Es ist dramatisch: In der Schweiz sind 90 Prozent aller Moore und Feuchtgebiete sowie 95 Prozent der Trockenwiesen verschwunden. Damit fehlen natürliche Lebensräume für zahlreiche Tiere, Pflanzen und Bodenmikroorganismen. Wie Bernhard Schmid, emeritierter Professor für Umweltwissenschaften am Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften der Universität Zürich, erklärt, sind die Haupttreiber für diesen Biodiversitätsverlust die Ausdehnung urbaner, industrieller oder landwirtschaftlicher Gebiete sowie der Nährstoff- und Pestizideintrag, unter denen zahlreiche Lebewesen leiden.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Auch viele Subventionen würden bodenschädigende Aktivitäten fördern. Zudem werde der Klimawandel negative Auswirkungen auf die Biodiversität haben: «Da die Treiber des Biodiversitätsverlustes die gleichen sind wie für den Klimawandel, müssen beide gemeinsam angegangen werden», sagt Schmid. Immerhin habe die Schweiz eine höhere Biodiversität als vergleichbare Länder in Europa, was mit einem besonderen Bedarf an Schutzmassnahmen einhergehe. Dies betreffe auch die genetische Diversität von Nutztieren und Nutzpflanzen. Besonders Insekten würden in der Schweiz besser wegkommen als in einigen EU-Ländern, was wohl mit dem ökologischen Ausgleich zu tun habe.

Biodiversität vor der Haustür fördern

Unzählige Bienenhotels an Hausfassaden zeigen, dass die Förderung von Biodiversität in der Schweizer Bevölkerung viel Sympathie geniesst. Dieser Trend wird nun auch von Unternehmen aufgenommen. So hat Japan Tobacco International (JTI) anlässlich seines Fünfzig-Jahr-Standortjubiläums der Gemeinde Dagmersellen LU ein Wildbienenparadies geschenkt. «Der unternehmerische Erfolg allein reicht uns nicht. Ebenso wichtig ist für uns, unsere Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und der Umwelt wahrzunehmen», sagt Andrea Hausmann, Corporate Affairs & Communications Manager bei JTI Schweiz. Dazu komme, dass die Förderung der Biodiversität auf der ganzen Welt ein wichtiges Thema sei: «Mit dem Wildbienenprojekt können wir quasi vor unserer Haustür einen Beitrag dazu leisten.»

Dass die Entscheidung ausgerechnet auf eine Bienenoase gefallen sei, habe Gründe: Heute seien über 50 Prozent der rund 600 Schweizer Wildbienenarten bedroht und bräuchten ein grosses, einheimisches Blütenangebot sowie geeignete Nistmöglichkeiten. Überdies sei eine solche zentral gelegene Anlage für Jung und Alt gleichermassen spannend: «Die Besucherinnen und Besucher erfahren vor Ort, wie wichtig die Bienen für ein gesundes Ökosystem sind und dass man schon mit kleinen Massnahmen einen grossen Beitrag für den Lebensraum von Wildbienen leisten kann. Das Projekt fördert damit nicht nur die Biodiversität, sondern trägt auch zur Information und Aufklärung bei.»

Auch JTI-Mitarbeitende werden bald von einem Wildbienenparadies profitieren. Wie Hausmann erklärt, ist man daran, das Bürogebäude komplett zu renovieren und die Umgebung neu zu gestalten. Geplant sei, dass beim Umbau des Gartens auch das Thema Artenvielfalt eine Rolle spiele: «Nebst den Annehmlichkeiten für unsere Mitarbeitenden soll es auch Platz für die Natur haben. Grundsätzlich ist es wichtig, dass wir über Biodiversität sprechen und das Thema sichtbar machen», sagt Hausmann.

Firmen mit Wildbienenparadiesen

Für die Konzeption der Anlage in Dagmersellen zeichnet das ETH-Spin-off Wildbiene + Partner verantwortlich. Wie Co-Gründer Tom Strobl erklärt, werden solche Projekte bei Unternehmen immer beliebter: «Wir spüren den Wunsch von vielen Firmen, aktiv etwas für die Umwelt zu unternehmen.» Ein Wildbienenparadies, das den Lebensraum mitten in der Stadt aufwerten und gleichzeitig der Bevölkerung zur Erholung dienen könne, würde sich dazu hervorragend eignen.

Mehr als 80 Prozent der Blütenpflanzen sind auf Bestäubung angewiesen.

 

Wildbiene + Partner habe beispielsweise bereits rund zwanzig solcher Oasen im Aussenbereich von Filialen der Zürcher Kantonalbank umgesetzt. Weitere Kunden sind die Migros oder das Familienunternehmen Just. Gemäss Strobl kann man an fast allen Standorten Wildbienen fördern, da die verschiedenen Arten unterschiedliche Ansprüche hätten: «So kann man ein Wildbienenparadies den Gegebenheiten entsprechend anpassen und es auf unterschiedliche Zielarten ausrichten. Grundsätzlich eignet sich ein sonniger Standort besonders gut, denn Wildbienen haben es gerne warm.»

Die Bedeutung von Bienen lässt sich messen: Wie Strobl erklärt, sind mehr als 80 Prozent unserer Blütenpflanzen auf die Bestäubung durch Tiere angewiesen – davon übernehmen Bienen den Löwenanteil. «Das heisst, ohne die unermüdliche Arbeit unserer Wildbienen können sich viele Pflanzen gar nicht fortpflanzen und damit unsere Ökosysteme – auf die wir angewiesen sind – im Gleichgewicht halten.» Schätzungen würden davon ausgehen, dass allein der Wert der Bestäubung durch Bienen für die Lebensmittelproduktion in der Schweiz bei mehr als 340 Millionen Franken liegt. Bleibt zu hoffen, dass sich in Zukunft noch mehr Aussenflächen in blühende Oasen der Biodiversität verwandeln.