Gebäude sind für rund 40 Prozent des Energieverbrauchs der Schweiz und zu einem Drittel für die CO₂-Emissionen verantwortlich. Über eine Million Häuser sind nicht oder kaum gedämmt und damit energetisch dringend sanierungsbedürftig. Für Bernhard Lanzendörfer, CEO von Saint-Gobain Weber und Präsident von Green Building Schweiz, ist klar: «Der reine Heizungsersatz, wie ihn die Politik proklamiert, reicht nicht aus, um den gebäudebezogenen Teil an den Klimazielen Netto-Null 2050 zu leisten.»
Für ihn liegt das grösste Potenzial in der energetischen Sanierung der Gebäudehülle. Fakt ist: Wärmepumpen reduzieren gegenüber Öl- und Gasheizungen den CO₂-Ausstoss. Sie benötigen aber auch elektrische Energie. Diese kann gemäss Lanzendörfer wesentlich reduziert werden durch eine Wärmedämmschicht an der Gebäudehülle, die im Winter vor Kälte schützt und im Sommer kühlt.
Hemmschuh Denkmalschutz
Das klingt alles vernünftig. Doch um das ambitionierte Klimaziel 2050 zu erreichen, müssten jährlich 3 Prozent der Gebäude energetisch saniert werden. Die Quote liegt aber seit Jahren unter 1 Prozent. Auch die Stadt Bern liegt mit etwas über 1 Prozent nur leicht über dem Schweizer Durchschnitt. Adrian Stiefel, Leiter Amt für Umweltschutz der Stadt, ist sich dieser Problematik bewusst: «Energieabstimmungen, etwa über das CO₂-Gesetz oder das kantonale Energiegesetz, werden bei uns mit drei Viertel Ja-Stimmen angenommen – und trotzdem gibt es viel zu wenig energetische Sanierungen.» Dabei seien die technischen Lösungen bekannt und es gebe viele nationale, kantonale und in Bern auch lokale Fördermittel.
Stiefel sieht das Problem zum Teil im Interessenkonflikt zwischen Umwelt- und Denkmalschutz. In der Stadt Bern sind rund 50 Prozent der Gebäude inventarisiert. «Wenn beispielsweise eine Stuckatur überdämmt werden muss, ist eine Dämmung der Gebäudehülle aus Sicht des Denkmalschutzes kaum möglich», sagt er. Ein anderes Hemmnis: Weil Nebenkosten, dazu zählt auch die Betriebsenergie, auf die Mieterinnen und Mieter umgelegt werden können, werden Investitionsausgaben für energetische Massnahmen aus Renditeüberlegungen möglichst minimiert. Der wirtschaftliche Anreiz für eine energetische Sanierung entfällt vollständig, wenn der Mietzins und die Vermietbarkeit des Objekts nach den Sanierungsmassnahmen unverändert bleiben. Es liegt ein klassisches Vermieter-Mieter-Dilemma vor.
Unattraktive Anreizsysteme
Lanzendörfer sieht noch andere Gründe: «Die heutigen Anreizsysteme sind zu wenig attraktiv», sagt er. Aus Studien wisse man, dass erst Förderbeiträge über 30 Prozent der Investitionskosten wirklich wirksam seien. Der Experte kritisiert das neu erarbeitete CO₂-Gesetz: «Im Gesetzesentwurf sind zwar Förderbeiträge vorgesehen, aber unwesentlich mehr, als es derzeit gibt.» Green Building Schweiz schlägt bessere steuerliche Abzugsmöglichkeiten vor.
Und einfachere gesetzliche Möglichkeiten, um Gebäude aufzustocken und so den «Return on Investment» für die energetische Sanierung zu verbessern. Weiter regt der Verein einen Gebäudemodernisierungsfonds an. So könnten Immobilienbesitzer einen langfristigen Kredit aufnehmen, ohne finanzielle Vorleistungen zu übernehmen. Der Kredit würde über den ganzen Lebenszyklus der Investition zurückbezahlt.
Was auffällt: Jeder Kühlschrank und jedes Auto hat eine verständliche Energieetikette, auf der der Verbrauch angegeben wird. Weshalb die Liegenschaften nicht? «Wir hätten in der Schweiz mit dem Gebäudeenergieausweis der Kantone (GEAK) das geeignete Instrument, um die Wichtigkeit der energetischen Gebäudesanierung in der Bevölkerung zu verankern – und nicht nur als zwingendes Instrument, um Förderbeiträge zu erhalten», so Lanzendörfer. «Die Einführung eines GEAK-Obligatoriums ist überfällig, insbesondere bei Altbauten, von denen 1,5 Millionen Gebäude energetisch dringend sanierungsbedürftig sind.»
Jetzt wird der Verein Green Building Schweiz selber aktiv: Zusammen mit Lookthrough in Zürich entwickelt er den Green-Building-Benchmark. Dieser ermöglicht den Teilnehmenden den Vergleich von Immobilienparks über einen längeren Zeitraum und dient der Prognose. Abgebildet werden als Vergleichswerte der CO₂-Ausstoss und der Energieverbrauch der jeweiligen Immobilie. Je nach Bedarf können weitere Richtwerte dazukommen.