Zur Zeit Goethes, also im 19. Jahrhundert, wurde als neueste Innovation der Fernunterricht populär. Per handgeschriebenen Briefen oder gedruckten Zusammenfassungen wurden Sprachen, das Schachspiel, aber auch Stenografie und andere Themen wie Philosophie gelehrt. In diesen Zeiten waren Menschen, die lesen und schreiben konnten, in der Unterzahl und die Anforderungen im Berufsleben waren andere. Man lernte ein Handwerk und übte dieses aus, solange man konnte. Oft bestimmte die körperliche Leistungsfähigkeit den Beruf, aber auch das Ende einer Karriere. Seeleute zum Beispiel wurden zu Krämern oder Gastwirten, wenn sie nicht mehr zur See fahren konnten. Die Berufswahl wurde in den meisten Fällen durch Herkunft und Familientradition bestimmt.

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Der Autor

Daniel Diemers, Head Expert der Swiss Metaverse Association, Bern

In der heutigen, multioptionalen Welt stehen wir vor anderen Anforderungen. Geschäftsmodelle und ganze Industriezweige verändern sich im Rekordtempo. Insbesondere die neue Generation hat sich gut damit abgefunden, als Portfolioworker, Digital Nomads und Flexworker bauen sie ihre eigenen Karrierepfade. Und lassen es auch ihre Arbeitgeber spüren, dass man nur auf Durchreise ist. Entsprechend haben sich die Anforderungen an die Weiterbildung, das Umlernen und Neulernen von Fähigkeiten erhöht, und dieser Trend verstärkt sich nun laufend durch die rasanten technologischen Umbrüche. Dazu kommt, dass die Halbwertszeit des einmal gelernten Wissens dramatisch abnimmt. Mit der Beschleunigung der technologischen Innovationen und der laufenden Entstehung von neuen Berufsfeldern ist ein regelmässiges Wissens-Upgrade schon fast die Norm. Nun die Frage: Welche Rolle übernimmt dabei das Metaverse? 

 

Digitale Räume als neue Lernumgebung

Grundsätzlich ist das Metaverse, also die interaktive Vermischung unserer Alltagswelt mit digitalen Räumen und Daten, eine vielschichtige technologische Entwicklung. Ein paar Beispiele: Mit einer elektronischen Arbeitsbrille kann ein Maschinist auf ein Energieaggregat blicken und der Computer ergänzt im Display in Echtzeit wichtige Informationen. In einem virtuellen Klassenzimmer können Studierende aus verschiedenen Teilen der Welt gemeinsam einen Vortrag anhören, der simultan in verschiedene Sprachen übersetzt und anschliessend in Gruppen diskutiert wird.

Diese Beispiele zeigen spezifische Vorteile der Metaverse-Technologie für das erfahrungsbasierte und experimentelle Lernen: Die Umgebung und Avatare können frei definiert werden und die virtuellen Räume stehen rund um die Uhr zur Verfügung. Lernerfahrungen können zudem adaptiv an die Lernsituation und die Stufe angepasst werden. Aber auch hybride Modelle sind möglich, man trifft sich im ersten Modul physisch und lernt im Metaverse weiter. Auch Lernkontrollen, Prüfungen und Auswertungen sind einfach, da digital und vollständig dokumentiert; daneben lassen sich Qualifizierungen mit digitalen Zertifikaten – zum Beispiel auf einer Blockchain – sicher und ohne Fälschungsrisiko nachverfolgen.

Mit «Gamification», also dem Einbringen von spielerischen Elementen und Prinzipien, lassen sich interaktive, motivierende Edutainment-Formate kreieren, bei denen die Grenzen zwischen Lernen und Unterhaltung verschwimmen. Sowieso ist ein Kennzeichen des Metaverse ist die hohe Interaktion zwischen Teilnehmenden und KI-Avataren. Das Lernerlebnis ist somit kein einsames Studieren, sondern ein interaktives Erlebnis, das dem einer Lerngruppe, Kleinklasse oder Vorlesung ähnelt.

 

Lebenslang lernen

Wir stehen noch ganz am Anfang von Lernmodellen im Metaverse, doch das Potenzial deutet sich bereits heute an. Wissen wird in virtuellen Welten weltweit und günstig vermittelbar. Diese Welten lassen sich beliebig skalieren und ermöglichen zum Beispiel den Besuch einer erstklassigen Universität von einem beliebigen Ort der Welt aus, ohne eine Fremdsprache zu beherrschen oder je in ein Flugzeug zu steigen. Durch die Interaktivität mit anderen Lernenden und vielleicht auch mit KI-Avataren als Mentoren, Lernassistenten oder unabhängigen Prüfungsexperten sowie Elementen wie Gamification wird man nachhaltig zum Lernen und Wissensupdate motiviert.