In diesen Wochen bereitet die Spurgruppe Roadmap die «Roadmap Elektromobilität 2030» für die Schweiz vor. Das Gremium soll laut eigenen Angaben «die zentralen Herausforderungen und Handlungsfelder der kommenden Jahre identifizieren» und man beschäftigt sich mit den übergeordneten Themen der Elektromobilität: Fahrzeuge, Lademöglichkeiten und eine Stromversorgung, die den wachsenden Bedarf der Elektromobilität decken soll. Denn auch wenn das Thema kontrovers diskutiert wird, ist klar, dass die Elektrifizierung der Mobilität weltweit immer wichtiger werden wird.
Alles läuft mit Strom
«Bei der Elektromobilität stehen wir trotz kleinerer Wachstumspausen erst am Anfang des starken Wachstums», findet auch Steve Greenfield, Autor des Buches «The Future of Mobility» und Partner bei Automotive Ventures, einem auf die Zukunft der Mobilität spezialisierten Private-Equity-Unternehmen. So hat es im Jahr 2024 gemäss den von Statista aufbereiteten Zahlen zwar eine Wachstumsdelle gegeben und laut dem Automobilexperten Greenfield «standen ausser den Herstellern aus China die meisten anderen unter Druck». Aber ab diesem Jahr soll die Kombination von günstigen E-Fahrzeugen aus China und erweiterten E-Flotten europäischer und amerikanischer Hersteller die globalen Verkaufsziffern wieder in den hohen einstelligen Prozentbereich zurückbringen.
Hinter dieser Entwicklung verbergen sich laut Greenfield weitere Themen, welche erst längerfristig ihre Wirkung ausspielen und damit die Mobilität Richtung 2050 mitbestimmen werden. Dabei zeichnet sich eine Zweiteilung des Marktes ab: Die «Erstautos» besitzt man weiter, diese werden immer grösser und schwerer werden. Laut Greenfield steht dahinter eine einfache Logik: «Je schwerer das eigene Fahrzeug, desto höher ist die Überlebenswahrscheinlichkeit im Falle eines Unfalls.» Bei den Fahrzeugen, die man nicht selber besitzt, sondern nur kurzfristig über Abo-Modelle flexibel nutzt, sieht es anders aus – die sind viel leichter, sie werden zu integrierten Ökosystemen für die Mikromobilität und hier spielen Reichweite und grosse Transportkapazitäten auch keine so grosse Rolle.
Über solche Fahrzeuge werden sich die nicht europäischen Hersteller etablieren – und dabei auch die Erwartungshaltungen der User bezüglich digitaler Steuerung und Unterhaltungssystemen mitprägen. Unklar ist heute noch, wer dann diese flexiblen Flotten betreiben wird: In Frage kommen Mietwagenfirmen, private Unternehmen, die im Rahmen grösserer Verbundnetzwerke arbeiten – oder aber Firmen, die in Public-private-Partnerschaften solche Angebote entwickeln und ausbauen.
Reparaturen werden teurer
Wer auch immer diese integrierten Mobilitätsnetze betreiben wird – gleich von Anfang an müssen laut Greenfield einige weitere grosse Herausforderungen gelöst werden. Denn die neuen Produktionsverfahren, bei denen immer weniger, dafür grosse, mit dem Megacasting beziehungsweise dem Gigacasting hergestellte Elemente den Rahmen der Fahrzeuge bilden, macht Reparaturen sehr teuer. Die künstliche Intelligenz (KI), die zunehmend auch für das Design beim Fahrzeugbau herangezogen wird, spielt ebenfalls eine ambivalente Rolle. Komplexe mechanische und elektrische Komponenten, für die man früher zwanzig, dreissig einzelne kleine Teile brauchte, bestehen heute aus zwei, drei grösseren, mit computergesteuerten Maschinen hergestellten Elementen. Wenn es dann zu Schäden kommt, müssen gleich grosse Teile als Ganzes ausgetauscht werden.
Das ist nicht nur umständlich, sondern auch sehr teuer. Laut Greenfield gibt es Fälle, bei denen optisch einfache Reparaturen 40’000 Dollar gekostet und fast ein Jahr erfordert hatten. Eine zunehmend bessere und sicherere Automatisierung der Steuerung bringt dann zwar weniger Unfälle – aber wenn sie passieren, wird es richtig teuer. «Das kann dazu führen, dass die grossen Versicherungen die Deckung für solche Fahrzeuge nur noch mit hohen Aufschlägen übernehmen – oder gleich ganz ablehnen», erwartet Greenfield. Erste Hersteller wie Tesla kombinieren Fahrzeugverkauf mit der Versicherungsdeckung – dieses Modell hat sich aber noch nicht breit durchgesetzt.
Stores versus Händlernetze
Viele Autohersteller sind mit ihren Kredit- und Leasingsparten auf solche zusätzlichen Leistungen vorbereitet – aber die Kalkulation von Versicherungsrisiken ist eine ganz andere Disziplin als die von Kreditrisiken. Sowohl bei der Zulassung für den automatischen Betrieb als auch bei den Autoversicherungen hat die Regulierung ein wichtiges Wort mitzureden – und die wird in den USA derzeit reduziert. Mit den Veränderungen bei der Herstellung kommen weitere beim Vertrieb und der Wartung von Fahrzeugen: Direktvertriebsmodelle konkurrieren zunehmend mit der traditionellen Händlerdistribution und auch die Garagen stehen im Umbruch. Für die Reparatur der kommenden E-Fahrzeuge benötigt man nicht nur zusätzliche Geräte, welche die Daten der Fahrzeuge auslesen und aufbereiten können. Man braucht laut Greenfield auch Spezialisten, die diese Daten interpretieren können, um dann die Fahrzeuge reparieren zu können. «Hier entstehen neue abgeschlossene Bereiche», so Greenfield, «man wird sich zukünftig noch viel stärker als bisher in den streng abgeschotteten Bereichen der einzelnen Hersteller bewegen.»