Die stärkere Erschliessung der Online-Welt ist beim nunmehr 120 Jahre alten Genossenschaftsverband der Ostschweizer Landwirtschaft in vollem Gange. Diese Digitalisierung ist aber nur einer der Schritte in Richtung Innovation und geht Hand in Hand mit der strategischen Neuausrichtung. Dazu gehört auch die im letzten Jahr erfolgte Namensänderung zu Laveba Genossenschaft und eine umfassende Revision von Organisation und Struktur (siehe Box).
Das traditionsreiche Unternehmen will neben der Nähe zu seinen Mitgliedern verstärkt auch auf seine Kundinnen und Kunden fokussieren. Deshalb sollen bestehende Prozesse untersucht, in den vorhandenen Geschäftsfeldern neue Möglichkeiten gesucht und mit neuen Ideen und Kooperationen nachhaltige Ertragsmöglichkeiten gefunden werden, wie es im jüngsten Geschäftsbericht heisst.
Eine einheitliche Plattform
Als wichtiges Projekt, mit dem die Voraussetzung für diese Innovationsprozesse geschaffen werden sollen, gilt die Einführung eines neuen ERP-(Enterprise-Resource-Management-)Systems. Man wolle die bisher noch eher offline-orientierte Geschäftssoftware der Genossenschaft stärker in der Online-Welt verankern, erklärt Alexander Moser. Abgel.st werde eine dreissigjährige Altlösung, sagt der IT-Chef, der zugleich Mitglied der Geschäftsleitung ist. Die habe nicht nur ihr Lebensende erreicht, sondern es fehle auch an Knowhow, um dieses zu grossen Teilen selbstentwickelte ERP weiterentwickeln zu können. Darum habe man beschlossen, neu eine einheitliche Plattform für alle Sparten und Geschäftseinheiten zu schaffen. Mit diesem Anspruch übernimmt der Konzern mit seinen rund 550 Mitarbeitenden und der zwanzigköpfigen IT-Abteilung zugleich eine Pionierrolle. Denn bei der Evaluation hatte sich zwar rasch gezeigt, dass mit SAP S4/Hana das nötige breite Fundament für ein solches Projekt verfügbar ist. Die Pipeline mit Cloud-Standard-Lösungen sei prallvoll, so Moser. Nur gelte das leider nicht für das Retail- sowie das Öl-und-Gas-Business, in dem Laveba rund drei Viertel seines Umsatzes erwirtschaftet. Derzeit biete der Software-Riese noch keine cloudfähige Lösung an, die diese beiden Geschäftsfelder auf einer Plattform vereint. Das heisse auch, dass die Umsetzung derzeit im hauseigenen Rechenzentrum
erfolgen müsse.
Volg, Landi und Agrola
Profil Die 1899 gegründete Landwirtschaftliche Gesellschaft des Kantons St. Gallen hat sich sukzessive zu einer Partnerorganisation unter anderem für den Ein- und Verkauf sowie die Vermarktung in der ganzen Ostschweizer Landwirtschaft und darüber hinaus entwickelt.
Dachmarke Die 2019 erfolgte Umbenennung zur Laveba Genossenschaft zeigt an, dass sich der unter anderem mit seinen Marken Volg, Landi und Agrola bekannte Konzern inzwischen weit über den Agrarbereich hinaus etabliert hat. Zuletzt wurden in den fünf Geschäftsbereichen (Handel, Energie, Agrar, Produktion sowie Innovation auch bei Immobilien und Technik) mit 544 Mitarbeitenden 558 Millionen Franken umgesetzt und es wurde ein Gewinn von 8,7 Millionen Franken erwirtschaftet.
Teilweise in der Pionierrolle
Trotz dem Fehlen einer solch spezifischen Standardlösung auf SAP zu setzen, ist aber nicht allein mit dem Mut zur Innovation zu begründen, wie er programmatisch im Geschäftsbericht formuliert wurde: «Bahnbrechend unterwegs zu sein, heisst, auch einmal etwas zu machen, was der Laveba bis jetzt nicht zugetraut worden wäre.» Laut Moser wurde das Risiko, weltweiter Vorreiter für einen SAP-Cloud-Service zu sein, vielmehr auch deshalb bewusst eingegangen, weil bereits viele strategische Partner und Grosskunden wie auch der zentrale Einkauf und die Energielieferanten SAP nutzen. Ausserdem sei das Projekt für den Softwarelieferanten so attraktiv gewesen, dass Laveba ausnahmsweise ins Customer-Care-Programm aufgenommen wurde, so der IT-Chef weiter. Das garantiere bei der Realisierung die direkte Zusammenarbeit mit und die Beeinflussung der Entwicklung bei SAP. Zudem profitiere man als Pionier sofort von Verbesserungen und Innovationen. Zähle man hierzu noch die Unterstützung der erfahrenen Integrationsspezialisten von der Zuger Firma Retail Solutions und für die Öl-und-Gas-Lösung die Spezialisten der deutschen Implico, verwundere es wohl wenig, dass das Projekt bisher sowohl in der Zeit wie beim Budget voll auf Kurs sei, so Moser weiter.
Konkret gestartet wurde mit dem Projekt im Mai 2019. Bis Ende des Jahres waren dann die Vorbereitungsarbeiten für die Migration abgeschlossen. Insbesondere das Aufräumen, Bereinigen und SAP-Kompatibelmachen der Datenbestände sei aufwendig gewesen, erklärt der IT-Chef. Diese meist manuelle Arbeit sei hauptsächlich deshalb so gut verlaufen, weil die involvierten internen Mitarbeitenden der Administration für die Erneuerung begeistert werden konnten.
Eine Big-Bang-Migration
Das gelte genauso von seiner IT-Abteilung, von der aktuell sieben Mitarbeitende direkt ins Projekt involviert sind. «Unsere Mitarbeitenden sehen den Mehrwert, haben Spass an ‹Hana› und tragen auch in Fachabteilungen wie dem Vertrieb den Umbau mit.»
Seit Anfang 2020 läuft nun die Umsetzung, die im Sommer 2021 mit dem «Go live» abgeschlossen sein soll. Es handle sich beinahe um eine Big-Bang-Migration, sagt Moser. Denn diese ersten Erneuerungsschritte betreffen bereits den Backbone respektive wichtige Kernprozesse und viele Module im für Laveba so wichtigen Retail- und Energiegeschäft. Doch auch wenn man nach dem Motto «Wenn schon, dann richtig» bewusst auf diese Umsetzungsvariante gesetzt habe, stehe anschliessend noch einiges an Arbeit an. Denn die dann verfügbaren neuen Möglichkeiten sollen auch im HR-Bereich, der Rechnungsprüfung, beim Cash-Management oder in Sachen Analytics eingesetzt werden. Und somit werden, wie geplant, alle Innovationen dem ganzen Konzern zugutekommen, sagt Moser.