Bei der elektrischen Energieversorgung besteht oft das Problem, dass Strom zur Verfügung steht, wenn man ihn gerade nicht braucht. Doch wohin mit dem quasi überschüssigen Strom? Wer privat in seinem Haus über eine Photovoltaikanlage verfügt, könnte theoretisch den überschüssigen Strom in das Stromnetz einspeisen oder aber das eigene E-Auto als Stromspeicher nutzen. Man kann mit der eigenen Energieversorgung das E-Auto aufladen, aber ebenso könnte der Energieinhalt des E-Autos wieder zurück in die Hausstromanlage eingespeist werden. Das Laden in beide Richtungen, das sogenannte bidirektionale Laden, macht dies möglich. Damit wird das E-Auto zu einer effizienten Lösung für die intelligente Energiespeicherung und -verteilung.
Europa hat noch Nachholbedarf
Damit die Rückspeisung in das Strom- oder Hausstromnetz auch funktioniert, braucht es eine passende Ladeinfrastruktur und spezielle Wallboxen. Das bidirektionale Laden befindet sich in Europa allerdings erst in der Anfangsphase, im Gegensatz zu Asien, dort haben die lokalen Autohersteller das System bereits kräftig gefördert. Die Vehicle-to-grid-Technologie (V2G) ermöglicht es den Stromnetzen, die zusätzliche Belastung durch das Aufladen von Millionen von E-Fahrzeugen zu bewältigen.
Für die Nutzerin einer eigenen Energieversorgung ergeben sich mit dem bidirektionalen Laden auch finanzielle Vorteile. Betreiber von eigenen Energieanlagen können die ungenutzte Energie in ihren E-Autos während den Spitzenzeiten, wenn der Strom knapp ist, verkaufen, und damit die Betriebskosten der Anlage senken. Bis sich das bidirektionale Laden auf breiter Basis durchsetzen wird, könnte es noch einige Zeit dauern. Um die Masseneinführung der V2G-Technologie im grossen Stil zu fördern, bedarf es eines starken Engagements der Energiewirtschaft und einer Verhaltensänderung bei den Verbrauchern sowie einer kontinuierlichen Digitalisierung der Stromnetze. Zudem müssen die technischen Voraussetzungen für diese Technologie geschaffen werden, und die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren in der Stromversorgung muss sich verstärken. Fachleute sind davon überzeugt, dass diese Technologie nicht nur Vorteile für die Besitzerinnen von Elektrofahrzeugen bietet, sondern auch der Gesellschaft insgesamt sowie den lokalen Energienetzen und nicht zuletzt der Umwelt zugutekommt. Die V2G-Technologie kann in Zukunft eine wichtige Rolle bei der Steuerung der Energieversorgung spielen.
Autos für das bidirektionale Laden
Die Auswahl an Elektrofahrzeugen, die bidirektional laden können, ist derzeit noch eher klein, wird aber in naher Zukunft wohl eine Erweiterung erfahren. Derzeit verfügen beispielsweise folgende Modelle die technischen Voraussetzungen für bidirektionales Laden: BYD Han, BYD Atto 3, Fiat 500 e, Fisker Ocean Sport und Ultra, Genesis GV60 und GV70, Honda e, Hyundai Ioniq 6, KIA EV6, Lexus RZ 459, MG4 und MG5, Nio EL7 und ET7, Nissan Leaf e+, Renault Megane E-Tech und VW ID Buzz.