Für das Startup Sono Motors aus München hat es nicht geklappt. Vor ein paar Wochen klang es wie die Kombination von Bankrettung und Umweltunterstützungsaktion: «Schon jetzt haben wir mit euch Unglaubliches erreicht: Mehr als 8600 Menschen haben die Save-Sion-Kampagne mit über 47 Millionen Euro unterstützt. Damit habt ihr, unsere Community, ein eindeutiges Signal an die Welt gesendet.» Bis Ende Februar sollten in einer Rettungsaktion 105 Millionen Euro gesammelt werden. Vor ein paar Tagen kam das Aus: Das Programm der Münchner wurde mit sofortiger Wirkung eingestellt, rund 300 Mitarbeitende verlieren ihren Job. «Trotz den mehr als 45 000 Reservierungen und Vorbestellungen für den Sion waren wir gezwungen, auf die anhaltende Instabilität der Finanzmärkte zu reagieren», sagte Firmengründer Laurin Hahn. Die Autokäuferinnen und -käufer sollen ihre Anzahlungen in den nächsten zwei Jahren in Raten zurückbekommen.
Alle wollen wie Tesla werden
AMP, Aptera, Coda, Faraday Automotive, Dyson, Detroit Electric – die Liste der gescheiterten Auto-Startups wird praktisch jeden Tag länger. Weil viel dieser Startups auf der Basis virtueller Präsentationen und cooler Designs substanzielle Anzahlungen von ihren Kundinnen und Kunden verlangt hatten, weit bevor jemals ein Fahrzeug ausgeliefert wurde, verlagert das die Diskussion rund um coole Autos: Der Blick auf die Bilanz ist für die zukünftige Entwicklung mindestens so wichtig wie der unter die Haube beziehungsweise ins Cockpit.
Selbst Tesla hatte im Laufe der Entwicklung immer wieder mal finanzielle Engpässe gehabt. Am Ende ging es dann doch gut – auch weil es hinsichtlich der Zinsen für die Kreditgeber eine gute Zeit war und es opportun erschien, zugunsten der langfristigen Perspektive kurzfristig flexibel zu sein. Unter Startups gilt das als «Musk-Effekt» – irgendwann muss halt der CEO richtig ran, Teile organisieren helfen und dafür sorgen, dass die sprichwörtlichen Spaltmasse gleichmässig ausfallen. Tesla arbeitet inzwischen hoch profitabel und konnte Ende Januar einen Rekordgewinn sowohl für das abgelaufene Quartal als auch für das vergangene Geschäftsjahr melden.
Für viele weitere Auto-Startups gilt das nicht – obwohl die Wetten auf die Zukunft proportional noch höher sind. Denn auch weitere Startups wie Canoo, Lucid, Nikola, Fisker und Arrival waren an die Börse gegangen, bevor das erste Fahrzeug ausgeliefert worden war. Im Nachhinein fühlten sich einige der frühen Investoren betrogen – bei einigen Herstellern wie Canoo, Lucid und Nikola interessiert sich inzwischen die Börsenaufsicht für die Ankündigungen und Versprechungen, die einst von den Unternehmen gemacht, aber dann später nicht eingehalten wurden.
Und selbst wenn die Fahrzeuge der Nischenhersteller vor den Häusern ihrer Besitzer stehen – die Mobilitätsprobleme ihrer Eigner sind damit längst nicht gelöst. Denn laut Analysten sind in der Nähe befindliche Servicestationen, Ersatzteilnetzwerke und Kompatibilität mit der existierenden Infrastruktur das grösste Problem. Selbst Grosskonzerne wie Toyota hatten es aufgrund dieser Faktoren nicht geschafft, viel versprechende neue Technologien wie Wasserstofffahrzeuge an fortschrittlichen Märkten mit aufgeschlossenen potenziellen Käufern wie in Kalifornien zu etablieren. «Coole Marken sind dann rasch einmal uncool», sagte Luis Dussan, Gründer des Softwareunternehmens Aeye für die automatische Steuerung von Autos, an der Consumer Electronic Show (CES) Anfang Januar zu den Überlebenschancen. «Denn der grösste Engpass der Startups ist die knappe Aufmerksamkeit der potenziellen Kundschaft.»