Der kleine Petersilienzweig am Tellerrand im Restaurant ist etwas aus der Mode gekommen, andere Kräuter trumpfen heute dafür umso mehr auf. Ihre Statistenrolle haben aromatische Küchenkräuter abgelegt, denn sie können viel mehr als nur gut aussehen. Beispielsweise sind viele von ihnen reich an Vitaminen und ätherischen Ölen. Eigene Kräuter auf dem Balkon oder Fensterbrett sind nicht erst seit dem Urban-Gardening-Trend beliebt. Auch immer mehr Restaurants haben ihren eigenen Gemüse- oder Kräutergarten, im Hinterhof mindestens einige Kräutertöpfe, oder sie stellen den Basilikum oder Thymian gleich töpfchenweise auf den Tisch, damit die Gäste davon abzupfen können.
Im schweizerischen Standardwerk «Fülscher-Kochbuch», das in den 1920er-Jahren erstmals gedruckt und seither immer wieder aufgelegt wurde, sind bereits sechzehn verschiedene Kräuter festgehalten: Basilikum, Bohnenkraut, Boretsch, Dill, Estragon, Kerbel, Liebstöckel, Majoran, Oregano, Melisse, Pfefferminz, Petersilie, Schnittlauch, Rosmarin, Salbei und Thymian. «Durch ihren grossen Gehalt an ätherischen Ölen, Vitaminen und Mineralstoffen erhöhen vor allem die frischen Kräuter den Geschmacks- und Nährwert sowie die Verdaulichkeit unserer Speisen», hielt die Kochschulleiterin und Autorin Elisabeth Fülscher fest.
Den letzten Schliff verleihen
Weiter riet Fülscher, es sei ratsam, nur wenig von den Gewürzkräutern zu verwenden, da sie einen starken Eigengeschmack haben. Im Kochbuch ist neben Rezepten für Kräuterknöpfli, Kräuterbutter und einer Kräuterfüllung für Kalbsbrust auch das Rezept eines schlichten Löwenzahnsalates zu finden. Kein Wunder – lange Zeit gehörten auch Wildkräuter fest zu unserem Speiseplan. Nicht zuletzt weil sie kostenlos zu haben waren. Zunehmend entdecken auch die Gourmetköche von heute die breite Palette von Kräutern und Wildkräutern wieder. Auf der Rigi gibt es ein ganzes Hotel, das sich dem Thema verschrieben hat. Im Garten des Kräuterhotels Edelweiss wachsen rund 400 verschiedene Kräuter.
Auch Silvio Germann, Chefkoch des Restaurants Mammertsberg in Freidorf TG, liebt Kräuter: Sein persönlicher Favorit ist Zitronenverbene. Der 34-jährige Küchenchef, Geschäftsführer und Co-Owner ist gerade mit 16 Gault-Millau-Punkten und dem Prädikat «Koch des Jahres 2024» ausgezeichnet worden. Auch Sauerampfer steht bei ihm ganz oben auf der Liste. «Die Säure passt perfekt zu Fisch oder Gemüse», so Germann. Er liebt es, im Sommer in den Garten zu gehen und frische Kräuter zu zupfen, weil sie jedem Gericht den letzten Feinschliff gäben und auch bei Ansätzen für Saucen unschlagbar seien.
Eines seiner Lieblingsrezepte ist eine Kräuter-Vinaigrette. Silvio Germann und sein Team verwendet sie häufig für rohen oder leicht gegarten Fisch. Sie ist ganz einfach zuzubereiten: Verschiedene Kräuter gut mixen, mit etwas Bouillon, Zitronensaft und ein wenig Essig gut abschmecken und einen Schuss Öl dazugeben.
Silvio Germann: «Diese Vinaigrette kommt sehr leicht daher, und ihre Frische ist unschlagbar.» Im Spätsommer trocknet er die letzten Kräuter, um gut durch den Winter zu kommen.
Die Kochbuchautorin Meret Bissegger greift im Winter ebenfalls auf getrocknete Kräuter zurück. «Mediterrane Kräuter wie Thymian, Oregano, Majoran und Bohnenkraut schmecken trocken fast besser als frisch, denn sie sind im besten Moment gepflückt und professionell getrocknet worden», erklärt die im Tessin lebende ehemalige Wirtin. Einzig Basilikum schmecke in getrockneter Form weniger gut als frisch, deshalb friert sie es in Portionen ein. «Wenn man Basilikum gefroren in eine Sauce gibt, hat er ein ähnliches Aroma wie der frische», sagt Meret Bissegger. Im übrigen wachsen Rosmarin, Salbei und Petersilie auch im Winter noch in ihrem Garten.
Ein Mantel aus Gundelrebe
Bekannt geworden ist Meret Bissegger aber vor allem als Wildpflanzenspezialistin. Sie bezeichnet sich selbst als grosse Liebhaberin der natürlichen Küche, engagiert sich in der Slow-Food-Bewegung, gibt Kochkurse und kocht regelmässig Tavolatas in ihrer Casa Merogusto in Malvaglia TI. Von allen wildgewachsenen aromatischen Kräutern ist ihr die Gundelrebe das liebste. Mit deren kleinen Blättern und Blüten ummantelt die Köchin gerne Bällchen aus Frischkäse – ein Klassiker aus ihrem Kochbuch «Meine wilde Pflanzenküche» (erschienen im AT Verlag). Darin gibt sie Tipps für das Sammeln und Bestimmen von essbaren Wildpflanzen.
Ausserhalb der Stadt auf wilden Wiesen oder trockenen Rebhängen lassen sich beispielsweise wilder Thymian und wilder Schnittlauch finden. Die Grundrosette von Löwenzahn oder Gänsedistel sind auch im Winter auf Wiesen anzutreffen und verleihen einem Wintersalat ein wenig Grün und Vitamine.
Kräuter und Wildkräuter Im botanischen Sinn handelt es sich bei Kräutern um krautige, nicht verholzende Gewächse (zum Beispiel Basilikum) oder um Halbsträucher, die nur an der Basis verholzen (etwa Salbei, Rosmarin und Thymian). Wildkräuter sind Kräuter, die nicht gezielt angepflanzt wurden, sondern frei in der Natur (oder als «Unkraut») im Garten wachsen und dort gesammelt werden, zum Beispiel Bärlauch, Brennnessel, Löwenzahn und Sauerampfer.
Kräuter in der Küche Welche Kräuter zu welchem Gericht passen, ist Geschmackssache, aber mit bestimmten Gerichten harmonieren einige Kräuter ganz besonders. So ergänzt Rosmarin kräftige Fleisch-, Fisch- und Kartoffelgerichte. Ein mitgegarter Rosmarinzweig verleiht klassischer Tomatensauce eine aromatische Note. Thymian schmeckt dank seiner Vielseitigkeit gut zu Gemüse- oder Fleischgerichten.
Bekannte Gerichte mit Salbei Das sind Saltimbocca alla romana oder Pasta burro e salvia (mit Butter und Salbei). Schon fast in Vergessenheit geraten ist das alte Schweizer Rezept für Salbeiküchlein (Müsliblätter), bei dem Salbeiblätter in einem Teig geschwenkt und in Öl ausgebacken werden. Ein Küchenklassiker ist das Bouquet garni: Dafür bindet man je ein Zweiglein Rosmarin, Thymian und Salbei mit einer Schnur zusammen und köchelt es in Schmorgerichten mit.
Schnittlauch, Petersilie und Basilikum Sie passen zu vielen Speisen und entfalten ihren Geschmack am besten, wenn man sie kleingehackt kurz vor dem Servieren über die Gerichte streut. Das Sommerkraut Basilikum spielt auch die Hauptrolle bei Pestos, Tomatensalat oder auf der Pizza und schmeckt am besten roh oder ganz kurz mitgegart. Auch Oregano darf in der italienischen Küche nicht fehlen, wo er etwa feine Tomatensaucen, Käse oder Grilladen aromatisiert. Der verwandte Majoran kann auch gut mit anderen Kräutern kombiniert werden.
Koriander Er unterstützt durch sein eigenwilliges exotisches Aroma asiatische und orientalische Gerichte wie Currys oder Suppen. Dill passt hervorragend zu Fisch, Gurkensalat und Quarksaucen – etwa als Begleitung von Ofenkartoffeln. Hierzulande weniger verbreitet ist der Estragon, der in der französischen Küche geschätzt wird: Er kommt mit Fisch, Geflügel oder Artischocken gut zur Geltung und sollte sparsam dosiert werden, weil er geschmacksintensiv ist.
Haltbar machen Frische Kräuter lassen sich getrocknet, in Öl eingelegt oder in gefrorenem Zustand konservieren. Praktisch sind eingefrorene Kräuterwürfel: Dazu zerkleinert man die Kräuter wie Thymian, Salbei, Rosmarin oder Basilikum, übergiesst sie mit etwas Wasser oder Öl, gibt sie in Eiswürfelbehälter und lässt sie im Tiefkühlfach gefrieren. So hat man bei Bedarf eine Portion Kräuter zur Hand. Kräuter sollten immer mit scharf geschliffenem Werkzeug (Messer, Wiegemesser oder Schere) geschnitten werden, damit die Zellen nicht beschädigt werden und kein Mus entsteht.
Rezept
Eine gute Salsa verde ist etwas sehr Einfaches und passt super zu Fleisch und angebratenem Gemüse.
20 g Petersilie
8 g Sardellenfilets
1 EL Kapern
1 EL feingehackte Zitronenzeste
1 grosse Prise Chiliflocken
1 Knoblauchzehe
150 ml Olivenöl «extra vergine»
Feines Meersalz
1 EL Balsamico bianco
- Petersilie und Sardellenfilets fein schneiden
- Mit fein geschnittenen Zitronenzesten, Kapern und Chiliflocken in einer kleinen Schüssel gut vermischen
- Knoblauchzehe schälen und mit der Microplane-Reibe fein reiben
- Olivenöl dazugeben, gut umrühren und salzen