Welche Bedeutung hat die Computer-Cloud heute für die digitale Wirtschaft?
Rechenzentren gehören zur «Hidden Technology» der Wirtschaft. Fast alles läuft über sie: Daten, Apps, Social Media, Banking-Applikationen. Ohne Cloud funktioniert die Wirtschaft nicht mehr.
Sind die Rechenzentren damit systemrelevant?
Als physische Infrastruktur sind sie systemrelevant. Die Wirtschaft könnte keinen Tag lang ohne die Rechenzentren funktionieren.
Was passiert im Falle eines längeren Stromausfalls bei Ihnen?
Unsere Rechenzentren laufen für unsere Kunden weiter. Wir haben Dieselstromgeneratoren und ausreichend Treibstoff für neun Tage vor Ort und entsprechende gesicherte Lieferverträge mit zwei Lieferanten für eine unterbrechungsfreie Stromversorgung. Als systemrelevantes Unternehmen würden wir auch bevorzugt mit weiterem Diesel versorgt werden, wenn das erforderlich wäre.
Wie handhaben Sie weitere Risiken der Rechenzentren?
Wir bauen unsere Rechenzentren beispielsweise nie in den Einflugschneisen von Flughäfen. Das Gleiche gilt auch für Erdbebengebiete – die vermeiden wir ebenfalls. Das ist der Grund, warum wir zum Beispiel kein Rechenzentrum in der Region Basel betreiben, aber drei in Zürich und zwei in Genf. Ein weiteres Thema sind Überschwemmungen – diesen Risiken begegnen wir mit einer erhöhten Bauweise. Und auch bei den Datenleitungen und der Stromversorgung haben wir mehrere getrennte Zugänge und Anschlüsse.
In welchen Bereichen spielt sich der Wettbewerb bei Ihnen ab, wie differenzieren Sie sich?
Der Zugang zur Cloud wird immer wichtiger. Kunden wie zum Beispiel Stadler Rail stellen ihre Server und Speichersysteme in unsere Rechenzentren, und wir stellen dann die direkten Verbindungen mit den grossen Cloud-Unternehmen wie Google und AWS her. In unserem Bereich arbeiten einige grosse globale Unternehmen; darüber hinaus gibt es lokale Anbieter, die sich um die Infrastruktur für Rechenzentren, die Datenverbindungen, die Kühlung und Stromversorgung sowie die Co-Location kümmern, also die Zurverfügungstellung der Räume.
Ihre 248 Rechenzentren müssen auch untereinander verbunden werden.
Die weltweiten Datenverbindungen laufen oft über Tiefseekabel; die werden teilweise von eigenständigen Firmen betrieben, teils auch von den globalen Cloud-Firmen. An den Anfangs- und Endpunkten solcher Tiefseekabel, an den Küsten, gibt es spezielle Landepunkte. Dort befinden sich oft auch unsere Rechenzentren als eben diese Landepunkte.
Als Bereitsteller der Rechenzentreninfrastruktur sind Sie im Grunde genommen austauschbar.
Für die Co-Location trifft das vielleicht zu. Bei uns kommt aber die sogenannte Connectivity hinzu, also Verbindungen der Rechenzentren weltweit und zu grossen Cloud-Unternehmen. Das machen wir seit 25 Jahren, das haben wir aufgebaut, und da sind wir nicht mehr austauschbar. Ein weiteres Thema sind «Cross Connects», direkte Datenverbindungen unserer Kunden untereinander und zu den grossen Cloud-Betreibern.
Spüren Sie Effekte der Deglobalisierung?
Nein, die spüren wir nicht bei unseren global tätigen Unternehmen. Im Zuge der Digitalisierung erleben wir genau das Gegenteil.
Der Glückspilz
Name: Roger Semprini
Funktion: Managing Director Schweiz, Equinix, Zürich
Geboren: 25. November 1967
Familie: glücklich
Ausbildung: Zürich Business School; M-MBA, MIT Sloan School of Management, Boston
Equinix ist das weltweit führende Unternehmen für digitale Infrastruktur, vor allem in Form von Rechenzentren, und hat 12'000 Angestellte.
Auf Rechenzentren entfallen weltweit 3 Prozent des globalen Strombedarfs – was unternehmen Sie zur Reduktion Ihres Energiebedarfs?
Seit mehr als zehn Jahren bewegen wir uns Richtung Nachhaltigkeit. Weltweit kommen 96 Prozent unseres Strombedarfs aus nachhaltigen Quellen. In der Schweiz liegt dieser Anteil bei 100 Prozent. Und wir sind Mitglied in der weltweiten Vereinigung der Rechenzentrenbetreiber und möchten bis 2030 klimaneutral werden. Teil dieser Entwicklung ist ausserdem eine Effizienzsteigerung, die Umstellung auf Geräte, die mehr Strom sparen, sowie eine höhere Dichte der Geräte. Auch bei der Kühlung, die viel Strom verbraucht, zeichnen sich Veränderungen ab. Wir haben angekündigt, dass wir die Lufttemperatur in unseren Rechenzentren zukünftig zwei Grad höher halten werden. Sichtbar sind diese Bemühungen beim Energieverbrauch: Weltweit ist gemäss Forbes der Datenverkehr in den vergangenen fünf Jahren zwar um 440 Prozent gestiegen. Der Stromverbrauch der Rechenzentren ist in diesem Zeitraum jedoch lediglich um 10 Prozent gestiegen.
Das betrifft alles die Elektronik in Ihren Rechenzentren. Was liegt bei den Gebäuden drin?
Auch bei der Gebäudehülle lässt sich einiges erreichen, beispielsweise mit begrünten Dächern und teilweise begrünten Fassaden. Und auch die Abwärme lässt sich nutzen, zum Beispiel für Fernheizanlagen.
Können Sie die gestiegenen Energiepreise weitergeben?
Wir haben die Preise für unseren Strombedarf langfristig abgesichert. Dennoch mussten wir die höheren Energiepreise an unsere Kundinnen weitergeben. In unserem Bereich wird vieles teurer – auch die Ausrüstung.
Neue Anwendungen wie autonome Fahrzeuge erfordern sehr rasche Reaktionszeiten und dezentralere Rechenzentren.
Solche kleineren dezentralen sogenannten Edge-Rechenzentren sind ein Thema, um die Latenzzeiten sehr kurz zu halten. Viele Firmenkunden verlegen ihre eigene Infrastruktur in unsere Rechenzentren, nicht nur um ihre Investitionsbudgets zugunsten der operativen Ausgaben zu entlasten, sondern auch um hier Vorteile bei der Geschwindigkeit zu bekommen. Und sie bekommen von uns präzise Angaben zu ihrem Energieverbrauch bei ihrer IT-Infrastruktur, den diese Firmen dann für ihre eigene Nachhaltigkeitsberichterstattung benötigen.
Wenn Sie auf Ihre eigene berufliche Karriere zurückblicken – was waren Ihre wichtigsten beruflichen Meilensteine?
Ich konnte auf einer anderen beruflichen Etappe eine Zeit lang das Geschäft in Osteuropa leiten. Da musste ich sehr viel reisen und habe sehr viel über andere Kulturen gelernt. Seit sieben Jahren arbeite ich jetzt bei Equinix. Die Werte und die Kultur dieses Unternehmens entsprechen sehr den meinen – der Wechsel war die wohl beste berufliche Entscheidung meines Lebens.