Ein wirtschaftliches Umfeld mit 180 Prozent Inflation. Banken funktionieren kaum, und die wenigsten Menschen haben «richtige» Bankkonten. Der Alltag funktioniert über persönliche Beziehungen. Der Laden um die Ecke sowie die Kaffeehäuser in der Nähe sind mehr als nur Geschäfte. Sie sind wichtige soziale Treffpunkte und bilden die Basis für das Organisieren des Alltags.

Willkommen in Libanon und Irak. In einem solchen Umfeld sind Businesspläne bereits Makulatur, wenn Zahlen in Tabellen getippt werden. Toters, ein Startup, hat es trotzdem geschafft, wie sein CEO Tamim Khalfa kürzlich einem staunenden Publikum an einer Veranstaltung des Gottlieb Duttweiler Institute in Rüschlikon erzählt hat: Man hatte zunächst als Lieferdienst für Star-bucks-Kaffee angefangen – in traditionellen Kaffeehaus-Ländern. Dann kamen die Lieferungen von Big Macs und Hamburgern von McDonald’s dazu – in Richtung traditioneller Humus-Länder. Dann kamen Elektrogeräte und Spielzeug – in Märkten mit fragmentierten Kleingeschäften und wenigen Supermärkten. Und dann kamen Bezahldienste mit Kontenfunktionen – in Ländern, wo Bargeld eine grosse Rolle spielt.

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Toters wächst, beschäftigt inzwischen mehr als 500 Personen, weist eine halbe Million regelmässige Kunden auf und konnte sich im Sommer mit einer weiteren Kapitalrunde 18 Millionen Dollar unter anderem bei einer Weltbank-Tochter und einem Schweizer Investor sichern. Tamim Khalfa hat darüber hinaus drei wichtige Rezepte zur Hand, die bei der digitalen Transformation oft vergessen werden. Zunächst befragt er bei jeder Ausbaurunde die Kundinnen und Kunden: «Was wollt ihr als Nächstes?» Dann bildet er für diese Ausbauvorhaben kleine Teams, die frei vom Rest und doch eng mit KPI geführt werden. Und dann haben die Entwickler jeweils schnell reagiert. Die ersten Prototypen waren einfache Powerpoint-Mockups. Hauptsache, die Sache kann mal ausprobiert und eingeschätzt werden.

Lässt sich das Vorgehen auch auf die Schweiz übertragen? Tamim Khalfa reagiert zurückhaltend auf die Frage, denn hierzulande greifen die User auf viele einzelne, kaum untereinander verbundene Apps zurück. Die Chefs dieser Apps zielen jeweils auf die Rolle als «Orchestratoren» in ihren Ökosystemen und damit in Richtung Super-App. Keine einzige App in der Schweiz ist auf einem vielversprechenden Weg dahin. Toters ist bereits da – auch weil man hier auf die Kundschaft hört und nicht nur behauptet, dass man das macht.