1,5 Millionen Menschen in der Schweiz sind in Kurzarbeit und dürfen nicht voll arbeiten. Gleichzeitig suchen gewisse Branchen dringend Personal: Bauern etwa, denen die Erntehelfer fehlen, weil die Saisonarbeiter aus dem Ausland nicht einreisen können. Auch in der Logistik sowie im Pflegebereich sind Stellen offen.
Es ist eine paradoxe Situation, die der Bundesrat nun zu entschärfen versucht: Er schafft für Kurzarbeiter einen zusätzlichen finanziellen Anreiz, einen Zwischenverdienst anzunehmen. Kurzarbeitende dürfen vorübergehend voll fürs eigene Portemonnaie arbeiten.
In normalen Zeiten wäre ein Zwischenverdienst gedeckelt: Kurzarbeitende erhalten 80 Prozent des gewohnten Lohns von der Arbeitslosenversicherung. Der Zusatzverdienst, der 100 Prozent vom normalen Lohn übersteigt, fliesst an den Staat.
«Nachvollziehbare Massnahme»
«Es ist eine absolut nachvollziehbare Massnahme», sagt Professor Christoph Schaltegger. Der Ökonom an der Universität Luzern will den Beschluss aber nicht überbewerten.
In der aktuellen Situation sei viel entscheidender, ob die Arbeitsstellen der Menschen in Kurzarbeit erhalten bleiben. «Falls die Unternehmen keine Chancen mehr sehen, ihre Produktionskapazität bald wieder voll auszulasten, werden sie einen Stellenabbau einleiten.» Das ist die drängende Frage für den Bundesrat: «Gelingt es, die Stellen der Kurzarbeitenden langfristig zu erhalten?», so Schaltegger.
Auch der Zürcher Arbeitsmarktökonom Michael Siegenthaler findet die Massnahme sinnvoll. «Für mich ist es sehr schwer abzuschätzen, wie sich diese auf das Arbeitsangebot auswirken wird.»
Das hänge unter anderem davon ab, ob die Kurzarbeitenden von den Kantonen aktiv über die neue Regelung informiert würden, schreibt der Experte der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich.
Enlastung für Ämter am Anschlag
Der Bundesrat will mit der Massnahme auch die Behörden entlasten. Denn diese Ämter müssen derzeit eine Flut von Anträgen auf Kurzarbeit bewilligen – ihnen fehlt derzeit schlicht die Zeit, auch noch zu kontrollieren, wie viel die Kurzarbeitenden mit Zweitjobs verdienen.
Diese administrative Entlastung ist für Siegenthaler denn auch der wichtigere Grund für den Beschluss des Bundesrats. Es sei gut, die Kantone bei der Bearbeitung der Gesuche zu entlasten, sagt Ökonom Siegenthaler. «Es führt dazu, dass Betriebe schneller zu Geld kommen und damit Konkurse verhindern werden können.»