Die gegenwärtigen Stromnetze sind auf das weitere Wachstum bei erneuerbaren Stromquellen nur unzureichend vorbereitet: Gemäss einer Stellungnahme des Europäischen Rats für auswärtige Angelegenheiten sind die Netzkapazitäten zu klein und die Netze zu zentralisiert und es fehlt an zusätzlichen Verbindungen innerhalb der Netze. Hinzu kommt eine zu alte technische Infrastruktur. In Europa müsse man bis 2030 jährlich gegen 40 Milliarden Euro und bis 2050 jährlich 100 Milliarden allein in die Netze investieren, um die ambitiösen Netto-null-Ziele zu erreichen.

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In kleinerem Massstab gilt das auch für die Schweiz. Der Strombedarf soll bis 2050 in der Eidgenossenschaft gemäss Bundesamt für Energie um 32 Prozent steigen. Dies bedeutet, dass auch die Kapazität der Netze entsprechend erhöht werden muss. Dafür braucht es mehr und leistungsfähigere Leitungen, mehr Transformatoren und mehr Schaltanlagen. In der Strombranche ist 2050 zeitlich nicht weit weg – man plant und baut Netze für Zeiträume von bis zu vierzig Jahren oder mehr.

 

Dezentrale Technologien einbinden

Das Stromnetz basiert ursprünglich auf einem hierarchischen Übertragungssystem, in dem die Energie in eine Richtung von grossen zentralen Kraftwerken zum Verbraucher fliesst, heisst es seitens ABB. Mit zunehmender Erzeugung aus erneuerbaren Quellen werden immer mehr grosse, mit fossilen Brennstoffen betriebene Kraftwerke stillgelegt. Stattdessen werden grosse Solarkraftwerke oder Windparks, dezentrale Energieressourcen, Photovoltaikanlagen und verschiedene erneuerbare Energiequellen an das Verteilnetz angeschlossen, was ein darauf ausgerichtetes Netz erforderlich macht.

40 Milliarden Franken müssen bis 2030 in Europa jährlich in die Stromnetze investiert werden. Danach bis 2050 jährlich 100 Milliarden Franken.

 

Es geht darum, diese fluktuierenden Energiequellen an das Netz anzubinden und den Strom in der benötigten Form auf zuverlässige, sichere und effiziente Weise zur richtigen Zeit an den richtigen Ort zu bringen. Dabei helfe die Modernisierung und Stärkung der Netzinfrastruktur, speziell im Bereich der Verteilnetze. Gemäss ABB, wo man an einer Technologie arbeitet, die es auch ermöglicht, dezentrale Energieerzeugungsanlagen und Speichertechnologien einzubinden, benötigt man dafür sowohl Hardware, Software wie auch Ausrüstung für die Steuerung.

 

Integration von Heizungssystemen

Erneuerbare Energiequellen bringen eine zunehmende Komplexität mit wechselseitigen Abhängigkeiten mit sich, was wiederum die Gefahr von Störungen erhöht, weshalb innovative Technologien zur Elektrifizierung, Automatisierung und Digitalisierung erforderlich sind. Aus Sicht der ABB kommen dabei eine Vielzahl von Lösungen ins Spiel. Zunächst müssen erneuerbare Energien unter anderem mit leistungselektronischen Lösungen zur Umwandlung von regenerativ erzeugtem Gleichstrom in netzkompatiblen Wechselstrom eingebunden werden. Auch die Rechenzentren, die das Rückgrat der digitalen Gesellschaft bilden und die in Zahl und Grösse rasch wachsen, benötigen Technologie für eine unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV). Sie stellt einen zuverlässigen Weiterbetrieb sicher, bis eine alternative Notstromquelle die Versorgung übernommen hat. Weiter geht es um die zunehmende Zahl umweltfreundlicher Heizungssysteme wie etwa Wärmepumpen. Hier benötigt man laut den ABB-Experten Leistungsschalter, welche die Integration von Wärmepumpen ins Netz sicher und zuverlässig unterstützen. Für die Gebäude selber braucht man ein intelligentes Gebäudemanagement. Mithilfe eines intelligenten Energie- und Assetmanagementsystems, das detaillierte Analysen, Berichterstellung, vorausschauende Wartung und bidirektionale Kommunikation unterstützt, lässt sich gemäss ABB die Nutzung, Zuverlässigkeit, Effizienz und Stabilität von Gebäudesystemen verbessern.

Damit ist es aber nicht getan. Weil immer mehr Menschen auf E-Fahrzeuge umsteigen, muss auch hierfür die Infrastruktur ausgebaut werden. Hier geht es um die Anbindung an das Mittelspannungsnetz. Und um eine durchgängige Versorgung und Stabilität des Netzes zu gewährleisten, muss ein Teil des regenerativ erzeugten Stroms gespeichert werden, beispielsweise in Batteriespeichersystemen (BESS), die von ABB entwickelt werden.

«Wir benötigen für die Energiewende Techniker und Technikerinnen.» Jochen Horn, Product Marketing Director Smart Power, ABB Schweiz

 

Und auch hier kommt die künstliche Intelligenz (KI) ins Spiel. Sie gehört gemäss ABB «seit Jahren zum Alltag». Analytische KI wird beispielsweise für die vorausschauende Wartung oder für die Optimierung und Kontrolle des Energieverbrauchs von Gebäuden eingesetzt. Generative KI wird eingesetzt, um die Entwicklung durch Verkürzung der Programmierzeit zu beschleunigen.

Im Gebäudebereich setzt man KI bereits für die Spracherkennung ein, und sie wird gemäss ABB auch bei der Vorhersage des Energieverbrauchs helfen, da sie Muster erkennt und zuverlässigere Modelle auf der Grundlage interner und externer Faktoren erstellt. Weitere Bereiche, in denen man Potenzial für KI sieht, sind die Optimierung von Energiespeichern und die Benutzeroberflächen. Derzeit gibt es allein bei ABB insgesamt über einhundert KI-Projekte.

 

Ingenieure und Techniker gesucht

Und auch Talente und Skills sind wie in anderen Branchen ein wichtiges Thema. Gemäss Jochen Horn von ABB Schweiz benötigt man im Stromnetzbereich Ingenieurinnen, die sowohl über ein umfassendes Wissen in Elektrotechnik als auch über ein tiefes Verständnis von Informationstechnologien verfügen. «Gleichzeitig benötigen wir für die Energiewende aber insbesondere Technikerinnen und Techniker, die Anlagen aufstellen, anschliessen und in Betrieb nehmen», so Horn. «Hier herrscht derzeit ein grosser Mangel.»