Wie der weisse Rauch aus dem Vatikan, jedoch regelmässig im Jahrestakt entsteigt der BVG-Kommission die Empfehlung des Mindestzinssatzes für die Alterskapitalien in der 2. Säule. Das Überraschungspotenzial bei diesem Vorschlag bleibt darauf begrenzt, dass ihm die Entscheidungsinstanz – der Bundesrat – nicht immer folgt, wie im letzten Jahr geschehen.
Ansonsten besteht mitunter Einigkeit, dass dieser Prozess zum Ärgernis geworden ist, und zwar in verschiedener Hinsicht.
Zum einen sollte dieser Richtzinssatz vollständig entpolitisiert, also nicht durch eine Behörde verordnet werden. Vielmehr sollte der Entscheid delegiert und individualisiert, also den obersten Organen der Vorsorgestiftungen übertragen werden, die wiederum einer in der Tendenz strengeren Aufsicht unterliegen.
Zum andern sollte die Festlegung jeweils rückwirkend, also zu Jahresende erfolgen, wie dies inzwischen für den effektive Verzinsungsbeschluss bei einer Mehrheit der Pensionskassen zur Usanz geworden ist.
Werner Rutsch ist Mitglied der Geschäftsleitung Axa IM (Schweiz)
Und nun zum aktuellen Wert: Zwar scheint er plausibel, wenn man das ökonomische Umfeld betrachtet. Er macht aber nachdenklich. Würde ein höherer Wert die Stiftungen nicht motivieren, ihre Risikobudgets auszunutzen und das Signal aussenden, dass die Akteure an das Kapitaldeckungsverfahren glauben?
Eine Rendite zwischen 1 und 2,5 Prozent kann durchaus erzielt werden
Die Behauptung sei erlaubt, dass längerfristig mit einem intelligenten Anlagemix – vor allem aus Aktien und Immobilien – die Sollrendite, die bei den meisten Schweizer Stiftungen zwischen 1 und 2,5 Prozent liegt, durchaus erzielt werden kann. Wahrscheinlicher ist aber, dass in einigen Jahren die Empfehlung beziehungsweise der Mindestzins bei 0 liegen könnte, wie dies einige Aktuare bereits heute fordern.
«Über kurz oder lang wird kein Weg an der Flexibilisierung der Renten vorbei führen.»
Eine Legitimation der Nullverzinsung von Alterskapital hätte dramatische Folgen. Die aktiven Erwerbstätigen würden doppelt verlieren: Verlust von Zinseszinseffekten und laufend weiter sinkende Umwandlungssätze. Umgekehrt würden die Aktiven das volle Anlagerisiko tragen, während die Renten unverändert bleiben. Pro memoria: Heute schon sind Nullverzinsungen möglich, einerseits im überobligatorischen Bereich und andererseits wenn sich eine Stiftung im Sanierungsmodus befindet.
Was die Umverteilung zu den Rentner für den Einzelnen bedeutet, ist kaum fassbar
Was also ist zu tun? Über kurz oder lang wird kein Weg an der Flexibilisierung der Renten vorbei führen. Dass der umtriebige Josef Bachmann, ausgewiesener Pensionskassengeschäftsführer im Ruhestand, mit seinem Versuch, eine entsprechende Volksinitiative zu lancieren, gescheitert ist, spricht Bände.
Die Mehrheit der Stimmbürger ist sich der Problematik viel zu wenig bewusst. Zu präsent sind in Öffentlichkeit und Medien die Deckungsgrade der Pensionskassen, die meist über 100 Prozent liegen und damit prima vista eine heile Welt suggerieren. Viel zu wenig einprägsam und nachvollziehbar dagegen ist die laufende Umverteilung von den Aktiven zu den Rentnern, die zwar im Aggregat immer wieder mit den geschätzten 7 Milliarden Franken für das Jahr 2019 zitiert wird, aber für den einzelnen Versicherten kaum fassbar ist.
Wünschenswert wäre deshalb, in den jährlichen Versicherungsausweisen eine Zeile mit einem konkreten Frankenbetrag einzufügen, der ausweist, wieviel Geld der Versicherte durch eine den überhöhten Renten geschuldeten Minderverzinsung verliert. Nur eine solch plakative Visualisierung kann den Weg dazu ebnen, ein Konzept der flexiblen Renten einzuführen.
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