Das sechsstöckige Haus an der Limmat in Höngg, Ecke Am Wasser und Europabrücke, ist auf den ersten Blick alles andere als klein, steht aber dennoch etwas unscheinbar da. Der heutige «Hönggerhof» ist typisch für seine Zeit: Er wurde 1896 erbaut und symbolisiert die damalige urbane Entwicklung ausserhalb des Stadtzentrums. Auf Eingangsstufe gab es fast immer ein Speiselokal, einst unter dem Namen «Limmathof» und dann jahrelang «Hönggerhof». Leider aber über lange Zeit erfolglos, vor allem in den Jahren vor dem letzten Umbau.
Die Symbiose von Besitzer, Innenarchitekt und Pächter
Seit einem Jahr weht ein neuer Gastro-Wind durch Höngg, ausgelöst vom Pächterehepaar Tami und Giovanni Pecoraro. Beide sind schon länger im Geschäft und führten unter anderem das geschichtsträchtige «Haus zum Rüden» in Zürich am Limmatquai. Francesco Nucera besitzt die Immobilie und liess sie ab 2017 komplett renovieren. Die für den Innenausbau des Restaurants mandatierte Firma Estimo leistete ganze Arbeit: Die ehemalige Dorfbeiz erstrahlt ruhig und elegant im skandinavischen Stil, mit hellem Holz und weissen Wänden. Die Fenster Richtung Limmat reichen bis zum Boden und lassen die Mittags- und Nachmittagssonne hinein. Die fünfzig bis sechzig Plätze verteilen sich auf geräumige Tische, die untereinander einen grossen Abstand aufweisen.
Dass das Ehepaar Pecoraro jetzt den «Hönggerhof» führen darf, kann es sich selbst zuschreiben: «Meine Frau und ich wollten einmal das Lokal kennenlernen, konsumierten dann hier und verliebten uns in die Atmosphäre. Wir fühlten uns sofort wohl und fragten nach, ob wir die Pacht übernehmen könnten.» Das hat funktioniert – zusammen mit vielen Mitarbeitenden, etwa Chefkoch Marco Gehrig, mit denen man schon in der Vergangenheit zusammengearbeitet hat.
Die Lage des «Hönggerhofs» ist nicht exponiert, Laufkundschaft gibt es praktisch nicht. Also müssen die Betreiber schon ziemlich gut kochen können und ihr Angebot authentisch verpacken, damit sie, über Mund-zu-Mund-Werbung, eine Stammkundschaft aufbauen können. «Mit Mainstream-Küche könnten wir hier nicht überleben», reflektiert Pecoraro. Das Resultat ist eine persönlich gefärbte mediterrane Karte und ein ebenfalls mediterranes Weinangebot, alles nicht ganz billig und dennoch mit einem perfekten Preis-Leistungs-Verhältnis.
Kleine Karte
Das Angebot ist nicht umfangreich, man bietet je etwa vier Pasta-, Fisch- und Fleischgerichte an, aber mit genügend Alternativen. Und dann kommen sie, diese unglaublichen Ravioli bolognese. Schon im 14. Jahrhundert wurden im venezianischen Kochbuch «Libro per cuoco» gefüllte Teigtaschen namens Ravioli erwähnt. Eine Variante sprach von Füllungen mit grünen Kräutern, Ei und frischem Käse.
Als eigentlich einfaches Gericht sind die Teigtaschen mit Rindsbolognese, Thymian-Nussbutter und Belper Knolle gefüllt. Die Knolle ist ein Rohmilchkäse aus dem bernischen Belp. Die genaue Mischung der Raviolifüllung bleibt das Geheimnis von Chefkoch Gehrig, aber wie anmächelig er es präsentiert, sieht man auf dem Bild, hier als Vorspeise für 25.50 Franken – oder für 8 Franken mehr als Hauptgang.
Als Weinliebhaber kann Giovanni Pecoraro eine zu den Ravioli passende Empfehlung abgeben: «Sie kommt aus dem Weingut Agostino Pavia e Figli in Agliano Terme im Piemont. ‹La Marescialla 2019› ist ein sehr konzentrierter und dichter Barbera, mit tiefem Rubinrot und würzigen Aromen aus Vanille und Früchten.»
Die erfolgreiche Mund-zu-Mund-Propaganda lockt am Mittag eher Geschäftsleute aus Zürich-West und Altstetten in den «Hönggerhof», abends eher Privatpersonen aus Engstringen, Höngg und Wipkingen. «Wir schenken jedem Besuch unsere Gastfreundschaft und behandeln alle Gäste wie Freunde», ist das Motto der Gastgeber. Das haben wohl auch die Tester des Restaurantführers «Gault Millau» so empfunden. Sie vergaben dem «Hönggerhof» schon im Startjahr 14 Punkte – das gibt zwei Kochmützen für die Werbung. «Seit der Bekanntgabe hat die Nachfrage nochmals zugenommen, viele Gäste sind einfach neugierig, aber wir können alle zufriedenstellen. Und Ravioli bolognese hat es mehr als genug.»
Der «Hönggerhof» öffnet dienstags bis samstags, am Samstag nur abends. Aber man sollte frühzeitig reservieren, denn laut Giovanni Pecoraro ist man abends meistens ausgebucht.