritt der Speicherung, Auswertung und Löschung. Bei Unfällen und Verkehrszuwiderhandlungen stehen die damit zusammenhängenden Daten den Polizei-, Justiz- und Administrativbehörden zur Verfügung.» Heute sind weitere Gruppen nicht explizit erwähnt, was bedeutet, dass Versicherungen sich also auf vertraglichem Weg die Einwilligung der oder des Fahrzeughaltenden zusichern lassen müssen.