Der übermässige Einsatz von Antibiotika und anderen antimikrobiellen Präparaten hat zum vermehrten Auftreten arzneimittelresistenter Mikroben geführt. Verbreiten sich diese «Superbakterien» weiter, ergeben sich auch bei einfachen Infektionen und Routineeingriffen Gefahren.
Forschungsergebnisse lassen darauf schliessen, dass über die Hälfte der bisher bekannten humanpathogenen Krankheiten durch den Klimawandel verschlimmert werden können. In einer wärmeren Welt mit häufigeren extremen Wetterereignissen und einer geringeren Artenvielfalt werden die Menschen vermutlich neuen Krankheitserregern ausgesetzt sein. Unsere Abhängigkeit von antimikrobiellen Mitteln als schnelle Lösung bei Infekten könnte dazu führen, dass uns wirksame Behandlungen fehlen.
Die Autorin
Abigail Herron, Global Head of ESG and Strategic Partnerships, Aviva Investors Schweiz, Zürich.
Bislang gibt es kein internationales wissenschaftliches Organ, das die Verwendung antimikrobieller Mittel beaufsichtigt, und in den wichtigen multilateralen Abkommen wird der Antibiotikaresistenz (Antimicrobial Resistance, AMR) keine Beachtung geschenkt. AMR nicht zu berücksichtigen, ist ein grosses Versäumnis auf staatlicher und Unternehmensebene. Ebenso wie bei der Klima- und der Biodiversitätskrise sind auch bei AMR bessere globale Governance-Mechanismen erforderlich, um angemessen auf sie reagieren zu können. Dazu muss die gesamte Bevölkerung miteinbezogen werden, insbesondere Investoren sollten ihr vermehrt Aufmerksamkeit schenken.
Letztere müssen darauf aufmerksam gemacht werden, dass sie bei Unternehmen erheblichen Risiken ausgesetzt sind, wenn diese nicht erkennen, wie schnell AMR zunimmt, welche Auswirkungen sie hat und dass Risiken für diejenigen entstehen, die nicht auf strengere Vorschriften beim Einsatz antimikrobieller Mittel vorbereitet sind.
Der Finanzsektor alleine kann es nicht
Zwar spielen Investoren eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, die Risiken der industriellen Landwirtschaft, der gewerblichen Abwasseraufbereitung und der Pharmaindustrie aufzuzeigen, doch sind für einen systemischen Wandel umfassende Massnahmen erforderlich. Ein solch grosses Risiko kann vom Finanzsektor alleine nicht getragen werden. Es bedarf einer Sensibilisierung der Öffentlichkeit, einer besseren Überwachung und Diagnostik, eines One-Health-Ansatzes und Investitionen in neue antimikrobielle Mittel im Rahmen einer sorgfältig konzipierten Regulierungsstruktur. Dabei könnte es sich um eine einmalige Gelegenheit handeln, Verhaltensmuster neu zu gestalten, wertvolle Ressourcen schonender zu nutzen und Fortschritte im Umgang mit AMR zu erzielen.
Vor dem Hintergrund der Klimaerwärmung und des Artensterbens fordern wir zur Bekämpfung von AMR
1. ein internationales Gremium aus Wissenschaftern nach dem Vorbild des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change), das sich AMR annimmt;
2. ein vorbeugendes Verwendungsverbot von Antibiotika in landwirtschaftlichen Lieferketten und zur Wachstumsförderung nach dem Vorbild des Montrealer Protokolls;
3. die globale Vorreiterrolle der G7-, G20- und G77-Staaten;
4. einheitliche nationale Massnahmen, bei denen die Regierungen den verantwortungsvollen Umgang mit antimikrobiellen Mitteln in die Entscheidungen zu Gesundheit, Wirtschaft, Handel und Finanzen sowie ins Recht implementieren;
5. strengere Standards und Durchsetzung in Sachen Wasserqualität für Abwasser aus Verwendung und Produktion von Antibiotika in Gewässern und Badegebieten, unter Berücksichtigung der Standards der AMR Industry Alliance.