Sie haben von Anfang an für das neue Stromgesetz gekämpft. Wer profitiert am meisten vom Ja vom 9. Juni?
Wir sind erfreut über das deutliche Ja zum Stromgesetz. Dieses gibt Rückenwind für den Ausbau der erneuerbaren Energieproduktion in der Schweiz.
Die BKW betont, dass der Bund das Gesetz nun pragmatisch und lösungsorientiert umsetzen soll. Was heisst das konkret?
Das ist vor allem im Netzbereich wichtig. Denn neben dem Ausbau der erneuerbaren Energieproduktion ist auch deren Integration ins Stromnetz wesentlich. Bei der Umsetzung des Gesetzes ist es entscheidend, dass die Verordnungen möglichst klar formuliert sind, um langwierigen Gerichtsverfahren vorzubeugen und die Rechtssicherheit zu stärken. Weiter sind die Verordnungen an zahlreichen Stellen zu vereinfachen und angemessene Übergangsfristen festzulegen.
Mit verschiedenen Projekten investiert die BKW bereits heute in den Bau von Solar-, Wind- und Wasserkraftanlagen. Können Sie Beispiele nennen?
Über die Kraftwerke Oberhasli (KWO), an denen wir beteiligt sind, sind wir in die Speicheranlagen Trift und Grimselseevergrösserung involviert – zwei weit fortgeschrittene Wasserkraftprojekte, die im Stromgesetz explizit genannt sind. Bereits seit letztem Jahr am Netz sind die neuen Kleinwasserkraftwerke Augand, Arvigo und Saas-Grund. Momentan im Bau sind die beiden Wasserkraftwerke Turbach und Sousbach. Zudem treiben wir Solarprojekte wie die Freiflächenanlage Belpmoos-Solar und mehrere alpine Solarprojekte sowie die Windprojekte bei Tramelan und Jeanbrenin voran.
Diverse Einsprachen und Beschwerden haben einige dieser Vorhaben blockiert – darunter das Projekt Trift. Können diese Projekte dank des nun angenommenen Gesetzes schneller realisiert werden?
Wir erhoffen uns, dass es jetzt tatsächlich schneller geht – vor allem mit den 16 Wasserkraftprojekten, die im Gesetz genannt werden. Gleichzeitig erwarten wir von den Umweltverbänden, welche Einsprache erhoben haben, dass sie nun ihren Widerstand gegen diese Projekte aufgeben werden. Zudem braucht es aber die bereits aufgegleiste Beschleunigungsvorlage, damit eingereichte Beschwerden effizienter behandelt werden können.
Stichwort Umweltverbände: Arbeiten Sie bei der Erarbeitung neuer Projekte mit ihnen zusammen?
Ja, bei all unseren Projekten beziehen wir die Umweltorganisationen möglichst früh mit ein, um Anlagen möglichst im Einklang mit der Natur zu planen. Sei dies bei Wasserkraftwerken, bei Freiflächensolaranlagen oder auch bei Windprojekten. Ein gutes Beispiel dafür sind die runden Tische für die alpinen Solaranlagen, welche der Kanton Bern organisiert und die es ermöglichen, möglichst früh die Projekte mit den besten Realisierungschancen zu eruieren.
In der Schweiz ist der Widerstand gross, wenn es um den Bau von Anlagen zur Produktion nachhaltiger Energie geht – viele Projekte landen beim Bundesgericht. Gibt es auch Projekte im Ausland?
Die Bewilligungsverfahren in der Schweiz waren in der Vergangenheit wirklich eine grosse Herausforderung für uns und führten auch dazu, dass wir auch im Ausland in Anlagen zur Produktion von erneuerbarem Strom investiert haben. Dazu gehört der Erwerb des grössten bewilligten Windparks im Süden Italiens mit einer Gesamtkapazität von 125 Megawatt. Ende 2025 wird er voraussichtlich in Betrieb genommen.
Gibt es weitere Projekte in der EU?
In Schweden hat die BKW drei Windparks mit einer Gesamtkapazität von 125 Megawatt erworben, diese sind seit Ende 2023 in Betrieb. Zudem haben wir kürzlich unsere Beteiligung an der Kooperation Helveticwind ausgebaut, die vier Windparks in Deutschland und zwei Windparks in Italien betreibt. Ausserdem haben wir in jüngster Vergangenheit diverse langfristige Stromabnahmeverträge mit Betreibern von Wind- oder Solarparks abgeschlossen und können so auf noch mehr erneuerbare Energie zugreifen.
Der Stromverbrauch in der Schweiz wird mit der Dekarbonisierung von Verkehr, Wärme und Industrie stark steigen. Lässt sich dieser Bedarf überhaupt mit erneuerbaren Energien decken?
Bis 2050 will die Schweiz netto null Treibhausgase ausstossen. Das bedeutet, dass wir Mobilität, industrielle Prozesse und Gebäudewärme grösstenteils elektrifizieren müssen. Damit die Schweiz dieses Ziel erreicht, braucht es viel mehr inländischen, erneuerbaren Strom.
Welche Steine müssen hierzu noch aus dem Weg geräumt werden?
Der Ausbau der Erneuerbaren muss auf allen Ebenen und unkompliziert ermöglicht werden: schnelle Bewilligungsverfahren, Solarausbau auf Dächern im Mittelland und in den Bergen, Windanlagen an geeigneten Standorten wie auch effiziente Wasserkraftwerke – besonders Pumpspeicherkraftwerke. Stromimporte bleiben aber wichtig und daher auch ein Stromabkommen mit der EU, um Mangellagen zu verhindern – und damit der Marktzugang gewährleistet bleibt. Auch für die Netzstabilität ist eine enge Kooperation mit der EU zentral.
Zur Person
Margarita Aleksieva ist Leiterin der Geschäftseinheit Wind & Solar bei der BKW. Davor leitete sie das Portfolio- und Assetmanagement des globalen Infrastrukturfonds der IST Investment Foundation. Vor ihrer Tätigkeit bei IST war sie Leiterin der Vermögensverwaltung des Bereichs Erneuerbare Energien bei Alpiq.
Ihre Ausbildung genoss die Infrastruktur- und Energieexpertin mit umfassendem Know-how in den Bereichen erneuerbare Energien und Impact Investing in Europa und den USA: Sie besitzt ein MBA von der Purdue University.
BKW: Das international tätige Energie- und Infrastrukturunternehmen beschäftigt 11’500 Mitarbeitende in 140 Firmen in ganz Europa und fokussiert auf Gesamtlösungen in den Bereichen Energie, Gebäude und Infrastruktur.