Frauen legen anders an als Männer. Darin sind sich Wissenschafter und Praktiker einig. Doch wie unterscheidet sich das Anlageverhalten der Geschlechter? Und wer mag damit eher punkten? Andreas Dietrich sowie Reto Wernli und Sebastian Comment vom Institut für Finanzdienstleistungen der Hochschule Luzern haben zur Klärung dieser Fragen über tausend Schweizerinnen und Schweizer befragt. Frauen haben sich dabei «deutlich risikoaverser» gezeigt als Männer. So investieren beide Geschlechter in Fonds (siehe Grafik unten). Das kostet sie Rendite. Denn mit Aktien lässt sich trotz IT-Blase, Finanzkrise und Corona-Crash langfristig am meisten Geld verdienen (siehe Artikel links Seite 28). Zu ähnlichen Schlüssen kommen viele weitere Studien – in der Schweiz in jüngster Vergangenheit etwa die Bachelor-Arbeit von Léonie Hunziker an der ZHAW School of Management and Law oder eine Studie des Vergleichsdienstes Moneyland.
Schaut man etwas genauer hin, relativiert sich das Bild: Dietrich und seine Mitautoren stellen fest, dass vor allem Frauen mit höherem Einkommen (ab 9000 Franken monatlich) vor volatileren und damit risikoreichen Anlagen zurückschrecken. In dieser Kategorie scheint der Sicherheits- und Vorsorgeaspekt stark ausgeprägt, wie auch eine neue Studie von J.P. Morgan Asset Management im deutschsprachigen Raum zeigt. Frauen mit Einkommen unter 5000 Franken riskieren ihr Geld dagegen deutlich häufiger an der Börse als Männer (57 gegenüber 40 Prozent). Die Fallzahlen sind allerdings gering – nur die wenigsten Menschen mit tiefen Einkommen kaufen Aktien.
Die breiter angelegte Moneyland-Studie kommt zum Schluss, dass Männer durch alle Anlagekategorien hindurch stärker investiert sind als Frauen. Selbst Bargeld horten sie häufiger als Frauen. Dies dürfte allerdings primär damit zusammenhängen, dass die Vermögensverteilung zwischen Mann und Frau nach wie vor sehr ungleich ist. Zudem ist es auch heute noch verbreitet, dass Männer das gesamte Vermögen verwalten, auch das ihrer Frauen. Laut Credit Suisse ist nur ein Drittel des weltweiten Vermögens in Frauenhand.
Nehmen Frauen das Heft aber selbst in die Hand, so sind sie damit durchaus erfolgreich. Dabei hilft ihnen gerade ihre Vorsicht: Internationale Studien etwa von Accenture, Axa, Flossbach von Storch oder Fidelity zeigen, dass Frauen intransparente, teure Produkte deutlich stärker meiden als Männer. Vor allem aber: Frauen handeln viel seltener als Männer. So kamen Brad M. Barber und Terrance Odean von der University of California in Berkeley bei der Auswertung von 35 000 Konten zum Ergebnis, dass Männer durchschnittlich zu 45 Prozent häufiger mit Wertpapieren handelten als Frauen. Dies reduzierte die Nettorendite bei ihnen um 2,65 Prozentpunkte pro Jahr. Bei Frauen waren es nur 1,72 Prozentpunkte. Die Online-Bank Consors kommt sogar zum Schluss, dass ihre männlichen Kunden mit durchschnittlich 17,4 Trades pro Jahr mehr als doppelt so oft mit Wertschriften handeln wie ihre weiblichen Kunden (7,6 Trades).
«Frauen recherchieren gründlicher und gehen weniger Risiken ein», sagt Léonie Hunziker. «Sie sind meist geduldiger als Männer und setzen vermehrt auf Nachhaltigkeit.» Dass den Frauen ESG- (Environmental-, Social-, Governance-)Kriterien wichtiger sind, bestätigen auch die Banken LGT und Globalance sowie Finanzdienstleister Moxie Future und Forma Futura Invest. «Frauen sind tendenziell häufiger an nachhaltigem Investieren interessiert», weiss Doris Hauser von Forma Futura. Das hat Konsequenzen, denn neuere Untersuchungen kommen klar zum Schluss, dass nachhaltige Investments leicht höhere Renditen bringen als klassische Anlagen. «Insgesamt erzielen Frauen durchschnittlich eine Mehrrendite von 0,4 Prozentpunkten jährlich», stellt Fidelity fest. Für das Superjahr 2019 hat die Bank ING gar ein Plus von 0,6 Prozentpunkten für die Frauen ausgemacht.
Doch welche Aktien kaufen Frauen konkret häufiger? Für die Schweiz fehlen die Informationen. Für Deutschland hat Consorsbank, Tochter der Grossbank BNP Paribas, die Konten von 1,5 Millionen Kundinnen und Kunden ausgewertet: Frauen wählten häufiger defensive Werte.
«Es handelt sich um Unternehmen, deren Produkte die meisten Menschen aus ihrem Alltag kennen», sagt Consors. Liebling der Männer waren dagegen spekulative Werte wie Wirecard, Technologiewerte wie Amazon oder BMW. Auch Bankaktien finden sich deutlich häufiger in Männer-Depots als in solchen von Frauen.