Schätzungen zufolge sind in der Schweiz rund 10 000 Familien aufgrund einer Erbschaft zerstritten. Zwar gehört die Haltung «Über den Tod spricht man nicht» immer mehr der Vergangenheit an. Dennoch ist die Angst vor der Auseinandersetzung mit dem Tod und der Weitergabe von Vermögenswerten in vielen Fällen der Grundstein für Kontroversen unter den Erbberechtigten.
Nimmt der oder die Vererbende keine individuelle Verfügung vor, gilt als Auffangregelung das Gesetz. Allerdings ist es nur selten so, dass die gesetzliche Erbfolge tatsächlich den Bedürfnissen der Hinterbliebenen entspricht. Die gesetzlich vorgesehene Verteilung führt häufig dazu, dass die Lebenspartnerin oder der Ehegatte nicht genügend abgesichert ist, um den gewohnten Lebensstandard weiterzuführen.
Der Autor
Christian Rehefeldt ist Co-Leiter Fachzentrum Erbschaftsberatung, Raiffeisen Schweiz, St. Gallen.
Auf den guten Willen der anderen Erbenden angewiesen zu sein, erweist sich dann in der Regel als schwierig. Denn wenn es ums Geld geht, stösst die Empathie rasch an ihre Grenzen.
Individuelle Nachlassplanung lohnt sich
Mit einem Testament können hilfreiche Weichen gestellt werden. So kann der überlebende Partner im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten abgesichert oder es können Teilungsvorschriften verfasst werden, aus denen klar hervorgeht, wer ein primäres Anrecht auf bestimmte Erbschaftsgegenstände hat. Beispielsweise können die Verfügenden testieren, dass die überlebende Ehegattin ein lebenslängliches Nutzniessungsrecht an der ehelichen Liegenschaft, der Sohn die Ferienwohnung in Frankreich und die Tochter den Oldtimer erhalten soll. Diese Teilungsordnung gilt – es sei denn, die Erbenden einigen sich einvernehmlich auf eine anderweitige Zuteilung.
Oftmals reicht ein einfaches Testament aber nicht aus. Grund dafür ist insbesondere, dass im Testament die pflichtteilgeschützten Minimalansprüche der Erbenden beachtet werden müssen. Mit einem Erbvertrag unter Mitwirkung und Einwilligung der ganzen Familie schaffen die Verfügenden frühzeitig Transparenz über die Vermögensweitergabe. Zudem kann der überlebende Partner besser abgesichert werden, indem beispielsweise die Nachkommen vorerst auf einen Teil oder den ganzen Pflichtteil verzichten.
Mediation als letzter Ausweg
Im Zusammenhang mit der Planung und Verteilung des Nachlassvermögens kann auch die Bestellung einer Willensvollstreckerin viel dazu beitragen, Konflikte im Keim zu ersticken. Zum einen kann sie administrative Aufgaben übernehmen, für die die Erbenden in der Trauerphase «keine Musse» haben, zum anderen schafft sie eine professionelle und neutrale Grundlage bei empfindlichen Aufgaben. Darunter fällt etwa die Ausrichtung von Vermächtnissen oder die Inventarisierung und Schätzung der Nachlassgegenstände. Damit schafft die Willensvollstreckerin die notwendige Objektivität und erhöhte Akzeptanz des Teilungsergebnisses bei allen Parteien.
Und was tun, wenn es trotz vorausschauender Planung und der Installation eines Willensvollstreckers zum Erbstreit kommt? In der Praxis fällt auf, dass es bei Disputen in Erbgemeinschaften vielfach nicht um Geld oder materielle Dinge geht. Vielmehr spielen Ängste, Enttäuschungen, Sehnsüchte oder verpasste Chancen, die nach einem plötzlichen Umbruch der Familienstruktur zutage treten, eine zentrale Rolle. Das kann beispielsweise eine Tochter sein, die schon immer das Gefühl hatte, zu kurz gekommen zu sein. Oder der Sohn, der sich gegenüber seiner in England lebenden Schwester benachteiligt sieht, weil sie sich nie Zeit für einen Besuch beim jetzt verstorbenen Vater genommen hat.
Bei emotionsgeladenen Erbgemeinschaften genügt eine rein sachbezogene Moderation des Erbteilungsprozesses oft nicht. Die Erfahrungen der Erbschaftsberaterinnen und -berater von Raiffeisen zeigen, dass es sich in einem solchen Fall lohnt, ein Mediationsangebot in Anspruch zu nehmen. Dabei werden nicht die Positionen, sondern die wahren Interessen aller Parteien gemeinsam eruiert. Basierend darauf wird ein für alle und auf Dauer stimmiger Konsens gefunden. Es dauert im Vergleich zu Gerichtsverfahren erfahrungsgemäss deutlich weniger lang und ist in der Regel günstiger. Ein Gerichtsverfahren bringt im Unterschied zur Mediation häufig «Verliererinnen und Verlierer» auf beiden Seiten und ein stark zerrüttetes Familienverhältnis mit sich. Ein Mediationsverfahren dagegen kann im besten Fall sogar dazu führen, dass der Familienzusammenhalt besser ist als zuvor.