Richtig gute Suppen bleiben in Erinnerung: Sie bescheren dem Gaumen Geschmacksexplosionen und stimmen subtil auf das weitere Menu ein. Einen besonderen Platz haben Suppen in einem Festtagsmenu, etwa wenn sie mit Trüffeln, Morcheln, Sherry, Rahm oder Kräutern verfeinert sind. Ob püriert, abgesiebt oder stundenlang geköchelt – die Suppe ist unauffällige Nebendarstellerin auf jeder Tafel, kann aber auch zum Star einer gemütlichen Tafelrunde werden.

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Die Suppe hat viele Gesichter: Sie wurde im Laufe der Zeit ebenso im edlen Porzellan königlicher Tafeln serviert wie in Suppenküchen, wo mittellose Menschen eine günstige Mahlzeit erhalten. Dass die Menschen seit eh und je Suppe löffeln, zeigt sich auch am Sprachgebrauch: Das Wort Suppe wird in der deutschen Sprache seit dem 14. Jahrhundert verwendet und bezeichnete ursprünglich eine flüssige Speise mit Einlage oder eine eingetunkte Schnitte.

Gemessen am potenziellen Genussfaktor gebührt der Suppe mehr Aufmerksamkeit. Zwar hat sich die Suppe inzwischen zum winterlichen Takeaway-Gericht entwickelt und wird in Bäckereien und Cafés als wärmende kleine Mahlzeit angeboten. Doch wer nimmt sich heute noch die Zeit, eine Suppe von Grund auf nach alter Schule zuzubereiten? Das Ansetzen, Einkochen, Abschäumen, Passieren und Abschmecken von Suppen ist heute etwas in Vergessenheit geraten.

Ein echtes Standardwerk über Suppen

Der gelernte Koch und Journalist Romeo Brodmann wollte nicht zulassen, dass das Wissen der klassischen französischen Suppenköche verloren geht. «Heute ist alles abgekürzt und vereinfacht, selbst in Lehrbüchern», sagt Brodmann. «Es war noch nie so populär, zu kochen, wie heute; gleichzeitig wissen so viele so viel weniger als früher.» Das Kochen sei in den Medien präsent wie nie – in TV-Sendungen und mit Kochbüchern – und gleichzeitig würden in der Schweiz so wenige Köche und Köchinnen ausgebildet wie nie zuvor.

Brodmann recherchierte, reiste, begab sich in Archive und schrieb ein 400 Seiten starkes Standardwerk über Suppen. Darin beleuchtet er die Herkunft der Suppen als urtümlicher Bestandteil der Ernährung und baut mit unzähligen Rezepten das Grundgerüst auf, mit dem jede nur erdenkliche Suppe nachzukochen ist. Dazu gehören weltbekannte französische Suppen wie die Bouillabaisse, aber auch Grundrezepte für klare Suppen, Consommés (Kraftbrühen), gebundene Suppen, Püreesuppen, Rahm- oder Crèmesuppen, Samtsuppen oder Gemüsesuppen.

Seit 5000 Jahren Suppen

Die Rezepte stammen aus einer Zeit, in der Suppen noch nicht den Einheitsgeschmack der heutigen Fertigsuppen oder gekauften Bouillons hatten, sondern mit viel Fachwissen, Sorgfalt und Zeit zubereitet und gekocht wurden. Brodmann wollte die Rezepte festhalten, wie sie vor rund 120 Jahren bekannt waren und heute teils vergessen gegangen sind. 1903 schrieb der damalige Starkoch Auguste Escoffier den «Guide Culinaire». Doch was fasziniert Brodmann am Thema Suppen? «Die mehrere tausend Jahre alte Geschichte der Suppen. Ausgegrabene Suppentöpfe können in Mitteleuropa bis 5000 Jahre zurückdatiert werden.»

Die Suppe in der heutigen hochstehenden kulinarischen Form sei jedoch eher eine junge Entwicklung. Im 19. Jahrhundert diskutierten französische Gastronomen sogar darüber, ob eine Suppe überhaupt in ein Menü der gehobenen Gastronomie gehöre. Romeo Brodmann: «Die breiigen und die gebundenen Suppen sowie die Püreesuppen waren ein Armeleuteessen, mit denen man sich nicht auf eine soziale Stufe stellen wollte.» Trotz solchen Vorbehalten wurde die Suppe schliesslich in das klassische 13-gängige Menugerippe der französischen Küche aufgenommen, und zwar zwischen dem «hors d’œuvre froid» und dem «hors d’œuvre chaud». Als Gegensatz zur kalten Vorspeise musste die Suppe kochend heiss serviert werden.

Die Mutter aller Suppen

Die Geschichte der Suppen ist auch eine Rückschau in eine Zeit, in der sich niemand Foodwaste leisten konnte. So verwendete man bis ins 20. Jahrhundert das Wasser, in dem Blut- und Leberwürste oder Siedwürste gekocht wurden, als Basis für eine Suppe. Brodmann: «Auch das Spätzliwasser warf niemand weg, denn es enthielt Stärke.» Was ist seiner Meinung nach das Geheimnis einer guten Suppe? Es gebe keines, ausser dass die Grundlagen stimmen müssten: «Wenn man den Fonds falsch ansetzt, kommt die Suppe nicht gut.»

Der grösste Teil des Buches widmet sich den Rezepten, die sich an Profis und interessierte Laien richten. Stundenlang in der Küche stehen für eine Suppe – das setzt bei Nichtprofis eine gute Portion Leidenschaft und Interesse voraus. Die Rezepte, die systematisch aufgebaut und zum Teil Schritt für Schritt mit Bildern dokumentiert sind, laden zum Nachkochen ein. Zum Beispiel der «Kleine Suppentopf» (Petite Marmite) mit Rindfleisch, Ochsenschwanz, Markknochen, einem Suppenhuhn und viel Gemüse. Gemäss Romeo Brodmann ist sie die «Mutter aller Suppen der Haute Cuisine». Auch wer schon immer einmal eine gratinierte Lyoner Zwiebelsuppe oder eine Samtsuppe aus Wildgeflügel kochen wollte, kommt auf die Rechnung.

Blumenkohl, Lauch und Miso

Ein grosses Kapitel widmet sich den Suppeneinlagen und -beilagen wie Julienne und Brunoise, Leberklösschen, -Nocken, Maultaschen oder Pastetchen. Spannend sind immer wieder Detailinformationen am Ende jedes Rezeptes wie jene, dass Gemüsesuppen in der klassischen französischen Küche keineswegs vegetarisch waren, sondern mit Speck zubereitet wurden. Das Buch enthält aber auch zahlreiche fleischlose Rezepte wie etwa die Blumenkohlsuppe (Purée Dubarry), Lauchrahmsuppe (Crème de Poireau) und die japanische Misosuppe. Das Kapitel «Nationalsuppen» widmet sich den Suppen, die nicht in das Schema der französischen Küche passen und früher etwas despektierlich «ausländische Suppen» genannt wurden.

Provenzalische Suppe mit gekochtem Wasser

Rezept Zutaten für 2 Liter Suppe:

2 l Wasser

12 Knoblauch-zehen, geschält, zerdrückt

25 g Salz

1 Zweiglein
Salbei

1 dl Olivenöl

5 weisse Pfefferkörner, zerrieben

10 Brotscheiben

3 EL Petersilie, gehackt

 

Wasser, Knoblauch, Salz und Olivenöl in eine Kasserolle geben und aufkochen. Olivenöl, Pfeffer und Salbei zugeben und 8 Minuten köcheln lassen. Die Brotscheiben mit wenig Olivenöl beträufeln, pfeffern und im heissen Ofen 1 bis 2 Minuten backen. In einer Suppenschüssel anrichten, mit Petersilie bestreuen und mit der Suppe übergiessen.

Alternative mit pochierten Eiern: Das Wasser unter dem Siedepunkt halten und ein Ei nach dem anderen in einer Kaffeetasse aufschlagen und sorgfältig in die Suppe gleiten lassen. Das Eigelb muss flüssig bleiben und das Eiweiss wachsweich.