Sie sind seit zwei Jahren CEO. Was haben Sie im Unternehmen verändert?

In den letzten gut zwei Jahren haben wir hart gearbeitet: Wir haben den Ausbau erneuerbarer Energien intensiviert und in Infrastrukturprojekte investiert. Wir haben den Bereich Infrastructure & Buildings neu aufgestellt und zurück in die Gewinnzone geführt. Und wir haben im November eine neue Unternehmensstrategie verabschiedet. Zudem haben wir uns bei den Themen Arbeitssicherheit und Compliance stark verbessert. Auch die Kommunikation haben wir gestärkt, weil die BKW eine sehr sichtbare Rolle in der Öffentlichkeit spielt.

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Dazu gehören auch Veranstaltungen mit der Bevölkerung, die Sie regelmässig organisieren und bei denen Sie sich den Fragen der Teilnehmenden stellen. Nach dem Motto: Von Trump lernen heisst siegen lernen?

Es geht darum, Verständnis für unsere Tätigkeiten zu wecken und der Bevölkerung die Gelegenheit zu bieten, direkten Kontakt zur BKW zu haben. Ausserdem können die Teilnehmenden ihre Meinung äussern oder Fragen stellen, auf die sie schon lange eine Antwort wollten.

Robert Itschner

Robert Itschner

Quelle: PD
Robert Itschner

Robert Itschner war vor seinem Eintritt in die BKW im 2022 vier Jahre lang CEO von ABB Schweiz. Zuvor war er für den Industriekonzern in verschiedenen internationalen Aufgaben tätig. So wirkte er als Leiter der globalen Business-Unit Power Conversion und als Leiter Marketing & Verkauf der Division Robotics & Motion.

 

Wo drückt denn der Schuh in der Regel?

Wir hatten einige Themen, bei denen wir uns inzwischen massiv verbessert haben. So schliessen wir neue Solaranlagen schneller ans Netz an. Auch die Rückliefervergütung für Solarstrom – also was die BKW dafür zahlt – ist ein Thema, das bewegt. Es sind sehr praktische Themen, die zur Sprache kommen. Zusätzlich gibt es viele technische Fragen, es geht weniger um Strategie.

 

Dabei haben Sie kürzlich Ihre neue Strategie vorgestellt. Welches sind die Eckpunkte?

Es handelt sich um die Weiterentwicklung der bereits bewährten Drei-Säulen-Strategie, die wir seit 2014 umsetzen. Mit den drei Geschäftsfeldern Energy Solutions, Power Grid sowie Infrastructure & Buildings bieten wir zukunftsweisende Lösungen für alle Themen der Energiewende an: von der erneuerbaren Produktion der Energie über deren Vermarktung und Verteilung bis hin zu ihrer effizienten Nutzung in Infrastrukturen und Gebäuden.

 

Womit unterscheiden Sie sich damit von anderen grossen Stromerzeugern?

Kein anderer Wettbewerber ist so breit aufgestellt wie wir. Neben den Bereichen Energie und Netz haben wir ein drittes Standbein rund um Dienstleistungen aufgebaut: Infrastruktur und Gebäude. Diese sind weniger kapitalintensiv und weniger volatil als das Energiegeschäft.

 

Gerade diesen Bereich haben Sie zuletzt restrukturiert. Was lief dort nicht rund?

Wir haben dort das Tempo etwas verlangsamt, um nach der schnellen Wachstumsphase eine stabile Basis für weiteres Wachstum zu schaffen. Prozesse wurden optimiert, Konsolidierungen vorgenommen und neue Tools eingeführt.

 

Was bedeutet die neue Strategie finanziell?

Mit diesem ganzheitlichen Ansatz über die gesamte Wertschöpfungskette der Energiewende wollen wir unseren EBIT bis 2030 auf eine Milliarde Franken steigern und investieren dafür in den nächsten sechs Jahren rund vier Milliarden CHF – die Hälfte davon in der Schweiz. Zudem strebt die BKW als Gesamtkonzern bis 2040 Netto-Null-Emissionen im Scope 1 und 2 an.

 

In was fliesst das Geld konkret?

2,5 der 4 Milliarden Franken an Investitionen fliessen in die Produktion von erneuerbarer Energie und in den Ausbau von massgeschneiderten und nachhaltigen Energielösungen für Grosskunden. Dabei stehen unter anderem Windenergie und Grossbatteriespeicher im Vordergrund, mit den Projekten Trift und Grimsel aber auch der Ausbau der Wasserkraft in der Schweiz. 1 Milliarde Franken investieren wir, um unser Verteilnetz in der Schweiz für die Transformation des Energiesystems um- und auszubauen. Rund eine halbe Milliarde setzen wir für das Geschäftsfeld Infrastructure & Buildings ein.

Rund die Hälfte Ihrer Investitionen fliesst ins Ausland. Macht Ihr Haupteigentümer, der Kanton Bern, nicht Druck, mehr in der Schweiz zu investieren?

Nein, wir investieren in der Schweiz bereits überall dort, wo es möglich ist. Allerdings sind Projekte in der Schweiz oft durch lange Genehmigungsverfahren verzögert. Unsere Investitionen im Ausland stärken auch die Schweiz, da sie die europäische Stromversorgung stabilisieren.

 

Das Argument ist also, dass eine stabile Stromversorgung auch durch das Ausland gewährleistet werden kann?

Wir müssen auch in der Schweiz mehr Strom produzieren. Aber wenn die Länder um die Schweiz herum genug Strom haben, dann ist die Schweiz ebenfalls gut versorgt. Die Stromnetze in Europa sind eng miteinander verbunden. Die Schweiz ist keine Strominsel.

BKW

Die BKW AG ist ein Schweizer Energie- und Infrastrukturunternehmen mit Hauptsitz in Bern. Ihre Haupttätigkeiten umfassen die Produktion, den Transport und die Verteilung von Strom sowie Dienstleistungen in den Bereichen Energie, Gebäude und Infrastruktur. Im Geschäftsjahr 2023 erzielte die BKW einen Umsatz von 4,6 Milliarden Schweizer Franken und ein Betriebsergebnis (Ebit) von 620 Millionen Schweizer Franken. Das Unternehmen beschäftigt über 12’000 Mitarbeitende.

 

In welchen Ländern investieren Sie am meisten?

Bei der Energieproduktion sind Italien, Frankreich und Deutschland unsere Fokusländer. Dabei geht es vor allem um Investitionen in Wind- und Solaranlagen sowie Grossbatteriespeicher.

 

Hat das Stromgesetz eigentlich bereits die Genehmigungsverfahren beschleunigt, beispielsweise bei den Wasserkraftprojekten?

Die Verfahren sind leider nach wie vor langwierig. Trotz gesetzlicher Priorisierung verzögern Einsprachen und nachfolgende Gerichtsverfahren die Projekte immer noch massiv. Hier muss die Politik Gesetze und Abläufe so anpassen, dass wir schneller werden.

 

Erfolgen die Genehmigungen in anderen Ländern zügiger?

Ja, im Ausland erfolgen die Genehmigungen viel schneller. In der Schweiz verlaufen viele Prozesse sequenziell statt parallel, was zu längeren Wartezeiten führt. In anderen Ländern werden verschiedene Genehmigungsprüfungen gleichzeitig durchgeführt, was den Prozess erheblich beschleunigt.

 

Sie setzen sehr stark auf Windenergie. Warum?

Windstrom ist in sämtlichen europäischen Plänen eine wesentliche Komponente für den Ausbau der Stromerzeugung. Die BKW hat über die letzten zwanzig Jahre in verschiedenen Ländern ein ansehnliches Windportfolio aufgebaut. Wir denken, dass dies auch für die Schweiz eine interessante Technologie ist.

 

Die BKW betreibt einen Windpark im Berner Jura. Was ist denn noch möglich in den nächsten zehn Jahren?

Das hängt von der Akzeptanz der Windanlagen in der Bevölkerung ab. Grundsätzlich gibt es in der Schweiz ein erhebliches Potenzial für Windenergie. Wir werden sicher nicht in dem Ausmass Windkraft zubauen können, wie es das Potenzial hergeben würde. Aber wenn die Schweiz im Winter etwa 1 bis 2 Terawattstunden Windstrom produzieren könnte, wäre das sehr hilfreich, um die Winterstromlücke zu reduzieren.

 

Wie viele Windräder müssten dafür aufgestellt werden?

Je nach Grösse sind es zweihundert bis dreihundert Turbinen. Das ist abhängig von der Technologie und den Standorten.

 

Welche Standorte eignen sich besonders gut?

Der Jura ist eine perfekte Region, aber in der Schweiz gibt es noch viele andere Standorte, die sich sehr gut eignen. Die Technologie hat sich so weiterentwickelt, dass sie nun mit kleineren Windstärken viel mehr Strom produzieren kann und damit effizienter ist.

 

In Deutschland bezeichnet die zweitstärkste Partei, die AfD, Windräder als «Windmühlen der Schande» und will sie wieder abreissen lassen. Auch in der Schweiz gibt es grosse Akzeptanzprobleme.

Wir kommunizieren immer wieder, was die Vorteile der Windenergie sind. Windräder sind nicht so lärmig, wie man denkt. Und auch der visuelle Eindruck ist vielleicht nicht so dramatisch, wie sich das manche vorstellen. Man muss es auch so sehen: Wenn wir Windparks schneller realisieren können, entschärft dies das Winterstromproblem stark. Und falls in zwanzig Jahren eine bessere Technologie kommt, lassen sich die Windturbinen sehr einfach rückbauen.

 

Inwiefern ist Windenergie wirtschaftlich interessant?

Von den Kosten her ist die Windenergie eine der günstigsten Technologien. Das macht sie ökonomisch interessant.

 

Wie viel verdient ein Landbesitzer durch eine Windkraftanlage auf seinem Grundstück?

Die genauen Zahlen sind kaum vergleichbar, da sie individuell aufgrund der konkreten Leistungen des jeweiligen Landbesitzers festgelegt werden. Gerade in ländlichen Regionen bieten solche Projekte den Landwirten eine gute Ergänzung des Einkommens.

 

Welchen Herausforderungen müssen Sie sich bei der BKW besonders stellen?

Neben beschleunigten Genehmigungsverfahren sind der Fachkräftemangel und der Netzausbau zentrale Themen. Zudem müssen wir Lösungen für den Umgang mit der steigenden Preisvolatilität finden, insbesondere durch mehr Speichertechnologien.

 

Dort hat sich in den letzten Jahren viel getan.

Die Batterietechnologie hat in den letzten Jahren immense Fortschritte gemacht, nicht zuletzt durch Investitionen der Automobilbranche. Die Energiedichte hat sich stark verbessert, und das hilft uns, diese Technologien effizienter zu nutzen. Im Bausektor sehen wir ebenfalls viele Innovationen, beispielsweise in der Holzbauweise. Das von uns geplante Holzhochhaus «Roots» in Hamburg ist ein gutes Beispiel dafür.

 

Zuletzt scheint auch die Zukunft des Standorts Mühleberg ein wichtiges Thema zu sein, an dem aktuell das stillgelegte Kernkraftwerk zurückgebaut wird. Gibt es schon konkrete Pläne für das Areal?

Bis 2027 müssen wir einen Vorschlag zur Verwendung des Areals nach dem Rückbau machen. Unser Ziel ist, den Standort weiterhin für die Energieversorgung zu nutzen. Er ist optimal erschlossen, hat gute Netzanschlüsse und diverse Infrastrukturvorteile. Natürlich liegt die endgültige Entscheidung nicht allein bei uns, aber wir setzen uns dafür ein, dass dieser wertvolle Standort genutzt wird.

 

Vielleicht für ein neues Gas- oder Kernkraftwerk?

Technisch wäre das möglich. Ich möchte jedoch keine Stellung beziehen für oder gegen Gas oder Atomkraft. Zunächst müssen wir zeigen, dass wir in der Lage sind, die bereits geplanten Projekte zur erneuerbaren Energieproduktion in der Schweiz umzusetzen. Danach können wir die weiteren Schritte diskutieren.

 

Aber ausschliessen würden Sie nicht, dass Kernkraftwerke zukünftig wieder eine Option werden?

Momentan setzen wir stark auf erneuerbare Energien. Dennoch entwickelt sich die Technologie weiter, und in zehn Jahren könnten wir andere Optionen haben, die wir heute noch nicht absehen können.

 

Angenommen, Sie wären Energiekommissar für die Schweiz und könnten alles entscheiden. Wie würden Sie die Schweiz energieunabhängig machen?

Eine vollständige Autarkie wäre extrem teuer und nicht zielführend. Stattdessen müssen wir den Ausbau der Erneuerbaren beschleunigen. Wir haben das Know-how und die Mittel – wir müssen nur schneller werden. Dafür brauchen wir die richtigen politischen Rahmenbedingungen.