Seit Anfang des Jahres ist das neue Stromgesetz in Kraft. Es legt die Grundlage für die zukünftige Versorgungssicherheit und Klimaneutralität, indem es ambitionierte Ausbauziele für erneuerbare Energien bis ins Jahr 2050 festsetzt. Die Photovoltaik und Windkraft sollen auf rund 45 Terawattstunden (heute ca. 10 TWh) ausgebaut werden und die 16 Wasserkraftprojekte gemäss «Rundem Tisch» könnten bis 2040 rund 2 Terawattstunden mehr Strom im Winter beisteuern.
Fest steht: Um bis 2050 klimaneutral zu werden, muss der Stromverbrauch erheblich steigen, während fossile Energieträger für Verkehr und Heizung weitgehend ersetzt werden. Und ohne Atomkraftwerke entsteht eine erhebliche Stromlücke, die geschlossen werden muss.
Laut einer aktualisierten Studie des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) in Zusammenarbeit mit der Empa wird der Strombedarf bis 2050 um 50 Prozent auf 90 Terawattstunden steigen. Die Studie prognostiziert massive Stromüberschüsse im Sommer durch den Ausbau der Photovoltaik, aber eine kritische Mangellage im Winter. In dieser Jahreszeit auf Importe zu setzen, ist allerdings riskant, da auch Nachbarländer wie Deutschland und Frankreich in Kälteperioden weniger exportieren können.
Entscheidend ist laut Studie, dass die Ziele aus dem Stromgesetz auch in der Praxis umgesetzt werden. Falls diese Pläne scheitern, wäre die Schweiz gezwungen, Gaskraftwerke im grossen Stil einzusetzen.
Eine hohe Bedeutung kommt einem Abkommen mit der EU zu. Dieses könnte die Versorgungssicherheit im Winter erheblich verbessern. Dadurch könnten mehr Importe und Exporte abgewickelt und der Bedarf an teuren Reservekraftwerken gesenkt werden. Gleichzeitig könnten die Strompreise sinken, da die Systemkosten – also Investitionen und Betriebskosten – reduziert würden.
Windkraft als Schlüsseltechnologie
Die Studie betont zudem die Vorteile der Windkraft, da sie auch bei schlechtem Wetter Strom liefert – anders als Photovoltaikanlagen, die auf Sonnenschein angewiesen sind. Die Variante «mehr Windkraft» ist laut Studie zu favorisieren. In dieser Variante rechnet das Modell den optimalen Mix von Photovoltaik und Windkraft. Die beiden Technologien ergänzen sich, haben beinahe komplementäre Produktionsmuster: Ein optimaler Mix der beiden Technologien würde nicht nur die Winterstromlücke verkleinern (auf ca. 4 TWh) und zu tieferen Systemkosten führen, sondern auch die Überschüsse im Sommer wegen weniger Photovoltaik reduzieren.
Um die noch verbleibende Lücke zu schliessen, könnten dann Gaskraftwerke eingesetzt werden. Gaskraftwerke sind flexibel einsetzbar und eignen sich daher gut als ergänzende Produktion. Um die Klimaziele zu erreichen, sollten sie klimaneutral betrieben werden (Erdgas mit CO2-Zertifikaten, CO2-Abscheidung mittels CCS oder Betrieb mit erneuerbaren Gasen).
Allerdings stösst der Ausbau der Windkraft in der Schweiz auf grossen Widerstand. Bislang gibt es nur rund fünfzig Windräder, und VSE-Präsident Martin Schwab hält es für unwahrscheinlich, dass Windenergie bis 2050 einen bedeutenden Beitrag leisten wird. Falls der Widerstand anhält, bleibt der Schweiz kaum eine andere Wahl, als verstärkt auf Gaskraftwerke zu setzen – auch weil alpine Solaranlagen ebenfalls kaum vorankommen.
Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken
Eine mögliche Entspannung der Lage könnte die Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke Gösgen und Leibstadt bis 2060 bringen. Dadurch liesse sich der Bedarf an Gaskraftwerken um die Hälfte reduzieren. Technisch wäre dies machbar, wie Beispiele aus den USA zeigen, wo Kraftwerke Laufzeitgenehmigungen von bis zu achtzig Jahren erhalten haben.
Insgesamt zeigt die Studie: Ohne den massiven Ausbau erneuerbarer Energien droht der Schweiz eine erhebliche Abhängigkeit von fossilen Energieträgern. Der Ausbau der Windkraft könnte einen entscheidenden Beitrag zur Stabilität des Energiesystems leisten – sofern es gelingt, politische und gesellschaftliche Widerstände zu überwinden.