Das Bundesinventar kritischer Infrastrukturen (SKI-Inventar) listet detailliert alle Infrastrukturelemente auf, die für das Leben in der Schweiz von entscheidender Bedeutung sind. Es umfasst insgesamt neun Sektoren, von Armee und Behörden über Energie, Entsorgung, Finanzen, Gesundheit, Information/Kommunikation und Nahrung bis zu Verkehr.

Die für das SKI-Inventar zuständige Geschäftsstelle, die beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz (Babs) angesiedelt ist, hat einen Leitfaden verfasst. Darin wird aufgezeigt, wie die Verwundbarkeit der Sektoren verringert und ihre Widerstandsfähigkeit oder Resilienz gestärkt werden kann. Was das für die einzelnen Betreiber bedeutet, zeigen die folgenden Beispiele.

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Strom: Jeder Störfall ist ein Ernstfall

Zu den systemrelevanten Infrastrukturen gehören zweifellos die landesweite Stromversorgung und damit auch die Kraftwerke und das Verteilnetz der BKW. «Ein Stromausfall hätte nicht nur finanzielle Auswirkungen auf unsere eigenen Geschäfte, sondern weitreichende wirtschaftliche und gesellschaftliche Konsequenzen», sagt BKW-Mediensprecherin Sabrina Schellenberg. Die Verantwortlichen des Stromkonzerns versuchten deshalb, Risiken und Gefahren frühzeitig zu erkennen.

Die Vorsorge der BKW stützt sich auf die drei Pfeiler Analyse, Prävention und Krisenmanagement. «Auf diese Weise versuchen wir, die identifizierten Schwachstellen möglichst zu eliminieren und die Robustheit und Resilienz der operativen Prozesse zu erhöhen», so Schellenberg. Der Stromkonzern hat alle denkbaren vorbeugenden Massnahmen getroffen und für den Ernstfall gibt es einen Krisenplan mitsamt Schutzkonzept. Die Herausforderung ist komplex, denn die BKW muss alles Mögliche auf ihrem Radar haben: extreme Wetter und Naturereignisse, technisches Versagen, Terror und Cyberattacken, menschliches Fehlverhalten und so weiter.

Obwohl die meisten der Präventionsmassnahmen längst umgesetzt sind, relativiert Schellenberg: «Null Risiko gibt es nicht.» Also existieren für alle kritischen Prozesse auch Notfallkonzepte. Sie sind darauf ausgerichtet, den Betrieb unter allen Umständen weiter am Laufen zu halten. Das Personal übt in regelmässigen Abständen die drohenden Szenarien. Im Ernstfall würde zudem der BKW-Krisenstab in Aktion treten, um die konzernübergreifenden Massnahmen zu koordinieren.

Schutz auf der Schiene

Die Bedeutung des Schienenverkehrs, der ein zentraler Faktor für die Versorgung von Wirtschaft und Bevölkerung mit Gütern und Dienstleistungen ist, unterstreichen die Zahlen der SBB: Das Unternehmen befördert täglich 1,3 Millionen Reisende und transportierte 2019 über 50 Millionen Tonnen Güter.

Intern sorgt die Abteilung Intervention mit 320 Mitarbeitenden dafür, dass der Bahnverkehr bei einer Störung möglichst wenig tangiert wird und dass danach rasch wieder alles nach Plan läuft.

Über hundert Überwachungstools kontrollieren den Bahnverkehr automatisch und rund um die Uhr. Die Zugsicherung orientiert sich am höchsten europäischen Standard ETCS-Level 2. Unter anderem transportieren die SBB jährlich rund 15 Millionen Tonnen gefährliche Güter. Um die Risiken zu reduzieren, werden die gesetzlichen Vorschriften penibel eingehalten und die Waggons automatisch dauerüberwacht. Zur Risikominimierung gehört ausserdem eine spezifische Klimawandel- und Naturgefahrenstrategie.

Der verletzliche Strassenverkehr

Die Sicherheit der rund 2300 Kilometer Nationalstrassen, die das Rückgrat des Strassenverkehrs in der Schweiz bilden, verantwortet das für den Unterhalt und Betrieb zuständige Bundesamt für Strassen (Astra). Die mit dem Risikomanagement befasste Abteilung kämpft mit einem vielfältigen Gefahrenpotenzial. Zu den Risikofaktoren gehören die Strassen mit allen Kunstbauten, die schnell altern. Auch der Verkehr selbst ist ein steter Gefahrenherd. Spezielle Aufmerksamkeit erfordern der Transport gefährlicher Güter und die Sicherheit von Tunneln. Rund 300 Kilometer des über 2000 Kilometer langen Nationalstrassennetzes sind ausserdem Naturgefahren wie Murgängen, Erdrutschen, Lawinen, Felsstürzen und Steinschlägen ausgesetzt.

Allein zum Schutz vor den Naturgefahren investiert das Astra pro Jahr im Schnitt einen zweistelligen Millionenbetrag. «Letztlich aber gibt es trotz allen Bemühungen keinen 100-prozentigen Schutz  – es bleibt immer ein Restrisiko», sagt Astra-Sprecher Thomas Rohrbach.

Nicht alles lässt sich absichern

Schränkte die Geschäftsleitung der Flughafen Zürich AG den Blickwinkel allein auf die Infrastrukturen ein, sähen sich die Verantwortlichen des Unternehmens mit einem relativ geringen Risiko konfrontiert. «Eine Zerstörung von Infrastrukturen, die lange Betriebsunterbrüche zur Folge hätte, wäre zwar sehr schlimm», meint Mediensprecherin Jasmin Bodmer-Breu. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit, dass es tatsächlich zu einer solchen Katastrophe kommt, nach Einschätzung der Experten und Expertinnen eher gering. Eine weitaus realistischere Bedrohung als ein schweres Erdbeben ist für die Infrastrukturen die an vielen Stellen lauernde Brandgefahr.

Darüber hinaus ist der Flughafen vor allem als betriebliches und organisatorisches Gesamtsystem exponiert und verwundbar. Es drohen terroristische, politische und eben auch grosse gesundheitliche Gefahren.

Hinzu kommt, dass sich der durch eine Pandemie verursachte Schaden nicht versichern lässt. Ohnehin lässt sich das Unternehmen beim Risikomanagement von der Strategie leiten, aus den Möglichkeiten zur Schadensbegrenzung die kostengünstigste auszuwählen. «Bei einem schlechten Kosten-Nutzen-Verhältnis kommen wir gar nicht darum herum, bestimmte Risiken eben selber zu tragen», betont Flughafen-Sprecherin Jasmin Bodmer-Breu.