2025 ist das Jahr der «Neuen Klasse» bei BMW. Was dürfen wir erwarten? Was aber vielleicht auch nicht?

Wichtig ist, zu verstehen, dass die «Neue Klasse» nicht nur eine neue Modellreihe ist, sondern die Transformation unseres Unternehmens beschreibt. Diese Transformation beinhaltet neue Prozesse, neue Abläufe, neue Produktionstechniken und die Einführung einer komplett neuen vollelektrischen Plattform. Wir definieren den Kern der Marke BMW neu. Es ist keine Evolution, sondern mehr eine Revolution, mit dem Fokus auf Elektrifizierung, Digitalisierung und Zirkularität. Aber es geht auch darum, die Beziehung zwischen dem Kunden und unseren Fahrzeugen zukunftsweisend weiterzuentwickeln.

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Zur Person: 

Sergio Solero ist President und CEO der BMW (Schweiz) AG. Er begann bei BMW im Jahr 1997 und durchlief verschiedene Führungspositionen, zuletzt war er Vice President Retail Development. 

Was bedeutet?

Mit Einführung des BMW iDrive oder auch des Head-up-Displays haben wir bereits in der Vergangenheit das Bedienkonzept im Fahrzeug revolutioniert und waren Vorreiter in der Branche. Mit der neuen Klasse tun wir dies erneut und führen mit dem BMW Panoramic Vision ein neues Konzept ein, das sich über die gesamte Breite der Windschutzscheibe erstreckt und individuell konfigurierbare Inhalte ermöglicht, die für alle Fahrzeuginsassen dauerhaft sichtbar sind. Dazu kommen ein zentraler Touchscreen und feste Tasten am Lenkrad sowie unser weiterentwickeltes Head-up-Display. Die Bedienstruktur ist intuitiv und leicht verständlich, damit sie von allen Kunden einfach genutzt werden kann. Die Kundschaft hat die Wahl, wie sie mit dem Fahrzeug interagieren möchte – sei es über Sprache, Touchscreen oder klassische Bedienelemente.

Was hat BMW zu diesem rigorosen Schritt motiviert?

Die Autoindustrie befindet sich in der grössten Transformation ihrer Geschichte; die Kunden haben neue Anforderungen, und diesen wollen wir gerecht werden. Die Neue Klasse steht dabei für die kontinuierliche Weiterentwicklung der BMW Group, und für uns ist klar: Die Zukunft ist elektrisch. Für die Neue Klasse sind Themen wie Energiemanagement, Batteriestruktur und -chemie besonders relevant. So werden wir von den bisherigen, kastenförmigen Batteriezellen auf Rundzellen wechseln und uns damit in die Lage versetzen, die Energiedichte um mehr als 20 Prozent zu steigern. Zudem sind die neuen Zellen so flach, dass sie in jedem Modell – vom Sportwagen bis zum SUV – eingesetzt werden können.

Heute findet sich viel Software im Auto – steigt dadurch die Angriffsfläche?

Die Autos der Neuen Klasse werden gegenüber der aktuellen Fahrzeuggeneration mehr als die zwanzigfache Rechenleistung aufweisen, die auf vier Hochleistungscomputer, sogenannte Superbrains, verteilt ist. Wir werden mit der Neuen Klasse aber Softwarekontinuität erreichen – das bedeutet, wir entwickeln die Software stetig auf einer stabilen Softwareplattform weiter und nicht immer wieder neu.

Was bedeutet die Neue Klasse für die Produktion?

Eine neue Technologie braucht meistens neue Produktionsprozesse. Zu diesem Zweck haben wir für die Neue Klasse ein innovatives Konzept für den Umbau und Aufbau unserer Werke eingeführt. Dieses Konzept nennen wir BMW iFactory und implementieren es nicht nur in den Werken, die wir neu bauen, sondern auch in allen bestehenden. In unserem neusten Werk in Debrecen, das eigens für die Produktion der Neuen Klasse gebaut wurde, wurde das Konzept mit Fokus auf Effizienz, Digitalisierung und Flexibilität von Anfang an vollumfänglich umgesetzt.

Wie reagieren die Mitarbeitenden auf die Transformation – viele sind bereits Jahrzehnte im Unternehmen beschäftigt.

Ich selbst bin seit 28 Jahren bei BMW und habe, wie viele andere auch, gewisse Entwicklungen kritisch verfolgt. Gerade in Krisen oder Zeiten der Transformation hat das Unternehmen aber immer wieder seine Stärke bewiesen. Als wir damals den X5 auf den Markt brachten, waren wenige davon überzeugt, dass das Modell erfolgreich sein würde. Ein SUV passe nicht zu BMW, so der Tenor. Doch diese Erweiterung des Produktangebots hat BMW noch erfolgreicher gemacht, wir haben neue Kundengruppen gewinnen können. Gleiches gilt für die Einführung von reinen Elektroautos und Hybridmodellen. BMW steht für Freude am Fahren, und genau diese Freude am Fahren wird bei der Neuen Klasse mehr denn je spürbar sein, durch unsere komplett neu entwickelte Antriebs- und Fahrdynamikregelung, dem «Heart of Joy».

Als grosse Marke kann man es sich auch gar nicht leisten, ein Segment nicht zu bedienen …

Die Ansprüche der Kundschaft sind in jedem Land anders, daher ist ein breites Angebot sicherlich von Vorteil, um international erfolgreich zu sein. Aber auch unterschiedliche Antriebstechnologien spielen eine Rolle. Nehmen wir als Beispiel die Elektromobilität. In der Schweiz lag der Anteil der neu immatrikulierten vollelektrischen Fahrzeuge letztes Jahr bei etwa 19 Prozent, in anderen Ländern wie beispielsweise in Norwegen oder in den Niederlanden ist der Anteil um einiges höher. Daher hat sich die BMW Group nicht nur breit aufgestellt nach Modellart, sondern sich immer auch technologieoffen positioniert. Wir glauben, dass die Zukunft elektrisch sein wird. Allerdings waren wir auch immer der Meinung, dass Märkte, Rahmenbedingungen und Kundenbedürfnisse global unterscheiden und sich zeitlich unterschiedlich entwickeln.

Dass die Elektromobilität in der Schweiz so schwer anläuft, hängt auch von den Rahmenbedingungen ab …

Es gibt Bereiche, in denen ich uns als Hersteller in der Pflicht sehe, zum Beispiel dahingehend, dass unsere Elektrofahrzeuge dem Kunden durch innovative Lösungen mehr Reichweite bieten. Daran arbeiten wir tagtäglich. Doch es braucht auch entsprechende Rahmenbedingungen wie Ladeinfrastruktur. Und die ist in der Schweiz noch zu wenig ausgebaut. Es geht gar nicht zuerst um Schnellladestationen, sondern grundsätzlich um Ladepunkte. Wenn Sie zu Hause oder zumindest in der Nähe ihrer Wohnung nicht laden können, werden Sie wahrscheinlich kein Elektroauto kaufen. Gleiches gilt für öffentliche Parkplätze, Unternehmensparkplätze, Hotels, Supermärkte und so weiter – in der Schweiz gibt es hier noch sehr viel Potenzial. Wenn die Regierung aufgrund fehlender Förderung – und ich möchte explizit erwähnen, dass es uns dabei nicht um finanzielle Entlastungen für Elektrofahrzeuge geht – keine Anreize setzt, reicht es eben nicht, dass wir immer mehr Reichweite ermöglichen, um den Verkehr weiter zu elektrifizieren. Allein schaffen wir das als Hersteller nicht, da braucht es auch die Unterstützung des Staates, um die politischen Rahmenbedingungen zu schaffen. Gleiches gilt für die Strompreise: Wird hier keine Stabilität gewährleistet, sind die Kunden nicht gewillt, auf ein E-Auto umzusteigen.

Vor allem, wenn mich das Auto dann auch noch mehr kostet als ein Benziner …

Neue Technologien zu entwickeln, bedeutet, Investitionen zu tätigen. Die Einführung der Neuen Klasse ist die grösste Investition in der Firmengeschichte der BMW Group. In der Schweiz ist die Stagnation von Elektromobilität aber kein Problem mangelnder Kaufkraft. Wenn Sie sich die Statistiken anschauen, welche Marken im Jahr ganz oben auf der Zulassungsliste stehen, sehen Sie viele Premiumhersteller. Es ist einfach eine Sache des Fahrerlebnisses. Das muss stimmen, und der bequeme Zugang zu Lademöglichkeiten ist für das Gesamterlebnis von Elektromobilität essenziell.

Sie haben als Marke im Gegensatz zu anderen nie gesagt, dass Sie ab dem Jahr X nur noch eine elektrifizierte Flotte anbieten. Warum?

Für uns ist klar, dass die Zukunft der Mobilität elektrisch sein wird. Aber wir haben uns kein festes Datum gesetzt. Wann dies so weit sein wird, entscheiden allein die Kunden. Das wird in jedem Land zu einem anderen Zeitpunkt der Fall sein. Wir arbeiten jeden Tag daran, all unsere Antriebe effizienter zu gestalten, da jede Verbesserung und Weiterentwicklung zur Einsparung von CO2 beiträgt. Dabei halten wir an unserem Konzept der Technologieoffenheit fest und orientieren uns an den Kundenbedürfnissen. Die BMW Group hat noch nie auf eine Technologie fokussiert, und dieser Philosophie bleiben wir treu. Auch wenn Kritiker uns vorwerfen, dass wir gar nicht daran interessiert seien, die Erreichung von CO2-Neutralität im Verkehrssektor zu unterstützen, möchte ich erwähnen, dass wir trotz oder genau dank unserem technologieoffenen Ansatz 2024 weltweit mehr Elektrofahrzeuge verkauft haben als andere deutsche Premiumhersteller zusammen. Wir haben unsere Produktion so ausgerichtet, dass wir auf einer Fertigungslinie ein Fahrzeug mit jeder Antriebsform produzieren können, und konnten so sehr flexibel auf die Kundennachfrage reagieren.

Welche Rolle wird künstliche Intelligenz (KI) im Rahmen der Neuen Klasse spielen?

Die Rechenleistung der Neuen Klasse basiert wie gesagt auf vier «Superbrains», die alle eine spezifische Aufgabe zugewiesen bekommen haben. Eines dieser «Brains» ist für das Infotainment System BMW Panoramic iDrive verantwortlich. Darüber läuft auch der BMW Intelligent Personal Assistant, und dieser wird zukünftig von Large Language Models (LLMs) profitieren und die Interaktion mit dem Fahrer auf ein neues Niveau heben.

Praktisch heisst das?

Der Sprachassistent im neuen BMW Panoramic iDrive erkennt viel besser, was gesagt wurde. Ich kann dem Auto nun zum Beispiel sagen: Fahre mich zur nächsten Ladestation, wo ich auch Lebensmittel einkaufen kann. Früher musste ich das selbst recherchieren und dann den genauen Ort nennen – das übernimmt zukünftig die KI im Auto.

Und letzte Frage: Wird die Neue Klasse zu einer Reduktion der Modellpalette führen?

Wir planen mit einem schnellen Hochlauf der Neuen Klasse, in den ersten 24 Monaten sollen sechs verschiedene Modelle in unserem globalen Produktionsnetzwerk anlaufen. Wie die Modellpalette der Zukunft aussehen wird, wird sich noch zeigen, 2028 kommt ebenfalls unser erstes Brennstoffzellen-Serienfahrzeug auf den Markt und wird eine weitere alternative Antriebstechnologie sein, die wir unseren Kunden anbieten können.