Grundsätzlich gibt es zwei Zukunftsszenarien für den Schweizer Schienengüterverkehr: Der Schienengüterverkehr wird neu organisiert und weiterhin finanziell unterstützt, oder aber er wird dem freien Wettbewerb unterstellt und nicht mehr finanziell unterstützt. Ist die Annahme richtig, dass die Vernehmlassung eine mehrheitliche Zustimmung zur ersteren Variante ergeben hat?
Die überwiegende Mehrheit will die erstere Variante weiterverfolgen. Der Schienengüterverkehr soll auch in Zukunft einen Teil der Gütertransporte übernehmen. Damit wird eine Wahlmöglichkeit geschaffen und die bestehenden Kapazitäten auf Strasse und Schiene können optimal genutzt werden.
Der Güterverkehr auf der Schiene, insbesondere der Einzelwagen-Ladungsverkehr (ELV), ist nur dann überlebensfähig, wenn er finanziell unterstützt wird. Ist der vorgeschlagene Umschlagsbonus für den Verlad auf die Schiene ein taugliches Instrument dafür?
Mit einem Umschlags- und Verladebonus werden finanzielle Anreize für Bahntransporte gesetzt. Dieser Umstieg ist für die Verlader mit einem beträchtlichen Aufwand verbunden. Deshalb sehen wir einen finanziellen Anreiz in Form einer pauschalen Abgeltung pro Bahnwagen in der Höhe von voraussichtlich 40 Franken vor, sofern mehr als 720 Wagen pro Jahr verladen werden. Für neu oder wieder in Betrieb genommene Anschlussgleise gilt für die ersten fünf Jahre die Mindestmenge von 720 Wagen nicht. So werden klare Anreize für Bahntransporte gesetzt. Im internationalen Verkehr haben wir mit finanziellen Anreizen für die Verlagerung gute Erfahrungen gemacht. Die Verlader werden für den zusätzlichen Aufwand, der die Nutzung der Schiene bei ihnen verursacht, belohnt. Die Belohnung ist umso höher, je grösser die Mengen sind.
Ein Grundproblem des Wagenladungsverkehrs ist doch die Transportdistanz. Auf Strecken bis zu 100 Kilometer ist der Strassenverkehr deutlich schneller. Güter zweimal umzuladen – erst auf die Bahn, nachher wieder auf den Lastwagen –, ist unrentabel. Wie also soll die Versorgung peripherer Gebiete in Zukunft gewährleistet werden?
Die Herausforderung im Wagenladungsverkehr ist, dass er optimal in die Logistikkette eingebunden wird und grosse Mengen transportieren kann. Dann können auch Distanzen unter 100 Kilometer rentabel mit der Bahn betrieben werden. Für Distanzen über 100 Kilometer hat die Schiene je nach Gütergruppe in der Schweiz einen Anteil zwischen 20 und etwas über 70 Prozent. Auch hier kann die Schiene noch zugewinnen. Ziel der Reform ist nicht, mit der Bahn eine Grundversorgung in jede Ecke der Schweiz zu garantieren, sondern nachhaltige Konzepte zu unterstützen. Der Schienentransport der Rhätischen Bahn zeigt, dass auch im Berggebiet ein wirtschaftlicher Betrieb von Schienengüterverkehr absolut möglich ist, und dies trotz mehrmaligem Umladen.
Es brauche zwingend ausreichende Trassen in guter Qualität, fordert der Verband der verladenden Wirtschaft.
Mit dem Netznutzungskonzept und den jährlichen Netznutzungsplänen wird sichergestellt, dass genügend Trassen in der notwendigen Qualität für den Güterverkehr vorhanden sind. Zudem sehen wir mit dem Ausbauschritt 2035 vor, dass Expresstrassen geschaffen werden, damit die Güter noch schneller transportiert werden können.
Der Stratege
Name: Peter Füglistaler
Funktion: Direktor des Bundesamtes für Verkehr (BAV)
Alter: 64
Familie: Verheiratet, zwei Töchter
Ausbildung: Doktorat in Volkswirtschaft an der Universität St. Gallen
Das Amt Das Bundesamt für Verkehr (BAV) bereitet als Fachbehörde alle Entscheide des Bundesrates und des Parlamentes im Bereich des öffentlichen Verkehrs vor und vollzieht sie. Das BAV gestaltet als vorbereitende Instanz die schweizerische Vekehrspolitik und vertritt deren Anliegen in den parlamentarischen Kommissionen, in wichtigen Gremien der öffentlichen Verwaltung und in internationalen Organisationen.
Ein altes Problem ist die oft geforderte Priorisierung des Güterverkehrs gegenüber dem Personenverkehr.
Mit dem bereits erwähnten Netznutzungskonzept wurde der Vorrang des Personenverkehrs in der Schweiz schon vor Jahren abgeschafft. Es ist heute nicht mehr möglich, dass ein Personenzug einen Güterzug auf einer garantierten Trasse verdrängt. Im Gegenteil, wir erhalten seitens des Personenverkehrs regelmässig Reklamationen, weil wir Trassen des Schienengüterverkehrs nicht für den Personenverkehr freigeben.
«Auch Distanzen unter 100 Kilometer können rentabel sein.»
In der Schweiz soll der Güterverkehr auf der Schiene gefördert und umweltfreundlicher gestaltet werden, deshalb wird er vom Bund auch finanziell unterstützt. Gleichzeitig aber verlangt der Bund, wie Einzelne meinen, zu hohe Trassenpreise. Ein Widerspruch?
Es geht hier um zwei Zielsetzungen: Bahntransporte sollen mindestens die Kosten decken, welche sie bei einer Fahrt auf dem Schienennetz verursachen – das heisst, die Grenzkosten müssen gedeckt sein. Sonst fördern wir Transporte, die auf Kosten der Substanz des Schienennetzes erfolgen. Die zweite Zielsetzung ist die Förderung des Schienengüterverkehrs. Dies geschieht durch Subventionen. Damit haben wir finanzielle Transparenz und wissen, was uns die verschiedenen Staatsaufgaben kosten. Im Personenverkehr wird zusätzlich eine Umsatzabgabe auf den Ertrag der Verkehrseinnahmen erhoben. Wenn der Schienengüterverkehr weiter verbilligt werden soll, so hat dies explizit mit Subventionen zu erfolgen. Das ist auch Teil der Vorlage, welche in die Vernehmlassung gegeben wurde.
Kontrovers sind auch die Ansichten zum geplanten «Gateway Basel Nord». Verschiedene Vertreter in der Transportbranche sehen dieses Projekt eher kritisch. Wie sieht man das im BAV?
Der «Gateway Basel Nord» ist alternativlos. Ich kann die Kritik nicht nachvollziehen. Mit dem «Basel Nord» schaffen wir den ersten und einzigen Terminal in der Schweiz, welcher internationalen Standards entspricht. Mit der Verbindung von Rhein, Schiene und Strasse wird eine effiziente Plattform geschaffen, welche für die Versorgung der Schweiz von hoher Bedeutung ist. Im «Gateway Basel Nord» wird auch der Umlad auf den nationalen Schienengüterverkehr erfolgen.