Bis 2050 keine Treibhausgabe mehr auszustossen – dieses herausfordernde Klimaziel treibt Politik, Wissenschaft, Gesellschaft und Wirtschaft seit einigen Jahren um. Wie weit sind wir auf diesem Weg? Welchen Beitrag kann und muss die Wirtschaft noch leisten? Um einige der drängendsten Nachhaltigkeitsthemen unserer Zeit anzugehen, haben sich EY, Europa Forum Luzern und Green Business Switzerland zusammengetan und eine Veranstaltungsreihe mit Nachhaltigkeitsverantwortlichen internationaler Unternehmen mit Sitz in der Schweiz organisiert.
In drei virtuellen Events werden Herausforderungen, Trends und Best Practices auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit und Dekarbonisierung von Unternehmen beleuchtet. Im ersten Event ging es dabei gleich um drei höchstrelevante Branchen: Lebensmittelverpackung (Tetra Pak), Agrartechnologie (Syngenta Group) und Kreuzfahrtindustrie (MSC Group).
Moderator Benjamin Teufel, Sector Leader Energy & Resources and Leader EY Carbon bei EY Switzerland, führte zu Beginn folgende Problematik vor Augen: Es werden viel mehr Lebensmittel produziert als konsumiert. Weltweit sind sie ausserdem ungleich verteilt. Damit leitete er das Eröffnungsreferat von Markus Pfanner ein, Vice President Sustainability bei Tetra Pak, dem globalen Marktführer für Lösungen für das Verarbeiten und Verpacken von Lebensmitteln. «Verpackungen helfen einerseits, Menschen Lebensmittel sicher zur Verfügung zu stellen. Andererseits benötigen sie Ressourcen», sagte Pfanner.
Er zeigte auf, wie die Ansprüche an Verpackungen aufgrund knapp werdender Rohstoffe, Abfallbewältigungsproblemen und teils fragilen Wertschöpfungsketten (wie während der Coronapandemie) grösser werden. Die Vision des Tetra Pak-Gründers Ruben Rausing, «Eine Verpackung sollte mehr retten, als sie kostet», sei deshalb stärker denn je und das Thema Nachhaltigkeit tief in der DNA des Unternehmens verankert. Mit den Tetra Pak-Kartonverpackungen sei man auf einem guten Weg. Noch gebe es aber viel zu tun, etwa im Bereich Recycling/erneuerbare Materialien, kohlenstoffneutrale Produktion oder Food Waste.
In der darauffolgenden Paneldiskussion wurden zusätzlich Nachhaltigkeitsbestrebungen in der Agrartechnologie und der Kreuzfahrtindustrie thematisiert. Neben Markus Pfanner von Tetra Pak nahmen Petra Laux, acting Chief Sustainability Officer bei der Syngenta Group und Bud Darr, Executive Vice President, Maritime Policy and Government Affairs bei der MSC Group teil.
Petra Laux sprach von einer «tripple Challenge» für die Agrartechnologie: Ernährungssicherheit für eine wachsende Weltbevölkerung, Umwelt und Klimawandel sowie die Existenzgrundlage der Bauern. Syngenta sehe sich daher nicht als Chemieunternehmen, sondern als Unterstützer für Bauern. Deshalb entwickelt das Unternehmen eine Pflanzenschutzstrategie und zum Beispiel Samen, die weniger Wasser brauchen (Stichwort Erderwärmung). Auch Pestizide seien schon erfolgreich reduziert worden, dort sei aber noch mehr möglich: «Nachhaltigkeit ist bei uns kein einzelnes Programm, sondern wesentlicher Bestandteil eines jeden Geschäftsfelds», so Laux.
Bud Darr nannte das globale Ziel Netto-Null als grösste, existenzielle Herausforderung in der Schifffahrt. Es gebe zwar kleine Fortschritte, aber ohne Durchbruch in der Treibstoffproduktion sei man von einer Dekarbonisierung noch weit entfernt. Gute Partner in der Energieversorgung seien deshalb essenziell. Einfachere Massnahmen («quick wins») wurden hingegen schon mehrheitlich umgesetzt, allen voran die Systemeffizienz: Die Beladung an Land oder das unnötige Warten eines Schiffes vor der Hafeneinfahrt.
Die wichtigste gemeinsame Erkenntnis der drei Panelisten: Ein Unternehmen kann nur nachhaltig profitabel sein, wenn es im Einklang mit den sozialen Erwartungen agiert. Diese sind zuletzt stark gestiegen — ob von Seiten der Konsumenten, Mitarbeitenden oder Aktionären. Und sie werden es noch: In 20, 30 Jahren werden die Werte und Ansprüche hinsichtlich Nachhaltigkeit stärker sein als heute. «Wir sind die erste Generation, die die Folgen des Klimawandels spürt. Und wir werden später nicht sagen können, dass wir nichts davon gewusst haben», sagte Pfanner.
Noch ist die Bereitschaft, mehr für nachhaltige Produkte zu zahlen, aber nur teils vorhanden. Um beispielsweise mehr nachhaltige, emissionsarme Kreuzfahrtschiffe herzustellen, braucht es für die Produzenten laut Bud Darr ein viel stärkeres Signal von den Konsumenten. Die Bereitschaft steigt jedoch, sagte Pfanner mit Verweis auf Forschungsergebnisse von Tetra Pak. Und Petra Laux betonte ihrerseits, dass Nachhaltigkeit dank Innovationen eines Tages gar nicht mehr zwingend teuer sein müssten.
Um die globale Nachhaltigkeitsbewegung voranzutreiben, ist des Weiteren eine entsprechende Gesetzgebung förderlich – die letztlich auch die sozialen Erwartungen und Kundenbedürfnisse widerspiegelt. Gesetze könnten helfen, die Entwicklung zu beschleunigen und richtige Anreize für alle Akteure entlang der Wertschöpfungskette zu setzen. So hätten der New Green Deal der Europäischen Union und Chinas Netto-Null-Ziel bis 2050 laut Petra Laux einen «massiven Einfluss auf Investitionen».
Notwendig ist last but not least die Zusammenarbeit mit Partnerunternehmen: Nur so kann das Ziel Netto-Null entlang der ganzen Wertschöpfungskette verfolgt werden. Die gesamte Produktion von Tetra Pak beispielsweise sei bloss ein kleiner Prozentteil der gesamten Kette. Bis 2030 will das Unternehmen Netto-Null im eigenen Betrieb erreichen, bis 2050 Netto-Null in seiner Wertschöpfungskette.