Wie hat sich die Region rund um den Flughafen nach der Pandemie entwickelt?
Die wirtschaftliche Entwicklung der Flughafenregion Zürich verläuft nach wie vor ausgesprochen dynamisch, vor allem durch den Ausbau und die Inbetriebnahme des Circle am Flughafen Zürich. Der Flughafen Zürich und die damit eng vernetzten Branchen wie Logistik und Hotellerie haben sich von der Pandemie erholt und bewegen sich umsatzmässig in den meisten Fällen wieder auf dem Niveau von 2019. Das Bevölkerungswachstum ist derzeit am stärksten in Bülach, Dübendorf und Kloten. Trotz der globalen Herausforderungen konnte das Ökosystem Flughafen Zürich seine wirtschaftliche Relevanz mit einer erzeugten Wertschöpfung von 7 Milliarden Franken im Jahr unterstreichen, was immerhin 4,4 Prozent des Bruttoinlandprodukts des Kantons Zürich ausmacht.
Sie sind seit elf Monaten Geschäftsführerin der FRZ Flughafenregion Zürich. Was haben Sie in der Organisation verändert?
Für mich war am Anfang wichtig, erst einmal – zusammen mit unserem Vorstand – die Strategie zu erarbeiten, die Schwerpunktthemen zu setzen und den Purpose zu definieren. Letzterer gibt Antwort auf die Frage: Warum gibt es uns überhaupt, und welchen Mehrwert bringen wir für die Mitglieder – die rund 800 Firmen und 14 Mitgliedsgemeinden der Flughafenregion? Denn darum muss es uns immer gehen: die Mitglieder so zu unterstützen und zu vernetzen, dass sie noch erfolgreicher werden. Unser Ziel an der Schnittstelle von Wirtschaft, Politik und Wissenschaft ist klar: Wir wollen die Strahlkraft der Region gemeinsam erhöhen.
Welche Schwerpunkte setzen Sie?
Die FRZ Flughafenregion Zürich möchte unter anderem die Region um den Flughafen Zürich mit ihren 14 Mitgliedsgemeinden als ICT-Region positionieren. Wichtige Ziele sind hier, die vorhandenen Kompetenzen und Ökosysteme sichtbar zu machen, um hochwertige Ansiedlungen zu generieren und auch als Region noch interessanter für hoch qualifizierte Fachkräfte zu werden. Die Flughafenregion Zürich kann in Zukunft über die Themenschwerpunkte ICT-Beratung und Implementierung für Hard- und Software, Standort für Unternehmensfunktionen, Mobilität sowie MICE positioniert werden. Besonderes Augenmerk legen wir auf die Themenschwerpunkte digitale Innovation, Nachhaltigkeit, Diversity, Mobilität, Nachwuchsförderung, Leadership und natürlich auf das Fördern unserer starken FRZ-Community!
Das sind sehr viele Schwerpunkte. Was machen Sie konkret im Bereich ICT?
Wir haben basierend auf dem Standortkonzept eines der führenden Standortentwicklers der Schweiz, Remo Daguati, eine Studie erstellt, die den Bereich der nachhaltigen ICT für Projekte priorisiert.
Und was für Projekte sind das?
Wir haben zum Beispiel einen ICT-Fachbeirat gegründet und mit diesem zusammen den Nachhaltigkeitsnavigator entwickelt. Ein gerade angelaufenes erstes Projekt ist die Kreislaufwirtschaft im ICT-Bereich.
Bei dem es worum geht?
In der Zusammenarbeit mit Partnern wie Hewlett Packard Enterprise und Klein Computer System verfolgen wir das Ziel, gebrauchter ICT-Hardware ein zweites Leben zu schenken. Indem die Hardware nach einem Upcycling wiederverwendet wird, reduzieren wir den CO₂-Ausstoss und senken den Rohstoffbedarf.
Wie gut funktioniert das Projekt?
Der Start ist gerade erfolgt, aber es haben sich schon eine Reihe von Interessenten gemeldet: Beispielsweise macht die Gemeinde Dübendorf mit und auch der national führende Versicherungsvermittler Global Sana oder die im Umwelt-Engineering tätige Firma Econetta. Unser Ziel in diesem Jahr ist, 10 bis 15 weitere Unternehmen und gern auch Gemeinden dafür zu gewinnen. Diese Firmen erhalten einen Nachhaltigkeitsreport sowie wir als Flughafenregion am Ende des Jahres einen Gesamtreport zu den erzielten Ergebnissen. Dort wird dann ausgewiesen, was wir gemeinsam als Community der Flughafenregion eingespart haben.
Wohin gehen die Geräte nach dem Upcycling? Ins Ausland?
Sie bleiben zum Teil in der Schweiz, zum Teil gehen sie ins Ausland. Das Ganze erfolgt nach sehr strengen Kriterien, die Hewlett Packard aufgestellt hat und ständig überwacht. Das Unternehmen hat eine grosse Tradition und Erfahrung im Bereich der Nachhaltigkeit. Das gibt uns die Sicherheit, dass alles entsprechend der Regulierung erfolgt.
Zur Person
Rahel Kindermann Leuthard ist Geschäftsführerin der FRZ Flughafenregion Zürich. Nebenbei leitet sie eine Beratungsfirma und tritt als Keynote-Speakerin auf. Sie ist Mutter von zwei Teenagern und in ihrer Freizeit mitunter als Pilotin mit einer Privatpilotenlizenz (PPL-A) unterwegs.
Ausbildung und berufliche Laufbahn: Rahel Kindermann Leuthard war viele Jahre als Musikerin tätig, ist Diplom-Betriebswirtin und besitzt einen Master in Leadership & Management. Sie leitete bei der Stadt Zürich die Abteilung Coaching und Bildung und arbeitete unter anderem 16 Jahre lang für den Flughafen Zürich.
Ein anderer Bereich, der Immobilienmarkt, hat für Ihre Organisation eine grosse Bedeutung, Sie organisieren auch den jährlichen Immobilien-Summit. Allerdings herrscht gerade Flaute im Büroimmobilienmarkt. Wie schlimm ist es?
Ja, der Immobilien-Summit ist eine der bedeutendsten Immobilienveranstaltungen und findet dieses Jahr am 12. Juni in «The Hall» in Dübendorf statt. Diesjähriger Titel: «Human Power – Mensch.Netzwerk.Erfolg». Und zum zweiten Teil Ihrer Frage: Ja, im Bereich der Büroräume gibt es viel Leerstand, im Gegensatz zu den Wohnimmobilien, bei denen ja eher ein Mangel herrscht. Laut Marktberichten sind die Büroleerstände in der Flughafenregion höher als im Schweizer Durchschnitt. Das ist definitiv eine Herausforderung. Was wir allerdings wissen, ist, dass die Vermietungsquote sehr stark vom Objekt abhängt. Die Vermietung im Circle am Flughafen Zürich ist beispielsweise ein Erfolgsmodell. Dort sind über 90 Prozent der Flächen vermietet.
Gibt es Themen, die Ihnen noch Sorgen bereiten?
Ein Thema beschäftigt mich immer wieder: Nämlich die Frage, wie wir uns in Zukunft vernetzen werden. Was möchten unsere Mitglieder der Zukunft? Worauf legen sie Wert? Dieses Thema müssen wir ganz eng begleiten. Und natürlich gilt es, für unsere Stakeholder da zu sein und sie täglich in ihren Belangen bestmöglich zu unterstützen. Aber bei all dem kann sicher auch KI in Zukunft noch mehr unterstützen!
In welche Richtung denken Sie?
Als Netzwerk müssen wir unvergessliche Erlebnisse mit einem hohen Mehrwert bieten. Daher gilt auch für Veranstaltungen: Qualität vor Quantität. Wir müssen einen echten Nutzen bieten, vor allem inhaltlich, da die Leute immer weniger Zeit haben und diese immer gezielter einsetzen. Und um die relevanten Themen zu finden, haben wir unter anderem verschiedene Beiräte für die Mitglieder gegründet, die uns bei der Themenfindung – wie etwa für den Immobilien-Summit – tatkräftig unterstützen. Ebenso wichtig: Die FRZ hat zwei Hüte auf – Wirtschaftsnetzwerk und Standortentwicklung. In der Standortentwicklung geht es darum, die bestehenden Firmen in der Flughafenregion zu halten und neue Unternehmen sowie Fachkräfte anzulocken. Und dafür ist die Region hervorragend positioniert – in dieser zentralen Lage und mit der Nähe zu Hotspots, die künftig noch wichtiger werden: der Innovationspark Zürich in Dübendorf, The Circle am Flughafen Zürich oder auch das Digital Health Center in Bülach.