Herzlichen Glückwunsch, Sanitas hat Platz eins bei der obligatorischen Krankenversicherung und bei zwei Zusatzversicherungen belegt. Was hat dafür den Ausschlag gegeben?
Wir blicken insgesamt auf ein erfolgreiches Jahr mit einem positiven Ergebnis und steigenden Versichertenzahlen zurück. Grund dafür ist unter anderem die Einführung unserer ambulanten Linie Vital, die zahlreiche Versicherte überzeugt hat, und unseres neuen Angebots «Individueller Prämienzusatz». Dank diesem können viele Versicherte eine Zusatzversicherung ohne Vorbehalt, dafür mit individuellem Prämienzusatz, abschliessen und sind so auch bei bestehender Krankheit voll abgesichert.
Andreas Schönenberger ist seit 2019 CEO der Sanitas Gruppe, für die er bereits von 2015 bis 2019 im Verwaltungsrat aktiv war.
In den allgemeinen Kategorien zu Vertrauen, Service, und so weiter ist Sanitas indes nicht auf den Spitzenplätzen, sondern Konkurrentin Swica. Was schliessen Sie daraus?
Das hohe Versichertenwachstum von rund 7 Prozent in der Grundversicherung war zwar sehr erfreulich, aber auch operativ anspruchsvoll. Vor allem in der ersten Jahreshälfte 2024 stellte es uns vor Herausforderungen in der Kundenberatung und der Leistungsabwicklung. Dank unseren Anstrengungen, Arbeitsabläufe weiter zu digitalisieren, konnten wir unseren Versicherten aber bald wieder den gewohnten Service bieten.
Was sind die besonderen Herausforderungen für das Gesundheitssystem in der Schweiz?
Wir sehen einige Herausforderungen: ein stark und zunehmend reguliertes Gesundheitswesen, den demografischen Wandel und die generelle Kostensteigerung, aber auch den Fachkräftemangel und den Zugang zur Versorgung. Weiter gilt es, die Einführung der einheitlichen Finanzierung (Efas) und des Tardoc gut vorzubereiten, um etwas gegen die ständig steigenden Krankenkassenprämien tun zu können.
Die Prämien steigen dieses Jahr um durchschnittlich 6 Prozent. Wie wollen Sie diesem Trend entgegenwirken?
Das Problem hat verschiedene Ursachen, beispielsweise die über 250 Spitäler in der Schweiz. Oder auch zu viele Fehlanreize, die zu Behandlungen führen, die nicht zwingend sind. Ausserdem haben wir zu wenig Transparenz bezüglich der Kosten sowie bezüglich Qualität und Nutzen. Die ist aber notwendig, damit wir alle mehr Eigenverantwortung wahrnehmen können. Zudem ist der Digitalisierungsgrad des Schweizer Gesundheitswesens viel zu tief.
Sie wollen stärker auf die Eigenverantwortung setzen. Wie wird sich das auswirken?
In der Schweiz ist die Eigenverantwortung bereits jetzt höher als in vielen anderen Ländern. Das ist die gute Nachricht. Aber – und das ist die schlechte – das reicht offensichtlich nicht. Um Eigenverantwortung wahrnehmen zu können, braucht es unbedingt mehr Transparenz bei den Leistungserbringern, denn nur so kann man auf der Basis einer Kosten-Nutzen-Betrachtung entscheiden.
Wird es zwangsläufig zu einer Einheitsversicherung kommen aufgrund des Kostendrucks und der demografischen Entwicklung?
Es wäre ein Irrtum, zu glauben, dass sich das Kostenproblem durch eine Einheitskasse lösen liesse. Im Gegenteil: Heute haben die Krankenkassen aufgrund des Wettbewerbs einen Anreiz, innovativ zu sein und die Prämien möglichst tief zu halten, das heisst, kosteneffizient zu sein. Bei einem Monopol fällt dieser Anreiz weg.
Aber die Verwaltungskosten würden sinken, wenn das System umgestellt würde…
Da bin ich anderer Meinung: Die Konkurrenz unter den Krankenversicherungen sorgt dafür, dass die Verwaltungskosten möglichst tief gehalten werden. Zudem muss man sich in Erinnerung rufen, dass die Verwaltungskosten nur einen geringen Teil der Gesamtkosten verursachen. Von 100 Franken fliessen im Schnitt gerade mal rund 5 Franken in die Verwaltung, während die Leistungskosten für Ärzte und Ärztinnen, Spitäler, Medikamente und so weiter mit 95 Franken den Löwenanteil ausmachen. In diesem Bereich ist das Sparpotenzial viel grösser.
Die Digitalisierung könnte helfen, Kosten einzusparen. Aber das elektronische Patientendossier kommt auch nicht richtig zum Fliegen. Woran scheitert es?
Das Problem ist, dass in der aktuellen Ausgestaltung des elektronischen Patientendossiers (EPD) keine strukturierten Daten abgelegt werden können. Viele sprechen auch von einem PDF-Friedhof. Zudem ist die fehlende Interoperabilität eine grosse Knacknuss. Und nicht zuletzt ist es für Spitäler oder die Ärzteschaft aufgrund fehlender Suchmöglichkeiten schwierig, sich alle Daten eines Patienten oder einer Patientin anzeigen zu lassen. Wir hoffen, dass mit der Revision des EPD-Gesetzes diese Schwierigkeiten in ein bis zwei Jahren behoben sein werden.
Und wie steht es mit dem E-Rezept? Die Einführung hat selbst in Deutschland funktioniert, nachdem sie obligatorisch wurde...
Unser Partner Medgate wird in Kürze auf das E-Rezept Schweiz umstellen. Dieses digitale Arztrezept mit QR-Code vereinfacht und beschleunigt das Ausstellen, Versenden und Einlösen von Arztrezepten für alle Beteiligten – Ärzteschaft, Versicherte sowie Apotheken. Die Einführung dieses neuen Branchenstandards stellt einen wichtigen Schritt in die Zukunft der digitalen Medizin dar und verhindert zusätzlich auch noch Fälschungen und Mehrfacheinlösungen.