Allen Klimakontroversen zum Trotz: Es wird geflogen, was das Zeug hält. Neben den exponentiell wachsenden Ferienreiseströmen aus Emerging Markets wie China und Indien bleiben auch im Geschäftsreisemarkt die vielbeschworenen Videokonferenzen bis heute eine Randnotiz. Zu diesem Schluss kommt, wer sich entsprechende Statistiken zu Gemüte führt. Der globale Tourismus hat sich in den letzten 15 Jahren auf total 1,4 Milliarden Ankünfte im Jahr 2018 verdoppelt. Nach oben zeigt die Kurve auch im Segment Dienstreisen.
Mit der wachsenden Zahl an rund um den Globus getätigten Dienstreisen steigt naturgemäss auch die Menge der benötigten Einreisevisa. Laut einer interkontinentalen Erhebung, zu der Verkehrs- und Tourismusorganisationen diverser Länder ihre nationalen Daten beigesteuert haben, wurden allein im letzten Jahr weltweit rund 100 Millionen Visa ausgestellt. Der im globalen Visumsmarkt erzielte Umsatz wird auf 3 Milliarden Dollar geschätzt, wovon rund 915 Millionen Dollar (38 Millionen Visa) auf Europa fallen.
Die Organisation der Einreisedokumente ist für Reisende oft mit einem erheblichen Aufwand verbunden. Ein Visum für China etwa muss beantragt und abgeholt werden. Wer sich die Einreiseerlaubnis nach Indien abverdienen will, muss für das benötigte Visum einen ausführlichen Fragebogen beantworten und dafür oft Stunden aufwenden. Und wer auf dem Visumsantrag für Russland einen Tippfehler macht, kann damit rechnen, nochmals von vorne beginnen zu müssen. Auch in Bezug auf das verwendete Passfoto setzt fast jede Botschaft eigenständige Richtlinien durch. Zudem variieren die Bearbeitungszeiten. Für China ist es eine Woche, die Botschaften von Myanmar oder Indien schaffen es in zwei bis drei Tagen.
In der Schweiz gibt es heute rund zwölf Visumagenturen, vom ganz kleinen Einmannbetrieb bis zum Marktführer CIBT mit knapp dreissig Mitarbeitenden. Auch wenn verschiedene dieser Anbieter Kunden den Online-Download von Formularen anbieten, erfolgt das Prozedere analog. Auch Zusatzdokumentationen wie Einladungen, Bestätigungen und so weiter müssen von den Kunden persönlich auf den Botschaften vorgewiesen werden.
Das Startup Viselio hat diesen Prozess nun erstmals vollständig digitalisiert. «Über unser System generieren alle für den Visumantrag nötigen Dokumente automatisch und füllen sie für den Kunden aus, der nur noch unterschreiben muss», erklärt CEO Niklas Zeller. Im Vergleich zum herkömmlichen Visum, für das Antragsteller per saldo dreieinhalb bis achteinhalb Stunden investieren, sei das Prozedere bei Viselio in nur sieben Minuten vollständig realisierbar.
Zur schnelleren Abwicklung komme überdies eine geringere Fehleranfälligkeit, sagt Zeller. Viselio stünden zahlreiche Kundendokumente bereits korrekt ausgefüllt zur Verfügung, da umfangreiche Daten über Reisende in Backoffice-Systemen, Flugbuchungen oder Traveller-Profilen vorhanden seien. «Unser System kann diese Daten digital abrufen, Visumformulare schon zu einem wesentlichen Teil vorab befüllen und dann rasch an das zuständige Konsulat weiterleiten.»
Obschon Viselio zurzeit überwiegend von Ferienreisenden genutzt wird, sind die Ambitionen im Geschäftsreisemarkt beträchtlich. In der Startphase organisierte das Unternehmen digitale Visa für Russland, China, Vietnam und Indien. Seit vergangenem Herbst sind in einem rollenden Prozess 74 weitere Länder hinzugekommen. Niklas Zeller ist überzeugt, dass gerade Geschäftsreisende auf das Argument der Schnelligkeit und Effizienz immer stärker ansprechen werden.
Vom Schweizer Hispeed-Visum haben inzwischen auch ausländische Märkte Wind bekommen. Ende 2018 hat Viselio je eine Niederlassung in Paris und London eröffnet und wächst in den beiden Metropolen bereits kräftig. Bis im Frühling sollen noch vier weitere europäische Märkte erschlossen werden. Viselio als Katalysator des Klimawandels? «Das lassen wir uns bestimmt nicht anhängen», sagt Niklas Zeller. Geflogen werde so oder so. «Wenn wir Tausenden Ferien- und Geschäftsreisekunden das mühsame Visumprozedere vereinfachen, schaffen wir ihnen zusätzliche, wertvolle Zeitkapazitäten, was aus unserer Sicht durchaus nachhaltig ist.»