Beratungsfirmen erfüllen für ihre Firmenkunden vier Funktionen: Sie analysieren Daten, verarbeiten diese zu Erkenntnissen, vermitteln die Erkenntnisse an die Executives ihrer Firmenkunden und unterstützen sie bei der Umsetzung. Dieses Modell ist anfällig für eine Disruption, wie die Analysten und Analystinnen von CB Insights bereits vor Jahren befanden. Denn es basiert auf viel Handarbeit in nächtlicher oder nach Übersee verlagerter Backoffice-Daten- und Faktensuche, während die Datenquellen für alle Internet-User immer besser zugänglich werden – womit sich die «Informationsasymmetrie» der Beraterbranche auflöst. Beschleunigt wird dieser Vorgang noch durch Systeme wie Chat GPT und andere Large-Language-Modelle (LLMs).
Tool für die Wissensbeschaffung
Tatsächlich lässt sich das über Jahre intern aufgebaute Wissen perfekt mit solchen Modellen ersetzen. Wer hier noch konventionell arbeitet, gerät rasch unter Druck. Das hat man erkannt, und deshalb nutzt man überall solche Systeme, wie eine kleine Umfrage zeigt.
Als Vorreiter gilt McKinsey. «McKinsey befasst sich seit Jahren mit Digitalisierung und AI, und wir spüren eine erhöhte Nachfrage», sagt Andreas Ess, Partner bei McKinsey & Company im Zürcher Büro und Leiter von Quantumblack Switzerland. Quantumblack ist die auf KI spezialisierte Einheit von McKinsey. Man hat hier im vergangenen Jahr die interne KI-Plattform «Lilli» entwickelt. «Wir gehörten zu den Ersten in unserer Branche, die ein eigenes generatives KI-Tool eingeführt haben», so Ess weiter. «Unsere Teams nutzen dieses beispielsweise, um schnell auf interne Informationen zuzugreifen, relevante Inhalte zu finden und Zusammenfassungen zu generieren.»
«Auch wenn Beratungsleistungen in den einzelnen Bereichen stark variieren, können LLMs gerade bei der Wissensbeschaffung, der Analyse von komplexen oder ausführlichen Informationsquellen oder bei der Erstellung von Konzepten und Entwürfen stark unterstützen», sagt Adrian Ott, Chief AI Officer Switzerland bei EY in der Schweiz. «Beim Brainstorming und bei kreativen Denkprozessen kann generative KI (Gen AI) besonders gut unterstützen.» Mit EY.ai hat man auch hier eine eigene KI-Plattform aufgebaut.
«Bei BDO integrieren wir diese Technologien verstärkt in unsere Dienstleistungen, um fortschrittliche, zeit- und kosteneffiziente Lösungen anzubieten«, erklärt Marcel Rohrer, Leiter Treuhand und Mitglied der Geschäftsleitung bei BDO. «Durch den Einsatz von KI können wir Routineaufgaben beschleunigen und gewinnen wertvolle Zeit, die wir unseren Kunden und Kundinnen widmen.»
Bei BDO nutzt man KI-Technologien unter anderem in Bereichen wie BDO Digital, Treuhand – namentlich mit einem Buchungstool, das auf KI basiert –, aber auch im Audit.
Und auch bei Deloitte arbeitet man mit Gen AI. «Gen AI und Large Language Models sind ein wichtiger Bestandteil der Dienstleistungen, die wir unserer Kundschaft anbieten», sagt Antonio Russo, Innovation Leader bei Deloitte Switzerland. «Pair D» ist hier die Bezeichnung der internen Gen-AI-Plattform von Deloitte, die mit eigenen Daten gespeist wird und in einer sicheren Umgebung läuft. «Pair D hat sich nach der Testphase zu einem wichtigen Bestandteil des Arbeitsalltags unserer Mitarbeitenden entwickelt», so Russo. «Die Plattform vereinfacht die routinemässige Datenanalyse sowie die Erstellung von Inhalten.»
Stefan Pfister, CEO von KPMG Schweiz, über den Einsatz der künstlichen Intelligenz in der Beratung.
Wie nützlich schätzen Sie die generative Intelligenz für die Beratungsarbeit ein?
Das Potenzial von künstlicher Intelligenz wird auch die Beratung auf ein neues Niveau bringen. Wir stehen erst am Anfang dieser Entwicklung, sehen jedoch bereits heute Vorteile, die sich aus der Nutzung von KI ergeben. So haben wir kürzlich verschiedene interne KI-Anwendungen ausgerollt.
Welche Schwächen sehen Sie?
Das Potenzial von künstlicher Intelligenz lässt sich nur dann voll ausschöpfen, wenn sie auf einer robusten Technologie-Infrastruktur mit entsprechend hoher Datenqualität aufsetzen kann. Diese Grundlage ist erforderlich, um fundierte und datenbasierte Einsichten zu gewinnen und innovative Lösungen zu entwickeln. Aktuell stellen wir fest, dass diese Grundlage oft noch nicht gegeben ist.
Wo nutzen Sie bereits die KI?
Wir arbeiten mit globalen Technologiefirmen wie Microsoft und SAP, aber auch mit innovativen Startups zusammen. Bei KPMG nutzen wir künstliche Intelligenz bereits in der Wirtschaftsprüfung. Dank unserer eigenen cloudbasierten Auditplattform erhalten wir einen umfassenden Einblick in die Daten und können spezifische Muster und Anomalien schneller und zielgenauer erkennen.
Was erwarten Sie für die Zukunft?
Technologie wird künftig einen noch höheren Stellenwert in Wirtschaft und Gesellschaft und somit auch in der Beratung einnehmen. Aber massgeschneiderte Lösungen zu entwickeln und das Vertrauen der Kunden und Kundinnen zu gewinnen – das schafft keine Technologie. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass wir Menschen auch in Zukunft den entscheidenden Unterschied machen werden.
Interview: Matthias Niklowitz