Wie sind die Aussichten für 2024?
Was ich sicher sagen kann: 2023 wird sich so nicht wiederholen. Das ist natürlich eine relativ banale Aussage, aber ehrlich. Wer die Kristallkugel auspackt, kann nicht ernst genommen werden.
Welche wichtigen Fragen stellen sich denn auf jeden Fall?
Eine wichtige Frage ist die: Wie werden sich die Inflation beziehungsweise die Zinsen entwickeln, und welche Auswirkungen wird das haben? Auch hier eine, zumindest auf den ersten Blick, banale Aussage: Wir sollten uns auf weitere Volatilität einstellen … Nach diversen Würgegriffen – durch die Nationalbanken, die kriegerischen Auseinandersetzungen, die Pandemie und so weiter – werden wir nicht zur «heilen Welt» zurückfinden.Wir müssen die verschiedenen Zweitrundeneffekte in Betracht ziehen, also die Auswirkungen auf andere Bereiche. Weiter lohnt sich ein Blick auf die Unternehmen: Wer hat die Preismacht, wer ist von höheren Finanzierungskosten wie stark betroffen?
Viele Prognosen zur Entwicklung der Wirtschaft treffen nicht zu – wie handhabt man das? Wie erklärt man das den Kundinnen und Kunden?
Als Asset-Management-Unternehmen im B2B-Bereich müssen wir unsere Erkenntnisse und Recherchen nicht kommerzialisieren – unsere Marktmeinung müssen wir nicht verkaufen, sondern stellen institutionellen Investoren Investmentmodule zur Verfügung, damit sie mit unserer Hilfe ihre Marktmeinung bilden können. Damit sind wir beispielsweise bei Geldmarktlösungen, ETF und beim Thema Nachhaltigkeit ausgesprochen erfolgreich unterwegs.
Auf welchen Anlageklassen liegt Ihr Schwerpunkt für 2024?
Im ersten Halbjahr ist es das Fixed Income. Hier sehen wir das grösste Potenzial für Institutionelle – ähnlich wie im Jahr 2009 nach der globalen Finanzkrise.
Oft schaut man auf Veränderungen, viele Dinge bleiben aber gleich – wie sieht es hiermit aus?
Das ist natürlich richtig. Die einfachsten Regeln wie Diversifikation und dergleichen gelten weiterhin. Ich komme ursprünglich aus dem Versicherungswesen, weshalb mir das langfristige Denken am Herzen liegt. Nun, als Erstes sollte man sich eine Übersicht darüber verschaffen, wie man derzeit investiert ist und wie man diese Investitionen weiter gewichten will. Und wie es mit der Demografie aussieht. Aus dieser regelmässig zu prüfenden Analyse der Faktoren entsteht dann sowohl eine strategische Asset Allocation als auch eine taktische Asset Allocation mit der entsprechenden Unter- oder Übergewichtung.
Europa geht auf eine Rezession zu. Sind Abstriche bei der Nachhaltigkeit von Staaten und Firmen zu befürchten?
Es kommt darauf an. Nehmen wir die Schweiz: Es war das weltweit erste Land, das sich als Staat zu einem Net-zero-Ziel verpflichtet hat. Das ist ein starker Impuls. Und man muss auch sehen, dass man einen Übergang gestalten muss. Wir können uns nicht den Luxus leisten, alle fossilen Energieträger auf einen Schlag aus dem Energiemix zu nehmen und voll auf erneuerbare Formen zu setzen – noch nicht. Hier sind wir dann in einer ethischen Diskussion beziehungsweise bei divergenten Standpunkten, nicht mehr nur in einer finanztechnischen Diskussion. Man denke etwa an das Thema Kernkraft.
Name: Ariane Dehn
Funktion: Country Head bei BNP Paribas Asset Management Switzerland, Zürich
Geboren: 25. Dezember 1965
Wohnort: Kilchberg
Zivilstand: verheiratet
Ausbildung: Versicherungsfachwirtin
BNP Paribas Asset Management Schweiz Der Vermögensverwalter begleitet Privatkunden, Unternehmen und institutionelle Investoren mit Expertise, einem internationalen Netzwerk und aktiven, passiven und quantitativen Investmentlösungen. Der Fokus liegt auf fünf Kompetenzen: aktive Strategien, Schwellenländer, Private-Market-Anlagen, Multi-Asset-Anlagen und Liquiditätslösungen.
Hat BNP Paribas einen «Atomfonds» im Fächer?
Nein. Und das, obwohl wir mit unserem französischen Mutterhaus weniger Akzeptanzprobleme haben als etwa deutsche Anbieter. Gezielt investieren wir in erneuerbare Energien, gerade im Hinblick auf die bessere Nutzung und Speicherung von Energie.
Banken wie BNPP sprechen bei Nachhaltigkeitsanlagen von «Stewardship». Wie glaubwürdig ist das? Lässt sich damit Greenwashing vermeiden?
In den meisten Rankings von anerkannten NGOs sind wir regelmässig auf den vordersten Plätzen vertreten. Unsere Kundschaft prüft das auch, und wir bekommen positive Feedbacks. Ich kann behaupten, dass Nachhaltigkeit ein Teil unserer DNA ist. Aber es ist klar, ein einheitlicher Standard fehlt weiterhin, auch wenn wir auf einem guten Weg sind.
Wie sieht es mit den Artikeln 8 und 9 der Sustainable Financial Disclosure Regulation (SFDR) aus?
90 Prozent all unserer Strategien auf der liquiden Seite erfüllen entweder die Artikel-8- oder -9-Kriterien nach SFDR, dem europäischen Regulationsstandard. Wir sind einer der grössten Anbieter von Artikel-9-Strategien. Zudem sind wir bei Private-Market-Anlagen zwischen 75 und 80 Prozent SFDR-klassifiziert.
Was haben Sie in der Schweiz vor?
Wir sehen uns als One-stop-Shop für ESG-integrierte Produkte.
Gibt es Kryptowährungsprodukte?
Wir beobachten die Blockchain-Technologie, aber wir bieten keine Anlagelösungen an, und es ist auch in nächster Zeit nichts geplant.