Tobias Schubert: Leidenschaft, einen kühlen Kopf und eine seriöse Marktabklärung: Ist die Idee wirklich umsetzbar? Dann sind «Working Hands» gefragt – die Tatkraft, eine Idee auch wirklich umzusetzen.
Mike Baur: Für mich gilt ganz klar die Prämisse «People is everything». Ein Topteam kann ein durchschnittliches Projekt zum Erfolg führen. Hingegen mag ein Projekt oder eine Idee noch so top sein – wenn die Leute dahinter nicht genügen, wird es nie abheben können.
Verena Kaiser: Das Team halten auch wir für elementar, unabhängig von der Lebenszyklusphase des Unternehmens. Da wir operative Unternehmen mit einer diversifizierten Kundenbasis unterstützen, muss die Weiterentwicklung des Teams bereits sicht- und spürbar sein – eine wichtige Voraussetzung, um das Business skalierbar und spannend für Investoren zu machen.
«People is everything! Genügen die Leute hinter dem Projekt nicht, kann es noch so top sein: Abheben wird es nie.»
Mike Baur, CEO und CO-Founder der Swiss Startup Group
Tobias Schubert: Manchmal sind wir in zentralen Fragen nicht einer Meinung und haben uns auf «Thoughtful Disagreement à la Ray Dalio» geeinigt. Will ich also gelb und Roman grün, muss jeder von uns dem anderen möglichst viele Argumente für das eine oder andere liefern. Am Ende müssen wir uns gemeinsam zur objektiv besten Lösung bekennen können. Keiner von uns darf glauben, dass er immer recht hat. Das ist wie in einer guten Ehe.
Mike Baur: Hier liegt ein wichtiger Punkt auch in unserer Erfahrung mit Gründerteams. Oft gibt es «Technical Co-Founders», die zusammen das Gleiche studiert haben und sich stets einig sind. Da fehlt dann häufig der «Business Co-Founder», der eine andere Sicht einbringt und kritisch, aber konstruktiv hinterfragt.
Verena Kaiser: Viele Start-ups neigen dazu, ihre Wachstumsstrategie im Finanzplan nicht vollumfänglich zu reflektieren, und sie unterschätzen die Bedeutung der kontinuierlichen Liquiditätsplanung.
Mike Baur: Auch der juristische Teil ist wichtig und oft fehleranfällig wie etwa die Wahl der Rechtsform, die Klärung der Beteiligungsverhältnisse und so weiter. Die Wachstumsstrategie kann ebenfalls Mängel aufweisen: Wer beispielsweise zu ambitioniert und zügig wachsen will, schreckt eventuell sogenannte «Business Angels» ab, weil zu schnell bereits wieder Cash benötigt wird.
«Zugegeben – in der Gründungsphase lagen wir mit dem Businessplan häufig um plus/minus 50 Prozent daneben.»
Roman Hartmann, Co-Gründer Farmy
Tobias Schubert: Nach einer ersten Phase, in der wir Vertrauen aufbauen mussten, ging es rasant. Relativ früh kamen renommierte Investoren an Bord: Adrian Bührer, der Students.ch aufgebaut hatte, und Myke Näf, der Gründer von Doodle. Weitere namhafte Schweizer Unternehmer und Investoren stiessen dazu, etwa Martin Jucker von der Jucker Farm oder Ruedi Noser, Politiker und IT-Unternehmer.
Roman Hartmann: Nicht vergessen darf man, dass wir neben der Akquise von Kunden und Investoren auch mit der Landwirtschaft aktiven Kontakt suchten. Die Bauern verstehen wir nämlich nicht einfach als Lieferanten, sondern als Partner.
Verena Kaiser: Farmy ist beispielhaft für das Vorgehen eines Start-ups. Man knüpft verschiedene Kontakte und baut sich ein Netzwerk auf, das zunehmend dichter wird. Hierzu gehören Ausdauer und ein Gespür für die richtigen Partner.
Verena Kaiser: Wir verfügen als grösster Vermögensverwalter über viele professionelle Anleger, die daran interessiert sind, «Smart Money» in wachstumsstarke, innovative Start-ups zu investieren. Zugleich kennen wir den Start-up-Markt sehr gut, entsprechend pflegen wir solide Netzwerke und können passende Investoren mit Start-ups zusammenbringen.
Verena Kaiser: Natürlich ist es so, dass die meisten Investoren aus unserem Kreis mittelfristig auf dieses Ziel hinsteuern. Das betrifft gerade institutionelle Anleger, für die Investieren und Verkaufen die Grundstrategie darstellen. Daher sollte ein Exit für jedes Start-up auf der Suche nach externem Kapital ein Thema und irgendwann umsetzbar sein. Viele unserer Privatinvestoren waren selbst Unternehmer und wissen, was es heisst, ein Start-up aufzubauen. Sie haben in der Regel mehr Zeit und den längeren Atem.
Mike Baur: Ich sehe das ähnlich. Als «Venture Builder» arbeiten wir eng mit den Unternehmen zusammen und investieren frisches Kapital in deren Wachstum. Selbstverständlich verfolgt der Venture Capitalist die Strategie, möglichst hohen Profit zu erzielen. Entsprechend hart verhandeln diese «Sharks» im Vorfeld eines Investments.
Verena Kaiser: Nach fünf Jahren findet in vielen Unternehmen eine Transformation statt. Der Tüftler, der die Idee hatte und sie in der Gründungsphase umsetzen konnte, kommt vielleicht nicht mehr als CEO infrage, um das Unternehmen jetzt in die Wachstumsphase zu führen. Bei Unternehmen, die wir begleiten, ist diese Zeitspanne häufig entscheidend für den Fortbestand und den nachhaltigen Erfolg. Die Investoren beobachten ganz genau, ob Start-ups die Transformation in dieser Phase auch professionell gestalten können. Da müssen gerade Gründer sich manchmal zurücknehmen können.
Mike Baur: Das «verflixte fünfte Jahr» gibt es auch nach meiner Erfahrung. Oft erwarten ab diesem Zeitpunkt sogar Investoren Wachstums- und Skaleneffekte. Viele Start-ups scheitern aber genau dann, weil die Gründer nicht offen genug dafür sind, besser geeignete Leute als sie selbst ans Ruder zu lassen. Die ersten fünf Jahre von Farmy kann man durchaus als mustergültig bezeichnen, doch jetzt kommen die nächsten fünf Jahre, die neue Herausforderungen bringen. Auf ersten Erfolgen ausruhen sollte man sich nicht. Unternehmertum ist ein Marathon, kein Sprint.
Tobias Schubert: Ein Wandel findet tatsächlich statt. Dabei ist ganz wichtig, dass man sich immer auch selber fragt: Bin ich noch der Richtige, um das Unternehmen auch in dieser Phase weiterzubringen? Roman Hartmann und ich haben den Vorteil, dass wir zuvor beide sowohl in Start-ups als auch in Grossunternehmen als Gründer oder Manager tätig waren. Daher können wir Farmy auch in der jetzigen Wachstumsphase gut voranbringen.
Roman Hartmann: Ein ganz entscheidender Schritt ist sicher der Moment, in dem man als wachsendes Start-up erstmals eine weitere Managementstufe aufbaut und dafür externe Personen einstellt. Da gibt man das Management von einzelnen Mitarbeitern und Bereichen zum ersten Mal in andere Hände.
«Nach fünf Jahren findet in vielen Unternehmen eine Transformation statt.»
Verena Kaiser, Head of Direct Investments, UBS
Roman Hartmann: Einerseits muss man selbst lernen, wie man Manager führt, die ihrerseits Personalverantwortung tragen und den nötigen Handlungsspielraum setzen. Anderseits gilt es, die für Managementfunktionen infrage kommenden Personen mit Sorgfalt auszuwählen. Diese benötigen neben der fachlichen Kompetenz die Bereitschaft, die Philosophie des Unternehmens mitzutragen, sowie eine Hands-on-Mentalität. Jeder dieser Manager fungiert zugleich als Business Developer und sollte sich langfristig dem Thema verschreiben. Wir als Gründer sind gefordert, die Motivation und die mittelfristige Berufsplanung dieser Personen zu verstehen und kontinuierlich abzugleichen.
«Man muss sich immer hinterfragen: Bin ich noch der Richtige, um das Unternehmen weiterzubringen?»
Tobias Schubert, Co-Gründer Farmy
Tobias Schubert: Wir wollen mehrgleisig fahren. Für Investoren der ersten Stunde, die vielleicht mit 50 000 oder 100 000 Franken eingestiegen sind, lohnt es sich in der Regel kaum, nochmals nachzuschiessen, weil sie dafür heute viel tiefer in die Tasche greifen müssten. Natürlich können sich über unsere Netzwerke neue Opportunitäten ergeben. Es werden uns immer wieder Türen geöffnet.
Verena Kaiser: Das mehrgleisige Vorgehen unterstützen wir. Am ehesten kann das Netzwerk der Firma selbst, kombiniert mit unseren Kontakten, zum Erfolg führen.
Mike Baur: Ich rate jedem Unternehmer, hier sehr aktiv vorzugehen. Da bedarf es auch immer mehrerer Optionen, weil ein Anleger auch in letzter Sekunde abspringen kann. Ein Investor ist erst dann ein Investor, wenn sein Geld auf dem Firmenkonto verbucht ist.
Roman Hartmann: Natürlich riskieren wir, auch als Ehemänner und Familienväter, viel. Sollte das Ganze scheitern, werden wir finanziell sicherlich einen erheblichen Nachteil erleiden gegenüber dem Szenario, als Manager im Angestelltenverhältnis weiter Karriere gemacht zu haben. Aber dieses Risiko geht jeder Unternehmer ein.
Verena Kaiser: Die Absicherung von Angehörigen ist wichtig. Auch die Frage, was mit dem Unternehmen bei einem unfall- oder krankheitsbedingten Aus- oder Todesfall passiert, gilt es frühzeitig zu klären.
Roman Hartmann: Trotzdem kann man nicht alle Risiken ausschliessen. Unternehmer zu sein, ist eine Lebenseinstellung. Es gibt keine Garantie für den Erfolg.
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