Der EU-Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums fusst auf den sogenannten ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance) und er hat es in sich. Der im Zuge des Pariser Klimaabkommens vom Dezember 2015 lancierte Plan hat innerhalb relativ kurzer Zeit vier EU-Gesetzes- und Verordnungspakete auf den Weg gebracht (siehe Box). Sie dürften den europäischen Finanzsektor und damit auch den Finanzplatz Schweiz in den nächsten zwei Jahren mit erhöhtem Tempo in Richtung Nachhaltigkeit bewegen.
"Zum Thema ESG gibt es derzeit jeden Tag etwas Neues", umschreibt Markus Fuchs, Geschäftsführer der Swiss Fund & Asset Management Association (Sfama) die Dynamik. Weiterhin ein Schlüsselfaktor für den ganzen Plan sei die Taxonomie, die allgemeingültigen Referenzgrössen für die künftigen Nachhaltigkeitskriterien im Finanzsektor also. Einen Schritt weiter gekommen ist die ganze Übung mit dem am 24. Juni in Brüssel durchgeführten Stakeholder-Dialog zu Fortschritten und Ergebnissen der im Aktionsplan federführenden technischen Expertengruppe. Der Gruppe gehören derzeit 35 Stakeholder an, darunter die Swiss Re und die International Capital Market Association (ICMA) mit Sitz in Zürich. Weitere Mitglieder sind etwa AIG Europe, die KfW Bankengruppe, Luxembourg Stock Exchange und der WWF. Direktmitglieder oder Beobachter sind unter anderem die Europäische Zentralbank, die OECD sowie die UN.
"Die Taxonomie ist kein Rating für gute oder schlechte Unternehmen", lautet ein Ergebnis des Brüsseler Dialoges. Die Taxonomie mache darüber hinaus keine Aussage über die Performance eines Investments und sei keine zwingende Liste von Unternehmen, in die man investieren müsse. Schliesslich sei die zukünftige Taxonomie weder unflexibel noch statisch. "Die Taxonomie für nachhaltige Investments ist vielmehr offen für die Anwendung von verschiedenen Arten und Strategien von Investment", heisst es dazu weiter. Die künftige Taxonomie sei im Weiteren eine Liste von wirtschaftlichen Aktivitäten und relevanten Kriterien, basierend auf den neuesten wissenschaftlichen und unternehmerischen Kriterien und Erfahrungen.
Taxonomie
Der EU-Verordnungsvorschlag will die Bedingungen für ein einheitliches Klassifizierungssystem im Bereich umweltverträglicher wirtschaftlicher Tätigkeiten festlegen. Das wird als wesentlicher Schritt in den Gesamtbemühungen um Investitionen in nachhaltige Aktivitäten angesehen.
Offenlegung
Mit diesem Verordnungsvorschlag sollen institutionelle Anleger und Vermögensverwalter dazu angehalten werden aufzuzeigen, wie konkret sie die drei ESG-Nachhaltigkeitsfaktoren (Environment, Social, Governance) in ihre Risikoprozesse integrieren.
Benchmarks
Mit dem Änderungsvorschlag zur entsprechenden EU-Verordnung wird eine neue Kategorie geschaffen, die kohlenstoffarme und positiv definierte Benchmarks für die CO2-Belastung umfassen. Sie sollen es Anlegern ermöglichen, die Kohlenstoff-Belastung ihrer Investitionen besser zu verstehen.
Green Bond Standard
Derzeit läuft eine Konsultation zu Rechtsakten, die von der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID II) abgeleitet werden sowie zur Richtlinie über den Vertrieb von Versicherungsdienstleistungen. Ziel der Vernehmlassung ist ebenfalls der Einbezug von ESG-Kriterien in die Beratung von Wertpapierfirmen und von der Assekuranz für ihre Kunden. (jjs)
Was etwas trocken klingt, ist für die europäischen Finanzdienstleister durchaus zukunftsrelevant - und damit auch für den Finanzplatz Schweiz. "Die Schweiz wird keine eigenständige Taxonomie "erfinden". Dazu ist der Heimmarkt schlicht zu klein", hält Sfama-Mann Markus Fuchs fest und fügt eine kritische Bemerkung an: Zu ESG dürfe man inzwischen kaum mehr etwas Kritisches sagen. "Trotzdem denke ich, dass Investitionsobjekte und Unternehmen primär auf ihr solides Geschäftsmodell, die Qualität des Managements, die Gewinnaussichten, die Bilanzstabilität sowie den freien Cash Flow und nicht primär auf ESG geprüft werden sollen", erklärt Markus Fuchs. Selbstverständlich beinhalte die Beurteilung der ökonomischen Risiken einer Firma auch ESG-Aspekte. Ein Unternehmen, das diese Aspekte vernachlässige, dürfte auf Dauer nicht "solide" sein, so Fuchs.
Grundsätzlich ist darüber hinaus offen, wie sich die Erneuerung des EU-Spitzenpersonals und die bereits erfolgte Neuwahl des Europäischen Parlamentes auf den Fahrplan des Aktionsplanes auswirken werden. Erfahrungsgemäss braucht eine neue EU-Kommission, welche die treibende Kraft hinter dem Aktionsplan ist, mindestens eineinhalb Jahre, bis sie eingearbeitet ist und liefern kann. Ein Hinweis, dass es länger dauern könnte wie geplant, ist die Verlängerung des Mandates der technischen Expertengruppe um ein halbes Jahr bis Ende 2019.