Der Schweizer Arbeitsmarkt schwächelt: Gemäss der Job-Index-Studie, die in Zusammenarbeit mit der Universität Zürich gemacht wird, ist die Anzahl offener Stellen im Vergleich zum Vorjahr um 10 Prozent gesunken. Die Arbeitsmarktsituation ist angesichts der unsicheren Lage der Weltpolitik und -wirtschaft immer noch schwer vorhersehbar. Viele Firmen zögern deshalb mit festen Neueinstellungen. Gemäss einer Studie des Verbandes von Personaldienstleistern setzen 60 Prozent der Firmen auf Temporärarbeit, um flexibel auf die schwankende Auftragslast und den damit verbundenen Personalbedarf reagieren zu können.
Strategisch vorgehen bei der Suche
«Der Markt für Temporärarbeit in der Schweiz und den umliegenden Ländern befindet sich derzeit im Rückgang im Vergleich zu den Vorjahren», erklärt Marcel Keller, Country President bei der Adecco Group Switzerland. «Grundsätzlich kann man festhalten, dass die Anzahl Stellen für Berufseinsteigerinnen und -einsteiger, die keine Erfahrung verlangen («Einsteigerstellen»), generell gestiegen ist, insbesondere seit 2020», beobachtet Keller. «Das heisst, dass derzeit junge Fachkräfte und Einsteigerinnen und Einsteiger eine gute Position auf dem Arbeitsmarkt haben.»
Besonders gefragt sind laut Keller weiterhin gelernte Berufsleute in allen Bereichen. Darüber besteht für Personen mit technischen Fähigkeiten in den Bereichen Datenanalyse, Design und KI/ Machine-Learning ein klarer Trend, wenn es um kurzfristige Einsätze geht und diese Fähigkeiten in bestehenden Teams fehlen. «Hinzu kommen Soft Skills wie Kreativität, Problemlösung und Kommunikation sowie lösungsorientiertes Teamwork.» Weniger gefragt sind traditionelle administrative Rollen, die zunehmend automatisiert werden. Informatikerinnen und Informatiker haben im Bereich der temporären Arbeit an Attraktivität verloren.
«Wer in der Temporärarbeit erfolgreich sein möchte, sollte sich gut vorbereiten und strategisch vorgehen», rät Keller: Man sollte sich als Interessent oder Interessentin klare Ziele setzen: «Überlegen Sie sich, warum Sie flexibel arbeiten möchten und welchen Mehrwert dies für Sie persönlich hat – sei es, um Erfahrung zu sammeln, den Weg zum Wunschjob zu ebnen oder mehr Flexibilität mit Freizeit zu kombinieren», rät Keller.
Und auch für Firmen, die temporäres Personal suchen, hat Keller Hinweise: Solche Mitarbeitenden kündigen, wenn sie eine bessere Gelegenheit bei einem anderen Unternehmen sehen, mangelnde Investition in den Bereichen Weiterbildung und Schulung erleben, keine Karrieremöglichkeiten im aktuellen Unternehmen sehen, die Work-Life-Balance oder Flexibilität fehlen und sie mit der Unternehmenskultur unzufrieden sind. «Auffällig ist, dass in der Schweiz im Vergleich zum Rest der Welt nicht primär das Gehalt entscheidend ist, sondern vielmehr die Entwicklungsmöglichkeiten, Flexibilität und Unternehmenskultur», konstatiert Keller.
Unterproportionaler Rückgang
Auch bei Careerplus stellt man fest, dass die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und die damit verbundenen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt aktuell auch den Temporärmarkt negativ beeinflussen. «Branchenweit ist jedoch zu beobachten, dass 2024 der Einbruch des Temporärgeschäfts im Vergleich zum Feststellengeschäft deutlich unterproportional ausgefallen ist», sagt Jana Jutzi, Geschäftsführerin bei Careerplus.
Unterschiede beim Interesse an Temporärarbeit zwischen den Generationen stellt sie kaum fest. Bei der Gen X sind es 27 Prozent, bei der Gen Y 35 Prozent und bei der Gen Z 28 Prozent. «Die unterschiedlichen Prozentverteilungen lassen sich eher über die anteilige Vertretung der Altersgruppen erklären, als dass sie etwas über das Interesse dieser aussagen», kommentiert Jutzi. «Allerdings werden je nach Generation häufig unterschiedliche Gründe angegeben, weshalb Temporärarbeit in Frage kommt oder gar angestrebt wird.»
Jüngere Personen würden es häufig schätzen, in verschiedene Unternehmen Einblick zu erhalten und somit breite Erfahrung zu sammeln. Auch spielt zeitliche Flexibilität häufig eine Rolle bei Personen mit Kindern. «Da es für ältere Personen auch heute noch – trotz Fachkräftemangel – schwieriger ist, eine neue Festanstellung zu finden, ist für diese Personengruppe die Temporärarbeit häufig ein Türöffner für eine Festanstellung in einem zweiten Schritt», beobachtet Jutzi.
«Gerade im Pflegebereich ist der Bedarf an Temporärfachkräften in den letzten Jahren enorm gestiegen, wobei aktuell wieder eine leichte Gegenbewegung ersichtlich wird», sagt Jutzi in Hinblick auf die momentane Entwicklung. Vor allem im Akutbereich passen mehrere Spitäler ihre Strategie an und streben eine ausgeglichenere Verteilung zwischen Fest- und Temporärpersonal an. «Insgesamt gesehen haben viele Pflegefachkräfte den Vorteil der Temporärarbeit erkannt und schätzen die Flexibilität in der Diensteinteilung und häufig auch den monetären Vorteil der Temporäranstellung», so Jutzi weiter.
Gesamtpaket muss stimmen
Für Temporäreinsätze würden häufig sehr spezifische Skills, gepaart mit Persönlichkeitsaspekten für das konkrete Aufgabengebiet, gesucht. «Für Anstellungen im Feststellenbereich muss das «Gesamtpaket» langfristig stimmen», so Jutzi. «Gerade im Fachkräftebereich ist es daher von zentraler Bedeutung, sich seiner Stärken bewusst zu sein und sein spezifisches Fachwissen bereits in den Bewerbungsunterlagen klar ersichtlich darzulegen.»
Und auch auf Arbeitgeberseite gibt es oft Verbesserungspotenzial. «Die Arbeitgeberattraktivität respektive das Employer Branding ist auch für KMU, welche keine grossen HR- und Marketingabteilungen haben, von zentraler Bedeutung», so Jutzi. Bereits kleinere und ressourcenschonende Massnahmen können einen bedeutenden Unterschied machen. «Wichtig ist, dass sich auch das Unternehmen über seine Werte, die Kultur und die Vorteile für Mitarbeitende wie beispielsweise die Anstellungsbedingungen, Benefits oder Flexibilität im Klaren ist und diese nach aussen hin vertritt, von der Homepage über den Bewerbungsprozess bis hin zum Onboarding neuer Mitarbeitenden.»