Der aktuelle Umsatzrückgang im Schweizer Online-Handel öffnet vielen Händlerinnen die Augen. Die Gewinnerinnen sind vor allem Marktplätze und Plattformen. Es gibt keine Anzeichen, dass deren rasantes Wachstum demnächst zum Stehen kommt. Vielmehr entwickeln sie sich zu Technologieunternehmen, die AI-gedopte Shoppingplattformen hochzüchten. Diese Entwicklung wird durch massive Investitionen ermöglicht und vergrössert den technologischen Abstand zu den mittelständischen und kleinen Unternehmen immer weiter.
Der Autor
Martin Egli, Mitinhaber und Senior Digital Business Consultant, Carpathia, Winterthur.
Dieser Beitrag ist erstmals erschienen im «Digital Commerce Blog» von Carpathia (blog.carpathia.ch). Er wurde für diesen Fachbeitrag angepasst.
Für alle Händlerinnen, die diese Entwicklung zum Marktplatz nicht durchmachen, bedeutet dies, dass sie sich in den Ökosystemen der Marktplatzplattformen zurechtfinden müssen. Aber auch wenn sie sich von ihnen fernhalten, stehen sie mit ihnen im direkten Wettbewerb. Ohnehin besteht bei den meisten Händlerinnen ein starker Konkurrenzdruck, denn wegen einer Überdistribution werden Produkte inflationär gehandelt, und die Handelsmarge bricht weg.
Somit stellt sich die Frage, welche Möglichkeiten Händlerinnen noch haben, auf dem Markt zu bestehen. Eine Option besteht darin, sich auf einen Nischenmarkt zu fokussieren. Auf den Handel umgemünzt bedeutet das, mit einem schmalen Sortiment und einzigartigen Dienstleistungen eine Nische zu bearbeiten und so Wettbewerbsvorteile zu erreichen. Aber auch bei dieser Strategie entzieht man sich nicht ganz dem Preisdruck und muss zumindest in der Nähe von günstigeren Anbietern bleiben, sofern sie dieselben Produkte anbieten. Und genau hier liegt die Krux: Man kann als Nischenhändler zwar etwas hochpreisiger verkaufen, die Extramarge geht jedoch oft für die exklusiven Leistungen drauf.
Sortimentspolitik als Kernaufgabe
Für viele Händlerinnen gibt es deshalb nur noch eine Entwicklungsrichtung: back to the roots – also zurück zu den ursprünglichen Werten des Handels, indem sie Wert durch das Angebot von Produkten und Leistungen generieren, welche sonst nur erschwert zugänglich wären. Der Sortimentspolitik kommt wieder eine wichtigere Rolle zu, ob im Vertrieb über Marktplätze oder über Nischenshops in Verbindung mit exklusiven Zusatzleistungen. Konkret bedeutet das, dass Händlerinnen ihr Sortiment ausmisten müssen und nicht einfach alles anbieten sollten, was sie von ihrer Lieblingsgrosshändlerin erhalten.
Um dies zu erreichen, sollten Partnerschaften mit Herstellern und Brands angestrebt werden – mit dem Ziel, ein möglichst einzigartiges Produkt-Leistungs-Paket anbieten zu können. Dies dürfte in gegenseitigem Interesse sein, denn der Margenzerfall durch eine unkontrollierte Überdistribution schadet auch Herstellern und Brands. Schliesslich ist es kein Alleingang der Händlerin, sondern auch Hersteller und Brands müssen umdenken. Hersteller und Händler müssen zusammen das Kundenerlebnis maximieren, dann werden sie auch zusammen erfolgreich sein. Hersteller mit einer unkontrollierten Distribution und Händlerinnen mit kopierten Sortimenten werden nämlich beide im Alleingang scheitern.