Eine Geburt lässt sich nicht planen. Auch wenn es anfangs nach einer natürlichen Spontangeburt aussieht, können bei Mutter und Kind Komplikationen auftreten. Für die Geburtshilfe bedeutet dies, dass sie Vorhalteleistungen wie Gebärzimmer, Operationssaal, medizinisch-technische Geräte und Personal ständig aufrechterhalten muss.
Ein Spagat, den die grossen Unikliniken offenbar besser meistern als kleine Geburtshilfen. Das zeigen die Platzierungen der zwanzig besten Geburtskliniken, die dieses Jahr das erste Mal bei den «Besten Fachkliniken» gerankt wurden. Mit einem Score von 91,63 Prozent schafft es die Geburtshilfe des Universitätsspitals Zürich (USZ) auf den 1. Platz, deutlich vor dem zweitplatzierten Universitätsspital Basel (87,85 Prozent) und den Hôpitaux Universitaires Genève (HUG) (86,90 Prozent). Damit bestreiten drei der fünf Schweizer Unikliniken die ersten drei Plätze. Das Inselspital Bern landete mit einem Score von 84,26 Prozent auf Platz 6, und die fünfte Schweizer Uniklinik, das Lausanner Centre universitaire vaudois (Chuv), schaffte es mit 76,73 Prozent nur knapp unter die Top 20 der Schweizer Geburtskliniken.
Die Topplatzierung der Unispitäler lasse sich damit erklären, dass diese in der Online-Befragung von medizinischen Expertinnen und Experten sehr gute Bewertungen erhalten hätten, sagt Statista. Das führe zu einem hohen Reputations-Score, der wiederum eine gute Platzierung begünstige.
Gut, aber eben nicht ganz so top wie die Unikliniken, schneiden die Kantonsspitäler ab. Sie befinden sich im zweiten Teil der Top 20, angeführt vom Kantonsspital Luzern auf Rang 11 und vom Kantonsspital St. Gallen auf Rang 12. Winterthur, Baden, Graubünden, Aarau und Frauenfeld belegen die Ränge 15 bis 19. Die tiefere Platzierung der Kantonsspitäler ist gemäss Statista damit zu begründen, dass ihr Reputation-Score etwas tiefer liege als bei den Unikliniken. Bei der Auswertung der medizinischen Kennzahlen, insbesondere der geburtsspezifischen, weisen hingegen sowohl die Unikliniken als auch die Kantonsspitäler sehr gute Werte auf.
Aktuell macht den Geburtskliniken zu schaffen, dass in der Schweiz immer weniger Babys zur Welt kommen. Das macht die Vorhalteleistungen pro Geburt teurer. «Aktuell sind wir in der Schweiz mit einem Geburtenrückgang konfrontiert», sagt Verena Houben, Klinikmanagerin der Klinik für Geburtshilfe am USZ, einer der grössten Geburtskliniken der Schweiz. Hier wurden 2022 noch 2462 Babys geboren, gegenüber 2779 im Vorjahr. Die Zahl der Kaiserschnitte sank von 1251 auf 1097. In der gesamten Schweiz kamen laut Bundesamt für Statistik 2021 89’700 Kinder zur Welt, 2022 waren es noch rund 82’400.
Aufwand der Spitäler ist nicht über die Tarife gedeckt
Auch in der Geburtshilfe ist der Tarifdruck deshalb gross. Eine normale Geburt ohne Komplikationen wird mit einer Fallpauschale von 5480 Franken vergütet, ein Kaiserschnitt ohne Komplikationen liegt bei 8310 Franken. «Die Tarife sind in den meisten Fällen nicht kostendeckend», sagt Beatrice Mosimann, Co-Leiterin und Chefärztin der Geburtshilfe und Pränatalmedizin der Frauenklinik am Universitätsspital Basel. Sie spricht von einem «konstanten Kostendruck». Ihre Befürchtung ist, dass der Spardruck die Attraktivität der Arbeitsplätze beeinträchtigt und dies dazu führen könnte, dass sich gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Alternativen umsehen.
Gleichzeitig braucht es laufend neue Investitionen, um à jour zu bleiben. Ein wichtiger Faktor für eine erfolgreiche Geburtshilfe ist die Nähe zu einer Neonatologie, damit Frühgeborene möglichst schnell medizinisch gut versorgt werden können und Mutter und Kind möglichst nah beieinander sind, wenn es Komplikationen gibt. Das Universitätsspital Basel hat deshalb vor eineinhalb Jahren zusammen mit der Universitätskinderklinik beider Basel in kürzere Wege investiert: Zuvor trennten die beiden Bereiche rund zwei Minuten Gehweg, jetzt sind es noch zehn Meter. Kostenpunkt: 2,25 Millionen Franken.
Klinikmanagerin der Frauenklinik am Unispital Zürich.
Beim Inselspital läufts
Etwas entspannter sieht es bei der Geburtshilfe des Inselspitals aus. In der «Insel» werden entgegen dem Trend immer mehr Babys geboren. 2021 wurde mit 2307 Kindern gar ein Rekord aufgestellt. Und auch wirtschaftlich sieht es gut aus: «Der Kostendeckungsgrad beläuft sich im stationären wie auch im ambulanten Bereich auf 110 bis 120 Prozent», sagt Daniel Surbek, Ordinarius und Chefarzt der Geburtshilfe und der fetomaternalen Medizin.
Bei der Geburtshilfe fällt zudem das gute Abschneiden der Hirslanden-Gruppe auf. Sie schafft es mit fünf ihrer Geburtskliniken in die Top 20. Ein guter Schnitt für die grösste private Spitalkette der Schweiz.
Ob Privat-, Kantons- oder Universitätsspital: Alle der gelisteten Kliniken erreichen mindestens 76 Prozent im Score und zeichnen daher ein gesundes Bild der Geburtshilfe in der Schweiz. Doch damit es den Kleinsten und ihren Müttern weiterhin gut geht, müssen die Kliniken sich rüsten. Erste Indikatoren zeigen: Im Jahr 2023 zeichnen sich für den Kanton Zürich stagnierende Geburtenzahlen ab, was die Klinikmanagerin der USZ-Frauenklinik, Verena Houben, bestätigt. Die Baby-Baisse wird also anhalten. Gleichzeitig dürfte der Tarifdruck angesichts steigender Gesundheitskosten beträchtlich bleiben.
Geburtshilfe
Die Geburtshilfe gilt als Teil der Frauenklinik und Teilbereich der Frauenheilkunde, hat aber unter den Fachbegriffen Tokologie oder Obstetrik ihre eigene medizinische Daseinsberechtigung. In der Geburtshilfe kümmert sich das Fachpersonal um alles rund um die Geburt: von der ersten Schwangerschaftskontrolle bis hin zur Nachversorgung von Müttern im Wochenbett. Der häufigste Eingriff in der Geburtshilfe ist der Kaiserschnitt; rund ein Drittel der Kinder kommt so zur Welt. Weitere operative Eingriffe in der Frauenklinik sind die Gebärmutterentfernung sowie das Entfernen von Zysten und Krebsgeschwüren in den reproduktiven Organen.
Im Ranking «Beste Fachkliniken der Schweiz» kommt die Kategorie Geburtshilfe dieses Jahr zum ersten Mal vor. Für die Auswertung flossen klinische Daten des Nationalen Vereins für Qualitätsentwicklung in Spitälern und Kliniken (ANQ) und des Bundesamts für Gesundheit (BAG) ein. Berücksichtigt wurden neben den 4 allgemeinen Werten, die bei allen Kliniken einbezogen wurden, auch 26 fachspezifische Indikatoren für die Geburtshilfe. Dazu gehörten die Fallzahlen für Neugeborene über 2500 Gramm, unter 1250 Gramm und unter 500 Gramm, der Anteil an Kaiserschnitten bei den Geburten sowie die Fallzahlen und Mortalitätsraten bei Gebärmutterentfernungen und bei der Entfernung der Eierstöcke aufgrund einer Krebserkrankung.
Die Zahlen zeigen: Grundsätzlich sind Mutter und Kind in der Schweiz in guten Händen. Auf 100’000 Geburten sterben hierzulande 5 Frauen. Zum Vergleich: In Dänemark sterben im Schnitt 9,6 Frauen pro 100’000 Geburten. Die Säuglingssterbeziffer liegt bei 3,8 Kindern pro 1000 Geburten. Im europäischen Vergleich ist das eher mittelmässig. Der Durchschnitt der EU-Staaten (ohne Grossbritannien) liegt bei 3,6 Kindern pro 1000 Geburten. Estland weist dabei die niedrigste Ziffer auf: Im Schnitt sterben dort nur 1,8 Kinder pro 1000 Geburten.
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